Zz-Jones schrieb:Jetzt drehst du dir also auch noch die Studie hin.
Du aber auch, schließlich entwickelt die Studie 3 mögliche Szenarien, von der du das optimale Ergebnis zitierst.
Tanne schrieb:Mich persönlich würde es brennend interessieren, wie lange Russland diese Materialschlachten noch aushält? Es steht nicht gerade gut für das russische Heer.
Zu Beginn des Krieges habe ich in diesem Forum die Prognose geäussert, das sich der Krieg hinziehen wird, als offenkundig wurde, das der initiale Angriff der Russen gegen die Ukraine krachend gescheitert ist. Die Russen werden sich eingraben und den Fleischwolf hochdrehen...leider hatte ich recht.
Die russische Armee ist derzeit nicht mehr in der Lage zu weitreichenden Offensiven, alles was sie tun können, ist Mobiks an die Front zu werfen um den ukrainischen Vormarsch zu verlangsamen. Unterstützt werden sie dabei durch ein gigantisches Minenfeld, durch das sich die Ukrainer durchkämpfen müssen. Was sie aber tun können ist die Ukraine mit Marschflugkörpern und Drohnen zu beschiessen, was zum einen zu Verlusten bei Zivilisten führt, aber es eben auch für die Ukraine schwierig macht wirtschaftlich auf die Beine zu kommen.
Es wurde oft gesagt, das den Russen die Marschflugkörper ausgehen, weil die dafür benötigten elektronischen Komponenten aus westlicher Produktion fehlen. Die Russen umgehen diese Sanktionen durch Käufe über Drittstaaten weil es eben im Westen auch geldgierige Menschen gibt, die Profit über alles stellen und bereit sind gegen die Sanktionen zu verstoßen. Und sie plündern von Zivilisten in den besetzten Gebieten, da manche Chips auch in gewöhnlichen Haushaltsgeräten stecken. Natürlich muss Russland viel mehr für Komponenten bezahlen, als auf dem Weltmarkt und der Strom an benötigten Komponenten verlangsamt sich signifikant, aber es verhindert, das den Russen tatsächlich die Marschflugkörper ausgehen. Sie werden halt viel langsamer nachproduziert.
Die Ukraine hingegen hat nur wenig Möglichkeiten auf Russland strategisch einzuwirken. Sie hat zwar Drohnen um einzelne Flugzeuge zu zerstören oder ein Loch in ein Bürohaus(in dem sich eine Stelle des russischen Verteidigungsministeriums befand) zu sprengen. Das an sich ist psychologisch natürlich auch ein Erfolg, weil diese Drohnenangriffe den Russen klar machen, das der Krieg auch bei ihnen ankommt.
Aber ihr fehlen die Mittel um beispielsweise in Russland selbst Rüstungsbetriebe zu bombardieren, Güterbahnhöfe zu zerstören oder Hauptquartiere auszuschalten.
Das liegt zum Teil auch am Geofencing des Westens, der nicht will das seine Marschflugkörper in Russland explodieren. Das müsste aber passieren, wenn die Ukraine Russland militärisch schlagen will. Erschwerend kommt hinzu das so ein aufgeblasener Gockel wie Elon Musk Geopolitik spielen will und verhindert, das die Ukraine die Schwarzmeerflotte angreift, obwohl diese ein Hauptakteur russischer Kriegsverbrechen ist. Ich hoffe nur das die neuen Generationen ukrainischer Überwasserdrohnen nicht mehr auf Starlink angewiesen sind.
Was ich damals auch gesagt habe ist, das Russland strategisch bereits verloren hat. Und auch das ist der Fall. Die horrenden Verluste der russischen Streitkräfte und der Exodus vieler junger Russen verschlimmern die demographische Situation Russland weiter und das obwohl Russland Menschen aus den besetzten Gebieten deportiert und versucht die Identität der unter ihrer Besatzungsherrschaft stehenden Ukrainer auszulöschen.
Aber um deine Frage zu beantworten, es geht nicht nur um die Materialschlacht, es geht darum, ob das System Putin solange überleben kann, Der Fall Prigoshin zeigt das zum ersten mal an der Legitimation Putins als Herrscher gezweifelt wird. Auch wenn es nur ein kleines bisschen ist. Es rächt sich, das Russland das Gewaltmonopol des Staates aufgeweicht hat. Es gab ja nicht nur PMC Wagner , es gibt auch andere Privatarmeen russischer Oligarchen, die Kadyrowzy, rechtsradikale Milizen wie die "Gruppe Russitsch" ( die sich unter anderem durch Cyberkriminalität finanziert) und paramilitärische staatliche Organisationen wie die Nationalgarde, die als Putins persönliche Verfügungsmasse gilt.
Die wirtschaftliche Situation Russlands ist ebenso eher schlecht. Der Rubel verliert massiv an Wert und nur durch massive Interventionen der Notenbank kann der Rubel unter der psychologischen Grenze von 100 Ru/US$ gehalten werden.
Durch die westlichen Sanktionen werden russische Rohstoffe derzeit auf dem Weltmarkt verramscht. Indien und China sind mitnichten die Verbündeten die Putinversteher in ihnen sehen wollen, sondern eher Krankenwagenfahrer, die einen Patienten ausnehmen damit sie ihn ins Krankenhaus fahren.
Das die russische Wirtschaft wächst liegt vor allem an der Umstellung auf Kriegswirtschaft. Der Staat kauft massiv Rüstungsgüter und das treibt das Bruttosozialprodukt nach oben. Das ist natürlich nicht nachhaltig, denn derzeit schwinden die russischen Reserven massiv und irgendwann wird Russland massiv schulden machen müssen um seinen Kurs halten zu können. Die Kaufkraft sinkt und die Russen werden ärmer, vor allem auf dem Land. Natürlich gibt es nach wie vor eine Mittelschicht der es noch gut geht und die sieht man in den Einkaufszentren von Sankt Petersburg und Moskau weiter einkaufen, was dann als Indiz herhalten muss, das die Sanktionen nicht wirken.
Ich habe ja die Drohnenangriffe erwähnt. Ihr Effekt ist psychologisch, in zweierlei Hinsicht. Zum einen zeigen sie den Russen in Moskau das auch sie nicht sicher sind, aber auch das der Kreml auf ihre Sicherheit scheißt. Denn um den Schein zu wahren werden nichtmal die Luftschutzsirenen aktiviert. Irgendwann fällt das auf. Zum anderen ist der wirtschaftliche Schaden immens, denn während der Drohnenangriffe muss der Flugbetrieb der großen Flughäfen eingestellt werden, was Millionen kostet.
Alles in allem denke ich, das Putins Regime eher zusammenbricht, als die Front in der Ukraine. Darauf sollte man sich einstellen, denn wenn das passiert wird sicher nicht Navalny als Lichtgestalt an die Macht kommen und den Krieg beenden, sondern eine Art Diadochenkampf unter den Silowiki ausbrechen und Warlords die in einem Land voller Atomwaffen um die Macht kämpft...der Gedanke ist nicht sehr erbaulich.