Realo schrieb:Das ist zwar insgesamt richtig, propagiert aber - ums mal topicwise zu formulieren - den Kampf der Kulturen bzw. clash of civilizations. Solche Einstellungen führen dann über den Umweg der "Leitkultur"-Dogmatik, zu der so oft beweinten Inkompatibilität der Kulturen. Ich selbst bin nicht zuletzt aus diesem Grund für mehr Toleranz, auch der Burka gegenüber. Soll sich doch jeder verkleiden wie er mag, solange es nicht mit der Berufsrolle kollidiert. Also ich kann mir schlecht eine Pilotin in der Burka vorstellen. Ach, was sag ich, in unserem aufgeklärten Westen gibt es ja nicht mal Pilotinnen ohne Burka, immer noch kein weibliches fliegendes Personal, allenfalls als Stewardess. Man traut ihnen wohl nicht zu ein Flugzeug zu lenken. Aber Defizite der eigenen Kultur werden hier ja grundsätzlich nicht debattiert, sind tabu, gelten als unanständig.
Ja und Nein. Das kommt auf den Kulturbegriff an.
Es gibt in Deutschland viele verschiedene Kulturen, auch unter Deutschen.
Als Kultur bezeichne ich grundsätzlich (man könnte auch subkultur sagen) gruppen, die sich in ihren lebensumständen, ansichten und ihrem selbstbild überschneiden (z.b. ethnische Minderheiten, aber auch Studenten, Rentner, Arbeiter, Hartz 4 Empfänger oder Ostdeutsche usw.).
Diese Gruppen überschneiden sich natürlich auch untereinander, aber ich werte die entsprechenden identitäten (und ein Mensch kann mehrere haben, hat eigentlich sogar jeder, je nachdem aus welcher warte man ihn betrachtet) als einzelne Kulturen.
Es gibt aber, zusammengesetzt aus all diesen, eine überbordende Kultur, bei der sich diese Gruppen entweder grundsätzlich einig sind oder wenigstens auf sinnvolle art und weise im dialog die grenzen und normen aushandeln können.
Es gibt aber auch Kulturen, bei denen das nicht möglich ist, und die keineswegs in der überbordenden Kultur aufgehen können, weil sie sich ihr komplett verweigern.
Das ist z.B. der Fall, wenn jemand sagt, Deutschland sei eine AG und man müsse sich nicht an gesetze halten, oder wenn man sogar als Islamist dnekt, Deutschland sei teil des großen satans, den es zu bekämpfen gilt.
Dann gibt es wiederum den umgekehrten fall: Dass die Mehrheitsgesellschaft etwas nicht in ihre überbordende Kultur aufnehmen will und sich abgrenzen möchte.
Dieser Fall ist der sehr viel heiklere, gesellschaftspolitisch gesehen. Denn eigentlich wollen wir ja alle bevölkerungsschichten einladen.
Im Idealfall glauben die alle an die Dmeokratie, gehen alle wählen, engagieren sich in vereinen und fühlen sich als teil eines ganzen.
Das passiert aber natürlich nicht so perfekt.
Wir fragen uns schon bei Leuten wie Pierre Vogel anhängern oder den ganz klassischen Rechtsextremen, ob wir die wirklich ausgrenzen sollen oder wo vielleicht doch Dialog möglich ist und zugeständnisse.
Und zugeständnisse sind notwendig, um so eine Gruppe zu integrieren.
Ein zugeständnis ist z.b., wenn man lehrerinnen oder auch schülerinnen erlaubt, Kopftücher in der Schule zu tragen.
Ersteres ist noch ein Problem, zweiteres ist schon Gang und Gebe.
Bei ersteren verstößt das eigentlich auch gegen Mehrheitsmeinungen in D, aber andererseits wollen wir auch nicht, dass keine gläubige Muslime Lehrerin werden kann. Das ist ein typisches trade off (wenn auch kein so heikles wie bei burkas, weil muslimas ja anderweitig integriert sind und arbeiten können).
Bei der Burka haben wir aber sogar mehrheiten, die sich wünschen würden, dass überhaupt niemand mehr sowas überhaupt trägt in der öffentlichkeit.
Da gibt es auch Leute, die sagen, wir müssen doch Frauen mit Burkas auch integrieren. Wir sollten zugeständnisse machen, wir sollten auf sie zugehen und integrationsunterstützung leisten, anstatt die Burka zu verbieten oder anderweitige Schritte einzuleiten.
Ich persönlich begreife Burkaträgerinnen aber als Teil einer Kultur, die in der Tat so inkompatibel mit Deutschland ist, dass man dieses Zugeständnis nicht machen muss.
Und das tue ich eben mit dem Argument einer Leitkultur, eben der überbordenden Kultur, die der mehrheitsfähige konsens aller anderen hier lebenden kulturen ist.