Leitkultur…oder west-östlicher Divan?
07.08.2017 um 15:40Anlass für diesen Thread ist eine Bemerkung von @Deep_Throat_V2 aus dem Burka-Thread von heute Mittag, als er schrieb:
Ich finde unsere Kultur allen anderen Kulturen überlegen. Du nicht?
Dieser Satz fasst unser ganzes Problem im Umgang mit Muslimen, also mit dem Islam, kurz & knackig zusammen, denn es war nicht satirisch gemeint, sondern im Ernst.
Noch Goethe sah (im west-östlichen Divan, daher auch die Headline) in der "morgenländischen" Kultur eine absolute Bereicherung für uns, der man auf Augenhöhe zu begegnen habe, weil ein Dialog zwischen der abendländischen und der morgenländischen Kultur beide nur bereichern könne; er war so gesehen der erste westliche Multikulturalist.
Auch wenn, je besser wir ihn zu kennen glauben, der Islam uns immer befremdlicher erscheint, sollten wir bedenken, dass unsere westliche und bis vor kurzem auch christliche Kultur mehr mit dem Islam zu tun hat, als man gemeinhin annimmt:
• Beide Kulturen sind Kriegskulturen: Der Islam fing schon zu Lebzeiten des Propheten an die arabische Halbinsel zu erobern und hatte 30 Jahre später – und das in so einer "langsamlebigen Zeit" wie das frühe Mittelalter – ganz Mesopotamien, die Levante und den heutigen Iran erobert und stand ein weiteres Jahrzehnt später bereits am Pamir in Zentralasien; weniger als ein Jahrhundert nach Mohammed eroberte der Islam in Form eines "Blitzkriegs" die iberische Halbinsel und gründete das Emirat von Córdoba. Bis auf den heutigen Tag hat sich am aggressiven, Territorialgewinn suchenden Eroberungsdrang des Islams nicht viel verändert; er kommt nur, was auch der IS einsehen musste, mit seiner rückständigen Waffentechnik mit dem Westen einfach nicht mit, kann also nicht so, wie er gern wollte. Das christliche Abendland hat in diversen Kreuzzügen den vorderen Orient aufgemischt, in der postkolumbischen Ära mörderisch mit der Bibel in der einen und dem Schwert in der anderen Hand ganz Lateinamerika unterjocht und die einheimische Bevölkerung zum größten Teil abgeschlachtet; behilflich waren dabei allerdings auch die exportierten ansteckenden Krankheiten; den Norden haben dann die Engländer, Franzosen und Amis plattgewalzt. Beide Kulturen tun sich nicht viel in Sachen Kriegslüsternheit, ganz zu schweigen vom 20. Jahrhundert mit zwei Weltkriegen, die nicht vom Islam ausgingen; dafür erscheint er heutzutage aggressiver als der Westen und wenn man die demografische Entwicklung anschaut, befindet sich der Westen eindeutig auf der Verliererstraße; wir haben zwar die besseren Waffen, aber zu wenige Kids.
• Auch was den männlichen Chauvinismus und die Unterdrückung der Frau angeht, lagen beide Kulturen bis in die 1970er Jahre praktisch gleichauf; erst danach setzte im Westen die Frauenemanzipation ein.
• Bis gegen das Ende des Mittelalters beeinflusste der Orient den Okzident in allen Wissenschaften maßgeblich. Erst mit der Unterwerfung der Welt (bis auf den islamischen Kulturkreis und Ostasien) unter westliche Hegemonie (Kolonialismus, Imperialismus) erlangte der Westen auch in den Wissenschaften eine Vormachtstellung und politische und kulturelle Hegemonie.
• Beide Kulturen – und nehmen wir noch die jüdische dazu – haben monotheistische Religionen, sind sich in ihrer Weltanschauung also ähnlicher als allen anderen Kulturen gegenüber.
Dass sich beide Kulturen gar nicht so sehr voneinander unterscheiden, und dass die hauptsächlich von den Rechten aufgestellte Behauptung der Inkompatibilität beider Kulturen trotz aller Vorfälle der letzten Jahre nicht belegbar ist, zeigt die jüngere Geschichte. Erfahrungen mit Muslimen machte Deutschland ja erst nach dem letzten Weltkrieg – wenn wir das einstige Osmanische Reich, mit dem das wilhelminische Deutschland im 1. Weltkrieg kooperierte, mal außen vor lassen. Die paar Muslime, die in der Weimarer Republik in Deutschland lebten, waren eher eingesickerte Relikte aus dem multiethnischen Österreich-Ungarn, das mit dem Ende des 1. Weltkriegs zerbrach. Die ersten Muslime in nennenswerter Zahl kamen erst als so genannte Gastarbeiter in den 1970er Jahren ins Land und statt anschließend "wieder zu gehen", verlief die Integration in unsere Gesellschaft aus heutiger Sicht überraschend problemlos, in jeder Beziehung. Mit anderen Worten: Ein Drittel Jahrhundert lang nach dem 2. Weltkrieg gab es zumindest bei der jüngeren Bevölkerung keinerlei Probleme mit Muslimen bei uns. Das änderte sich erst langsam in den 1980er Jahren mit Kohl und dann ziemlich radikal mit der Wiedervereinigung. Woran das jetzt genau lag, müsste man mal Zeithistoriker befragen. Hat auch nichts mit "9/11" zu tun, wie hier immer gern behauptet wird, denn die Brandmorde von Rostock, Mölln und Solingen geschahen ein Jahrzehnt früher.
Ebenfalls noch vor 9/11 schwafelte der damalige CDU-Generalsekretär Friedrich Merz von der "deutschen Leitkultur" – damit war nicht die christlich-abendländische gemeint und auch nicht die humanistisch-europäische, sondern die national deutsche. Es war wieder ein erster Vorschein von Nationalhegemonie, der da mit den Ketten rasselte. Heute verbiegen sich die Propagandisten der Leitkultur, indem sie es auf eben jene europäisch-abendländische Ebene zu hieven versuchen oder sie gar mit dem aufklärerisch-humanistischen Erbe des gesamten Westens gleichzusetzen versuchen, dabei weiß jeder, der googeln kann, dass es sich um ein rein deutsches Phänomen handelt, denn im englischen, französischen und spanischen Sprachraum gibt es diesen Begriff nicht. Die englische Wikipedia schreibt: "Leitkultur is a German concept, which can be translated as 'guiding culture' or 'leading culture', less literally as 'common culture', 'core culture' or 'basic culture'. The term was first introduced in 1998 by the German-Arab sociologist Bassam Tibi[1] and from 2000 onward the term figured prominently in the national political debate in Germany about national identity and immigration.[citation needed] The term then became associated with a monocultural vision of German society, with ideas of European cultural superiority, and with policies of compulsory cultural assimilation."
Wikipedia: Leitkultur
Das Zitat hat schon ein geschmäckle, gell? Nationalistisch, bezogen auf Immigranten, monokulturalistisch (also das Gegenteil von Multikulti) und wohl am liebsten auch noch ethnisch homogen. Europäische kulturelle Superiorität, also genau das, was der oben zitierte User schrieb, kommt noch obenauf, und Assimilation statt Integration selbstredend. Kein Wort von einer Verschmelzung oder gar Bereicherung durch Übernahme der VORZÜGE einer anderen Kultur, denn die gibt es eben auch: Alkohol ist verpönt, Ballermann 6 wäre für jeden Muslim die Ausgeburt der Hölle, Muslime unter sich sind geselliger als Europäer unter sich, es wird mehr gelacht, die Leute sind herzlicher und gastfreundlicher, auch die Architektur ist im Ganzen schöner, im Orient herrscht ein gewisses Flair, das sich nicht so leicht beschreiben lässt.
Natürlich hat sich "der Islam" insgesamt in den letzten Jahrzehnten in die aus unserer Sicht gesehen falsche Richtung entwickelt und dabei radikalisiert. Auch hier gibt es wieder eine Vorgeschichte, die ich nicht näher ausführen will und die was mit Israel, Amerika und dem Westen insgesamt zu tun hat und mit dem westlichen Hegemonialstreben auch in ihrem Kulturraum, zumeist militärisch (die Kriege Israels mit amerikanischer Waffentechnologie, die Irakkriege, die Unterstützung Iraks im irakisch-iranischen Krieg, der Afghanistankrieg, der unerklärte Krieg gegen Syriens Assad-Regime, die Einmischung des Westens im "arabischen Frühling").
"Leitkultur" ist nicht eine europäische, sondern eine genuin deutsche Demonstranz der kulturellen Hegemonie und damit indirekt der grundgesetzlich zwar vorgeschriebenen, de facto aber missachteten Religionsfreiheit und -gleichheit – derselbe User schrieb heute auch, dass natürlich auch Minarette einfach nicht gehen, weil die nicht in unsere kulturelle Landschaft passen; man dürfe ja auch keine Häuser mit grünen Dachziegeln bauen, weil die nicht ins Stadtbild passen. Also keine Minarette; das christliche Gegenstück, die Kirchtürme, sind natürlich erlaubt, schließlich haben die im Gegensatz zu Minaretten Tradition hier. Und wem das nicht passt, der kann ja nach Saudi Arabien auswandern.
Und schwupps, sind wir dabei auch gleich beim Kulturchauvinismus und Kulturimperialismus nach innen. Ein User in einem anderen Forum sprach sogar von Kulturfaschismus, aber so weit will ich nicht gehen.
Und so wird dann auch Integration mit Assimilation (Anpassung) verwechselt; man sagt Integration und meint Anpassung.
Jetzt kommt der islamistische Terror noch dazu, und wenn ich so die öffentliche Meinung erforsche – Allmy ist ja bestens dazu geeignet –, sieht die Zukunft einer christlich-atheistischen und islamischen Koexistenz eigentlich sehr düster aus, ich bin da extrem pessimistisch bezogen auf die mutmaßliche weitere Entwicklung.
Aus dem Dilemma kann man nur rauskommen, indem man eine "suprakulturelle" Position einnimmt, mit einer Perspektive eines Weltbürgers anstatt eines Deutschen oder Schweizers (wo ja neue Minarette sogar rechtlich grundsätzlich verboten sind nach der damaligen Volksabstimmung). Das erfordert eben auch suprakulturelle Toleranz, damit ebenfalls eine bilaterale. Dazu gehört auch, die Gesetze nicht immer weiter zu verschärfen, die einer "deutschen Leitkultur" das Wort reden und den multikulturellen Ansatz verunglimpfen. Warum soll man die Burka verbieten, während in Bayern teilweise noch christliche Kreuze an den Wänden der Klassenzimmer hängen? Es reicht doch, dass die Burka nicht in öffentlichen Gebäuden getragen werden darf, sondern eigentlich nur in den Straßen, im öffentlichen Nah- und Fernverkehr und beim Einkaufen im Supermarkt, nicht aber hinter der Kasse des Supermarkts. Die ganze Diskussion im Burka-Thread ist ein verbrämter "Kampf der Kulturen", bei dem die überwiegende Mehrheit der User die Position der Kulturalhegemonie vertritt.
Wir kommen so nicht weiter, sondern müssen versuchen, zum Islam insgesamt (nicht zum Islamismus!) wieder ein toleranteres und unverkrampfteres, weniger hysterisches Verhältnis zu finden, d.h. in erster Linie die Menschen zu sehen und erst dann die eines anderen Glaubens und anderer Sitten. Solange sie nicht gegen unsere Gesetze verstoßen, sollten wir aufhören sie verbal und schriftlich zu verhetzen. Nur dann kann es einen Frieden geben und einen neuen Versuch, Hoffnung einen besseren, des Zusammenlebens.
Ich finde unsere Kultur allen anderen Kulturen überlegen. Du nicht?
Dieser Satz fasst unser ganzes Problem im Umgang mit Muslimen, also mit dem Islam, kurz & knackig zusammen, denn es war nicht satirisch gemeint, sondern im Ernst.
Noch Goethe sah (im west-östlichen Divan, daher auch die Headline) in der "morgenländischen" Kultur eine absolute Bereicherung für uns, der man auf Augenhöhe zu begegnen habe, weil ein Dialog zwischen der abendländischen und der morgenländischen Kultur beide nur bereichern könne; er war so gesehen der erste westliche Multikulturalist.
Auch wenn, je besser wir ihn zu kennen glauben, der Islam uns immer befremdlicher erscheint, sollten wir bedenken, dass unsere westliche und bis vor kurzem auch christliche Kultur mehr mit dem Islam zu tun hat, als man gemeinhin annimmt:
• Beide Kulturen sind Kriegskulturen: Der Islam fing schon zu Lebzeiten des Propheten an die arabische Halbinsel zu erobern und hatte 30 Jahre später – und das in so einer "langsamlebigen Zeit" wie das frühe Mittelalter – ganz Mesopotamien, die Levante und den heutigen Iran erobert und stand ein weiteres Jahrzehnt später bereits am Pamir in Zentralasien; weniger als ein Jahrhundert nach Mohammed eroberte der Islam in Form eines "Blitzkriegs" die iberische Halbinsel und gründete das Emirat von Córdoba. Bis auf den heutigen Tag hat sich am aggressiven, Territorialgewinn suchenden Eroberungsdrang des Islams nicht viel verändert; er kommt nur, was auch der IS einsehen musste, mit seiner rückständigen Waffentechnik mit dem Westen einfach nicht mit, kann also nicht so, wie er gern wollte. Das christliche Abendland hat in diversen Kreuzzügen den vorderen Orient aufgemischt, in der postkolumbischen Ära mörderisch mit der Bibel in der einen und dem Schwert in der anderen Hand ganz Lateinamerika unterjocht und die einheimische Bevölkerung zum größten Teil abgeschlachtet; behilflich waren dabei allerdings auch die exportierten ansteckenden Krankheiten; den Norden haben dann die Engländer, Franzosen und Amis plattgewalzt. Beide Kulturen tun sich nicht viel in Sachen Kriegslüsternheit, ganz zu schweigen vom 20. Jahrhundert mit zwei Weltkriegen, die nicht vom Islam ausgingen; dafür erscheint er heutzutage aggressiver als der Westen und wenn man die demografische Entwicklung anschaut, befindet sich der Westen eindeutig auf der Verliererstraße; wir haben zwar die besseren Waffen, aber zu wenige Kids.
• Auch was den männlichen Chauvinismus und die Unterdrückung der Frau angeht, lagen beide Kulturen bis in die 1970er Jahre praktisch gleichauf; erst danach setzte im Westen die Frauenemanzipation ein.
• Bis gegen das Ende des Mittelalters beeinflusste der Orient den Okzident in allen Wissenschaften maßgeblich. Erst mit der Unterwerfung der Welt (bis auf den islamischen Kulturkreis und Ostasien) unter westliche Hegemonie (Kolonialismus, Imperialismus) erlangte der Westen auch in den Wissenschaften eine Vormachtstellung und politische und kulturelle Hegemonie.
• Beide Kulturen – und nehmen wir noch die jüdische dazu – haben monotheistische Religionen, sind sich in ihrer Weltanschauung also ähnlicher als allen anderen Kulturen gegenüber.
Dass sich beide Kulturen gar nicht so sehr voneinander unterscheiden, und dass die hauptsächlich von den Rechten aufgestellte Behauptung der Inkompatibilität beider Kulturen trotz aller Vorfälle der letzten Jahre nicht belegbar ist, zeigt die jüngere Geschichte. Erfahrungen mit Muslimen machte Deutschland ja erst nach dem letzten Weltkrieg – wenn wir das einstige Osmanische Reich, mit dem das wilhelminische Deutschland im 1. Weltkrieg kooperierte, mal außen vor lassen. Die paar Muslime, die in der Weimarer Republik in Deutschland lebten, waren eher eingesickerte Relikte aus dem multiethnischen Österreich-Ungarn, das mit dem Ende des 1. Weltkriegs zerbrach. Die ersten Muslime in nennenswerter Zahl kamen erst als so genannte Gastarbeiter in den 1970er Jahren ins Land und statt anschließend "wieder zu gehen", verlief die Integration in unsere Gesellschaft aus heutiger Sicht überraschend problemlos, in jeder Beziehung. Mit anderen Worten: Ein Drittel Jahrhundert lang nach dem 2. Weltkrieg gab es zumindest bei der jüngeren Bevölkerung keinerlei Probleme mit Muslimen bei uns. Das änderte sich erst langsam in den 1980er Jahren mit Kohl und dann ziemlich radikal mit der Wiedervereinigung. Woran das jetzt genau lag, müsste man mal Zeithistoriker befragen. Hat auch nichts mit "9/11" zu tun, wie hier immer gern behauptet wird, denn die Brandmorde von Rostock, Mölln und Solingen geschahen ein Jahrzehnt früher.
Ebenfalls noch vor 9/11 schwafelte der damalige CDU-Generalsekretär Friedrich Merz von der "deutschen Leitkultur" – damit war nicht die christlich-abendländische gemeint und auch nicht die humanistisch-europäische, sondern die national deutsche. Es war wieder ein erster Vorschein von Nationalhegemonie, der da mit den Ketten rasselte. Heute verbiegen sich die Propagandisten der Leitkultur, indem sie es auf eben jene europäisch-abendländische Ebene zu hieven versuchen oder sie gar mit dem aufklärerisch-humanistischen Erbe des gesamten Westens gleichzusetzen versuchen, dabei weiß jeder, der googeln kann, dass es sich um ein rein deutsches Phänomen handelt, denn im englischen, französischen und spanischen Sprachraum gibt es diesen Begriff nicht. Die englische Wikipedia schreibt: "Leitkultur is a German concept, which can be translated as 'guiding culture' or 'leading culture', less literally as 'common culture', 'core culture' or 'basic culture'. The term was first introduced in 1998 by the German-Arab sociologist Bassam Tibi[1] and from 2000 onward the term figured prominently in the national political debate in Germany about national identity and immigration.[citation needed] The term then became associated with a monocultural vision of German society, with ideas of European cultural superiority, and with policies of compulsory cultural assimilation."
Wikipedia: Leitkultur
Das Zitat hat schon ein geschmäckle, gell? Nationalistisch, bezogen auf Immigranten, monokulturalistisch (also das Gegenteil von Multikulti) und wohl am liebsten auch noch ethnisch homogen. Europäische kulturelle Superiorität, also genau das, was der oben zitierte User schrieb, kommt noch obenauf, und Assimilation statt Integration selbstredend. Kein Wort von einer Verschmelzung oder gar Bereicherung durch Übernahme der VORZÜGE einer anderen Kultur, denn die gibt es eben auch: Alkohol ist verpönt, Ballermann 6 wäre für jeden Muslim die Ausgeburt der Hölle, Muslime unter sich sind geselliger als Europäer unter sich, es wird mehr gelacht, die Leute sind herzlicher und gastfreundlicher, auch die Architektur ist im Ganzen schöner, im Orient herrscht ein gewisses Flair, das sich nicht so leicht beschreiben lässt.
Natürlich hat sich "der Islam" insgesamt in den letzten Jahrzehnten in die aus unserer Sicht gesehen falsche Richtung entwickelt und dabei radikalisiert. Auch hier gibt es wieder eine Vorgeschichte, die ich nicht näher ausführen will und die was mit Israel, Amerika und dem Westen insgesamt zu tun hat und mit dem westlichen Hegemonialstreben auch in ihrem Kulturraum, zumeist militärisch (die Kriege Israels mit amerikanischer Waffentechnologie, die Irakkriege, die Unterstützung Iraks im irakisch-iranischen Krieg, der Afghanistankrieg, der unerklärte Krieg gegen Syriens Assad-Regime, die Einmischung des Westens im "arabischen Frühling").
"Leitkultur" ist nicht eine europäische, sondern eine genuin deutsche Demonstranz der kulturellen Hegemonie und damit indirekt der grundgesetzlich zwar vorgeschriebenen, de facto aber missachteten Religionsfreiheit und -gleichheit – derselbe User schrieb heute auch, dass natürlich auch Minarette einfach nicht gehen, weil die nicht in unsere kulturelle Landschaft passen; man dürfe ja auch keine Häuser mit grünen Dachziegeln bauen, weil die nicht ins Stadtbild passen. Also keine Minarette; das christliche Gegenstück, die Kirchtürme, sind natürlich erlaubt, schließlich haben die im Gegensatz zu Minaretten Tradition hier. Und wem das nicht passt, der kann ja nach Saudi Arabien auswandern.
Und schwupps, sind wir dabei auch gleich beim Kulturchauvinismus und Kulturimperialismus nach innen. Ein User in einem anderen Forum sprach sogar von Kulturfaschismus, aber so weit will ich nicht gehen.
Und so wird dann auch Integration mit Assimilation (Anpassung) verwechselt; man sagt Integration und meint Anpassung.
Jetzt kommt der islamistische Terror noch dazu, und wenn ich so die öffentliche Meinung erforsche – Allmy ist ja bestens dazu geeignet –, sieht die Zukunft einer christlich-atheistischen und islamischen Koexistenz eigentlich sehr düster aus, ich bin da extrem pessimistisch bezogen auf die mutmaßliche weitere Entwicklung.
Aus dem Dilemma kann man nur rauskommen, indem man eine "suprakulturelle" Position einnimmt, mit einer Perspektive eines Weltbürgers anstatt eines Deutschen oder Schweizers (wo ja neue Minarette sogar rechtlich grundsätzlich verboten sind nach der damaligen Volksabstimmung). Das erfordert eben auch suprakulturelle Toleranz, damit ebenfalls eine bilaterale. Dazu gehört auch, die Gesetze nicht immer weiter zu verschärfen, die einer "deutschen Leitkultur" das Wort reden und den multikulturellen Ansatz verunglimpfen. Warum soll man die Burka verbieten, während in Bayern teilweise noch christliche Kreuze an den Wänden der Klassenzimmer hängen? Es reicht doch, dass die Burka nicht in öffentlichen Gebäuden getragen werden darf, sondern eigentlich nur in den Straßen, im öffentlichen Nah- und Fernverkehr und beim Einkaufen im Supermarkt, nicht aber hinter der Kasse des Supermarkts. Die ganze Diskussion im Burka-Thread ist ein verbrämter "Kampf der Kulturen", bei dem die überwiegende Mehrheit der User die Position der Kulturalhegemonie vertritt.
Wir kommen so nicht weiter, sondern müssen versuchen, zum Islam insgesamt (nicht zum Islamismus!) wieder ein toleranteres und unverkrampfteres, weniger hysterisches Verhältnis zu finden, d.h. in erster Linie die Menschen zu sehen und erst dann die eines anderen Glaubens und anderer Sitten. Solange sie nicht gegen unsere Gesetze verstoßen, sollten wir aufhören sie verbal und schriftlich zu verhetzen. Nur dann kann es einen Frieden geben und einen neuen Versuch, Hoffnung einen besseren, des Zusammenlebens.