In Diyarbakir, Van und Mardin, den drei größten kurdischen Städten des Landes, wurden heute die Bürgermeister Selçuk Mızraklı (Diyarbakir), Bedia Özgökçe Ertan (Van) und Ahmet Türk (Mardin) vom Dienst suspendiert,abgesetzt und durch AKP-Zwangsverwalter ersetzt. Die Journalistin Mesale Tolu spricht zudem von mehr als 350 inhaftierten städtischen Angestellten seit gestern. Andere Quellen gehen von mehr als 500 Inhaftierten aus, darunter sind auch Ko-BürgermeisterInnen kleinerer Gemeinden und viele HDP-Vorstandsmitglieder.
Die BürgermeinsterInnen waren erst vor vier Monaten, Ende März, mit großen Mehrheiten gewählt worden. Erdogan kündigte schon kurz danach an, sie nicht tolerieren zu wollen. Jetzt sind sie wegen des abstrusen Vorwurfs der "Terrorpropaganda" und die "Einheit der Nation und des Staates zu schützen" abgesetzt worden. Alle drei Rathäuser sind eingekreist und werden derzeit von der Polizei durchsucht. Als Zwangsverwalter wurden die jeweils von Ankara ernannten Gouverneure der Distrikte eingesetzt. Es handelt sich dabei um AKP-Beamte.
So sieht die "Demokratie" in der Türkei aus. Aber langsam wird man müde es ständig zu schreiben.
Die Absetzung des Ko-Bürgermeisters in Diyarbakir, Selçuk Mızraklı, erfolgte übrigens in genau dieser Woche, als die neu gewählte Stadtregierung eine große Pressekonferenz organisieren wollte, um über die Korruption und Veruntreuung von Geldern durch den bis zum 31. März 2019 eingesetzten AKP-Statthalter zu informieren.
Jetzt ist der AKP-Statthalter wieder eingesetzt und alles kann so weiter gehen, wie vor den Kommunalwahlen.
So war zum Beispiel bekannt geworden, dass sich der Zwangsverwalter im Bürgermeisterbüro eine Art goldene Toilette hatte bauen lassen.
Hier ist die Toilette des AKP-Statthalters zu sehen:
https://twitter.com/SelcukMizrakli/status/1118124319559835649 (Archiv-Version vom 08.02.2020)Übrigens kann dieser erneute Putsch der AKP in Nordkurdistan durch die Absetzung der kurdischen BürgermeisterInnen in Diyarbakir, Van und Mardin auch als Ablenkung von ihrer Niederlage in Nordsyrien gesehen werden. Der AKP ist es (bisher) nicht gelungen ein großes Stück der Grenzregion auf syrisch-kurdischer Seite zu besetzen und deshalb versucht man jetzt wieder durch Innenpolitik Druck aus dem Ventil zu lassen und Politik für die nationalistischen und faschistischen Wählerschichten zu machen, also für eine ihrer Stammwählerschaften.