@Desaix Es ist wie bei den deutschen Wahlen. Man erzählt uns es ist wichtig zu wählen, auch wenn man der Meinung ist das keine Partei richtig taugt.
Und dann kommen die Fakten ins Spiel.
Als religiöser und konservativer Türke stehst du vor der Wahl.
CHP: Religionsfeindliche Geschichte und Gegenspieler anatolischer religiös geprägter Aufsteiger.
MHP: Extreme Nationalisten.
HDP: Vertritt Kurden und PKK Nähe.
Entweder du wählst nichts, eine chancenlose Partei oder du wählst pragmatisch die Partei die am ehesten deine Interessen vertritt.
Warum es AKP Wähler gibt ist rational und wertefrei nachvollziehbar. Du kannst dich mit der Entwicklung der Türkei beschäftigen und es verstehen oder ärgerst dich mit deiner ideologischen Bewertung und Forderung das die AKP Wähler sich doch ändern sollen.
@Nerok Nerok schrieb:Das Erdogan direkt gegen die Verfassung verstößt weil er beim Wahlkampf fürs Parlament als Präsident nichtmal annähernd neutral war ist ja auch nur halb so schlimm mh?
Es verhält sich wie mit der Haltung vieler Europäer zu Atatürk und seiner Bewegung: Demokratische Verfehlungen heißt man nicht gut, aber erkennt die Grundentwicklung als positiv an, weil es auch dem eigenen Weltbild entspricht. Atatürk hat die Türkei näher zu Europa gebracht und westliche Werte verankert.
Atatürk hat viel gemeinsam mit Erdogan. Atatürk war auch autoritär, seine Bewegung verfolgte politische Muslime und war auch gut für ein Lacher, wenn sie z.B. das Hutgesetz für die Türken einführten oder die Sonnensprachtheorie vertrat.
Türken und alle anderen Menschen ticken auch so. Solange die AKP ihre Werte vertritt und die Grundentwicklung positiv ist, ist man bereit derartige Verfehlungen zu vergeben. Genau wie die meisten Deutschen Atatürk im großen und ganzen positiv bewerten.
Die Amerikaner vergeben ihrer Regierung auch regelmäßig gröbste Verfehlungen bezüglich der Menschenrechte.
Das müsste eigentlich jeder nachvollziehen können.
@Wolfshaag Wolfshaag schrieb:CDU-Politiker von der Wiederauferstehung des Deutschen Reiches geträumt
Du spricht die kulturelle Rückbesinnung zum osmanischen Reich an. Oder auch als Neo-Osmanismus bekannt. Die meisten bewerten es hier als Träumerei und als Größenwahn.
Ich sehe darin eher eine gesunde Entwicklung.
Die Rückbesinnung vieler Muslime auf frühere Zeiten und Reiche wird oft mit Rückständigkeit gleichgesetzt.
Aber die Muslime tun nichts anderes, als das was Europäer in der Renaissance auch taten. Die Rückbesinnung auf die Antike.
Es ist menschlich. Völker und Kulturen sinnen sich gerne auf vergangene große Zeiten. Bei einer erfolgreichen Entwicklung erfolgt keine Rückständigkeit. Die Renaissance brachte auch nicht die echte Antike zurück.
Bei einer solchen Rückbesinnung findet eine starke Idealisierung der vergangenen Geschichte statt. Soll heißen, es werden positive Aspekte genommen und teils übertrieben und zeitgemäß interpretiert.
Während der Renaissance wollte ja auch niemand die Sklaverei zurück bringen oder die unzähligen brutalen Traditionen der Römer. Man idealisierte die Antike, beschäftigte sich mit der Gesetzgebung und den griechischen Philosophen.
Genau so ist es bei Muslimen bzw. Türken auch. Ausgenommen einige radikale Gruppen die die Vergangenheit wirklich 1:1 übernehmen möchten, es aber in der Regel nie schaffen.
Wenn Muslime über die osmanische Geschichte sprechen sind sie auch wie die Europäer damals bestrebt die positiven Aspekte zu übernehmen und zeitgemäß zu interpretieren oder negatives ohne Feindseligkeit zu verarbeiten.
Die Bewertung dieser islamischen und türkischen Rückbesinnung auf zivilisatorische Größe wird in Europa normalerweise falsch und feindselig bewertet.
Als die Europäer in der Renaissance von Größe und Macht träumten, wäre man als Muslime wohl auch nicht gerade erfreut.