Mini-Wohnungen für Hartz IV-Empfänger?
Essen. Kommunen, Arbeitslosenverbände und die Opposition laufen Sturm gegen Pläne der Bundesregierung für eine Neuregelung der Wohnkosten für Hartz IV. Die Kommunen sollen künftig selbst bestimmen, was eine Wohnung für Langzeitarbeitslose kosten darf. Das geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor.
Bisher orientieren sich die Jobcenter am sozialen Wohnungsbau: Für eine Person gelten 45 Quadratmeter als angemessen, für jede weitere Person 15 Quadratmeter mehr. Gezahlt wird die ortsübliche Miete. Künftig sollen die Kommunen eigene Grenzen festlegen. Dann kann es passieren, dass ein Arbeitsloser in Essen auf 50 Quadratmetern wohnen darf, in Bochum aber nur auf 30 Quadratmetern.
„Es funktioniert nicht, dass die Bundesregierung ein soziales Streitthema auf die Kommunen abwälzt“, sagte Uwe Zimmermann vom Deutschen Städte- und Gemeindebund der WAZ. Die Vielzahl der Klagen zeige, dass man eine einheitliche Lösung brauche, etwa auf Bundes- oder Länderebene. Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum Deutschland kritisierte, die Pläne seien „wider jeden Gleichheitsgrundsatz“. Dagegen nannte sie der Deutsche Städtetag „diskussionswürdig”.
Das Arbeitsministerium hofft, dass die Übernahme der Wohnkosten „praktikabler wird und zu weniger Klagen vor den Sozialgerichten führt“, so ein Sprecher. Der Städtebund erwartet das Gegenteil: „Wenn jede der 12 500 Städte und Gemeinden selbst festlegt, was eine angemessene Wohnung ist, wird es mehr Klagen geben.”
Grünen-Chef Özdemir sagte dieser Zeitung, mit der Übertragung der Mietkosten-Bestimmung auf die Kommunen setze ihnen der Bund die Pistole auf die Brust: „Entweder sie werden ihrer sozialen Verantwortung gerecht und kommen in Haushaltsnöte oder sie gehen den sozial Schwächsten an die Gurgel.” SPD-Fraktionsvize Elke Ferner befürchtet eine „Umzugswelle”.
Umstritten ist auch die geplante Erlaubnis für die Kommunen, Leistungen für Behinderte, etwa Busfahrkarten, zu streichen. Behrsing kündigte an: „Dagegen werden wir Protest mobilisieren.”
http://www.derwesten.de/nachrichten/politik/Mini-Wohnungen-fuer-Hartz-IV-Empfaenger-id3277180.html (Archiv-Version vom 25.07.2010)