TommyG schrieb:Diese Frage beantwortet Gauck in einem Gespräch mit Lanz, das ich hiermit wärmstens empfehle. Selten so etwas Gutes gesehen! Er nimmt Precht und seine Mit-Briefe-Schreiber gründlich auseinander und weist die Sinnfreiheit von Prechts Position nach.
Großartig. Vielen Dank fürs Verlinken!
Inv3rt schrieb:Nicht wenige der jüngeren halten die deutsche Position im Grunde für wirtschaftsorientiert, nicht tatsächlich am Humanismus interessiert - weshalb sie es ablehnen, dass die Ukraine "unsere" Interessen verteidigen soll. Es geht um die doppelte Moral, die stört (erst Geschäfte gemacht zu haben, um jetzt Waffen zu liefern) weniger um den Pazifismus an sich.
Daran sieht man, wie verkorkst diese Leute denken. Ihnen geht nicht in den Kopf, dass sich Wirtschaft und Menschlichkeit nicht ausschließen. Wirtschaft (und damit Wohlstand) gelingen im Kern nur dann, wenn Anbieter die Bedürfnisse von Abnehmern befriedigen und zum Beispiel das Automobil erfinden (westliche Erfindung), den Computer (westliche Erfindung), das Internet (westliche Erfindung), das Smartphone (westliche Erfindung) oder viele andere sinnvolle Dinge.
Dazu ist Freiheit im Denken nötig, und das versagen autokratische Staaten ihren Völkern – und ergo ist die Innovationskraft der Sowjetunion, der DDR, Kubas, Nordkoreas oder des heutigen Russlands eher überschaubar.
Und das kapieren diese Leute eben nicht. Sie leben im Wohlstand im Westen und verteufeln "die Wirtschaft", die genau diesen Wohlstand erzeugt. *Das* ist Doppelmoral, mit Verlaub.
Die beklagte Doppelmoral sehe ich auch eher bei Putin selbst: Er macht jede Menge Geschäfte zu seinen Gunsten, lässt das Volk verwahrlosen, gibt ihm den Nationalstolz als Popanz und Sedativum und scheut nicht vor Business mit Schurkenstaaten zurück. Den Waffen-Fetisch pflegt dann wohl eher auch er, weniger der Westen.
Also auch hier mal wieder: eine massive Verdrehung und Umdeutung der Realität ganz im Sinne Putins. Der Westen habe eine Doppelmoral zwischen Wirtschaft und Humanismus? Das ist demagogischer Schwachsinn. Hier ist wieder jemand willfähriger Putin-Propagandist, indem er das, was Russland sich selbst vorwerfen sollte, dem Westen vorwirft.
Ganz übel auch die Formulierung, es gehe in der Ukraine um die Verteidigung "unserer" Interessen, also der westlichen. Die rhetorischen Verrenkungen einiger hier sind wirklich gutes Anschauungsmaterial für Propaganda und Desinformation.
Zur Erinnerung: Es gibt keinen Angriffskrieg der Ukraine gegen Russland. Die Ukraine hat nicht Russland angegriffen, um westliche Interessen durchzusetzen.
Tatsächlich gibt es einen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Wenn die Ukraine sich wehrt, verteidigt sie sich erst einmal selbst. Dabei hilft der Westen. Er unterstützt also die Ukraine legitimerweise bei der Abwehr eines ganz eindeutigen Aggressors.
Und dieser Aggressor will *seine* Interessen durchsetzen, und zwar massiv völkerrechtswidrig und brutal. Das stört aber die Putin-Trolle nicht.