frivol schrieb:Aha und wo sollen die Überschneidungen liegen bzw. nicht?
Ich beantworte das immer am liebsten mit einem Verweis auf Kyrill. Der Moskauer Patriarch Kyrill der russisch Orthodoxen Kirche sagte 2005, dass der fundamentale Gegensatz unserer Epoche, die Opposition von liberal-gesellschaftlichen Werten auf der einen Seite und den Werten von nationaler, kultureller und religiöser Identität auf der anderen Seite ist.
(Anderson, J, J. 2016)
Liberal-gesellschaftliche Werte sind Dinge wie Demokratie, individuelle Rechte, Menschenrechte, Rechtsstaalichkeit, Freiheitswerte usw.
Russland hingegen steht für die Werte nationaler, kultureller und religiöser Identität. Also kollektivistische Werte die höher wiegen als individuelle Rechte Einzelner.
Ein anderer Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche formulierte es so:
„multiconfessionality, multiparty systems, separation of powers, competition, administrative conflicts—all that the present political system takes such pride in—are symptoms of spiritual unhealthiness. The very existence of pluralistic democracy is none other than a direct result of sin“[/quote]
Übersetzt: "Glaubensfreiheit, Mehrparteiensysteme, Gewaltenteilung, Wettbewerb, Administrative Konflikte - all diese Dinge auf die die derzeitige politische Systeme so stolz sind - sind Symptome spiritueller Krankheit. Die bloße Existenz plurlaistischer Demokratie ist nicht anderes als das direkte Resultat von Sünde."
Dem Ganzen liegt ein unterschiedliches Wahrheitsverständnis zu Grunde. Wer annimmt, dass es absolute Wahrheiten und einen vollkommen richtigen Zustand gibt, der sieht Kompromisse und demokratische Prozesse natürlich als Hinterniss um zur absoluten Wahrheit bzw. zum perfekten Zustand zu kommen. Stattdessen ist das Ziel die Macht jemandem zu geben der die absolute Wahrheit kennt. (bspw. ein Herrscher von Gottes Gnaden wie in der Monarchie oder ein "tugendhafter" Führer wie im Faschismus)
Aber wer absolute Wahrheiten ablehnt und Gesellschaften als Verbund von Individuuen mit legitimen oder widersprüchlichen Einzelinteressen sieht, der sieht demokratische Prozesse als legitime Methode um eine gerechte Abwägung von Interessen erziehlen.
Deutschland und die USA sind keine liberalen Musterstaaten, aber sie haben zumindest den Anspruch liberal, demokratisch und rechtsstaatlich zu sein. Russland hat diesen Anspruch nicht.
Wald schrieb:Die brauchen für ihre Projekte Geld und zwar von anderen Ländern. Die sind eigentlich pleite und daher ein Sicherheitsrisiko, hat man recht deutlich am Ex Präsidenten gesehen, wo das hin gehen wird.
Die USA sind kein Haushalt. Sie geben ihre Währung selbst aus. Die können gar nicht pleite gehen, da sie einfach die Geldmenge erhöhen können, wenn sie wollen.
Lange Zeit war in der Wirtschaftswissenschaft die Ansicht verbreitet, dass Defizite, bzw. "Schulden machen" nicht gut ist.
Allerdings gab es nie eine wissenschaftliche Begründung für diese Behauptung und inzwischen ist sie von den relevanten ökonomischen Beratern in den USA verworfen worden.
Natürlich kann der Staat nicht einfach Geld ausgeben wie er Lustig ist, aber das Defizit("die schwarze Null") ist ein unerheblicher Maßstab.
Das Einzige worauf ein Staat mit eigener Währung beim Geld ausgegeben achten muss ist die Inflation.
Und ehrlich gesagt scheint die Inflation seit über 10 Jahren schon nicht mehr auf Veränderungen der Geldmenge zu reagieren.
Und das hat die Leute in den USA jetzt ermutigt viel zu investieren: 2.2 Billionen Cares Act (Das war noch Trump), 1.9 Billionen Covid-Paket, 3 Billionen Infrastrukturpaket geplant.
1 Billion = 1000 Milliarden = 1 Million Millionen
Das sind astronomische Mengen an Geld die das aus dem Nichts genommen und in den Markt gesteckt werden.
Im New Yorker war kürzlich ein sehr guter Artikel über eine Debatte zwischen den beiden Ökonomen Paul Krugman(Wirtschaftsnobelpreisträger) und Larry Summers(Berater von Bill Clinton und Obama).
https://www.newyorker.com/news/annals-of-populism/larry-summers-versus-the-stimulusHier krachen quasi alte Sichtweisen und neue Sichtweisen zu staatlichen Investitionen und Schuldenaufnahmen aufeinander.
Summers vertritt die alten Sichtweisen die sich gegen umfangreiche staatliche Investitionen aussprechen.
Krugmann vertritt die "neue" Sichtweise, die wieder umfangreiche staatliche Investitionen im Rahmen antizyklischer Konjunkturprogramme gutheißt.
Es gibt einige ökonomische Argumente, die erklären warum neue Schulen kein Problem sind. Bspw. das Buch "The deficit myth" von der Ökonomin Stephanie Kelton:
https://www.publicaffairsbooks.com/titles/stephanie-kelton/the-deficit-myth/9781541736184/Oder "Mission Economy" von Mariana Mazzucato
https://marianamazzucato.com/books/mission-economyÜber die letzten 5 Jahre haben derartige Perspektiven im akademischen Bereich die Überhand gewonnen und jetzt schlägt sich das langsam auch in der Politikberatung nieder. Bidens Administration ist bspw. von Beratern umgeben, die diese neuen Perspektiven vertreten.
Einige Ökonomen haben in den letzten Monaten Thesen geäussert zu beschränkten Inflationen. Normalerweise würde man annehmen, dass eine Erhöhung der Geldmenge ohne Steigerung realen Gegenwertes den Wert des Geldes sinken lässt = Inflation.
Es gibt mehr Geld, aber muss man auch mehr ausgeben um das selbe zu bekommen.
Der Trend lässt sich aber nicht erkennen in unseren Konsumklimaindizes.
Ausser an der Börse... Wir haben eine Inflation, die auf die Finanzmärkte beschränkt ist. Die Folge sind steigende Kurse. Da viel Geld da ist und investiert wird steigen Aktienwerte immer höher ohne, dass irgendein realer Gegenwert existiert, der diese Kurse rechtfertigt. Viele steigen sogar obwohl durch Corona reale Gegenwerte wie Umsatz oder Gewinn sinken.
Ob und welche Konsequenzen das haben könnte weiß man nicht sicher.
Im Grunde haben wir eine solche Inflation in den Kapitalmärkten aber schon seit den Rettungspaketen nach der Finanzkrise 2008.
Die letzten 10 Jahre waren Wachstum auf Pump.
Also Schulden sind für Individuen natürlich schlecht. Aber für Staaten sind Schulden kein Problem, solange die Wirtschaft läuft.
Gesundsparen funktioniert nicht. Also muss man Geld ausgeben, neue Schulden aufnehmen, wenn man Fortschritte machen will.