Brexit und danach?
29.06.2016 um 09:12Einmal mehr hat Kissler schön geKontert.
Über Politikverdruss und die sich weiter öffnende Schere zwischen Volk und Volksvertretung.
http://www.focus.de/politik/deutschland/kisslers-konter/kisslers-konter-bloss-kein-klares-wort-die-wahren-schuldigen-am-politikverdruss-sind-die-politiker-selbst_id_5678023.html
Über Politikverdruss und die sich weiter öffnende Schere zwischen Volk und Volksvertretung.
http://www.focus.de/politik/deutschland/kisslers-konter/kisslers-konter-bloss-kein-klares-wort-die-wahren-schuldigen-am-politikverdruss-sind-die-politiker-selbst_id_5678023.html
Bloß kein klares Wort: Die wahren Schuldigen am Politikverdruss sind die Politiker selbst
Mögen die Herausforderungen noch so groß und neu sein: Politiker reagieren darauf mit den ewig gleichen, alten Floskeln. So züchten sie jenen Politikverdruss, den sie beklagen.
Das Hyperventilieren der politischen Klasse nach der britischen Volksabstimmung über einen Austritt aus der Europäischen Union hat auch diesen Grund: Es handelte sich um eine Volksabstimmung. Und das Volk, der garstige Lümmel, zeigte sich wieder einmal als unkalkulierbar. Es entschied sich anders, als Demoskopen es vorausgesagt hatten, anders auch, als wohlmeinende Leitartikler in Kontinentaleuropa es geraten hatten. Nach der Mehrheit für den "Brexit" heißt es beleidigt, anmaßend und wenig demokratisch, diese Mehrheit habe nicht gewusst, was sie tat; sie habe sich einer angsterfüllten Stimmung hingegeben. Die Politikprofis um Juncker, Schulz und Merkel müssten nun die Launen der Politiklaien ausbaden.
[...]
Politiker sorgen für Politikverdruss. Es sind nicht in erster Linie die angeblich immer komplexer werdenden politischen Prozesse, die globalen Interdependenzen – beides gibt es natürlich –, die einen Keil treiben zwischen Souverän und Repräsentanz. Nein, es sind die exponentiell zum wachsenden Grad dieser Verflechtungen ansteigenden Versuche der Beauftragten, der Stellvertreter, der eigentlich nur abgeleitet Handelnden, ihren Auftraggeber, das Volk, von einer tieferen Einsicht in die politische Materie fernzuhalten. Wir leben im Zeitalter der behaupteten Transparenz und der praktizierten Intransparenz, der geforderten Partizipation und der habituellen Exklusion. Der kommende Bundestagswahlkampf wird es belegen. Er wurde nun vom CDU-Generalsekretär Peter Tauber mit der Aussage eröffnet: „Wir wollen das Land voranbringen.“
Ja nun, ei wie, echt? Die Wählerschar soll sich zur Merkel-Partei bekennen, nicht weil, wie vor drei Jahren, die Kanzlerin treuherzig versichert, „Sie kennen mich“, was anno 2016/17 wie eine Drohung klänge, sondern weil die seit 2005 regierende Partei „das Land voranbringen“ will? Wer hat sie bisher daran gehindert?
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Auf komplexe Probleme mit unterkomplexen Phrasen zu antworten, hat sich parteiübergreifend durchgesetzt. Die Floskelroutine regiert. Da redet Frau Merkel von „Herausforderungen“ in diesen „spannenden Zeiten“, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass als Resultat der von ihr mitverschuldeten Migrationskrise soziale wie fiskalische Spannungen zunehmen, die öffentliche Sicherheit erodiert und der Staat vor bisher 400.000 unerledigten Asylanträgen, 150.000 unregistrierten Asylbewerbern und einer unübersehbar weiter nachdrängenden Menschenmenge kapituliert, mehr oder weniger und meistens mehr.
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Ach, vergeblich das Klagen und Schimpfen. Die Schere wird sich weiter öffnen zwischen Volk und Volksvertretung, welche opak bleibt und geschlossen und im Milchglasblick auf Wirklichkeiten gefangen. Wer aber wie Beelzebub das Weihwasser das klare Wort, den sachlichen Streit fürchtet, der züchtet jene Launen, die er beklagt.