Wohin geht die Türkei unter Erdogan?
13.02.2018 um 22:40Da kann ja noch fleißiger verhaftet und verknastet werden:
Die Türkei liebt Superlative. Nicht nur das größte Gerichtsgebäude Europas steht dort, sondern auch das größte Gefängnis. Die Haftanstalt in Silivri, rund 100 Kilometer außerhalb von Istanbul, besteht aus 10 Gefängnissen und hat Zellen für 11.000 Gefangene. Silivri ist kein Einzelfall, sondern spiegelt den Trend des Strafvollzugssystems in der Türkei: Weg von kleineren Distriktgefängnissen hin zu Strafkolonien. Viele der neuen Gefängnisse werden weitab von bewohnten Gebieten erstellt. Sie bieten Kapazität für durchschnittlich 10.000 Häftlinge, 6000 Angestellte und ihre Familien. So entstehen veritable ‚Gefängnis-Städte‘ mit einer Einwohnerzahl von rund 20.000. (…)https://www.srf.ch/news/international/ueberbelegte-strafkolonien-die-tuerkei-baut-gefaengnis-staedte
1991 gab es in der Türkei noch 651 Gefängnisse. Die meisten waren Distrikt-Einrichtungen mit insgesamt 45.000 Insassen. Seither ist die Zahl der Häftlinge massiv gestiegen, die der Anstalten hingegen stetig gesunken: Zur Jahrtausendwende waren 559 Gefängnisse in Betrieb, 2005 noch 441 und Ende 2017 zählte man 384 Haftanstalten mit einer Kapazität von 207.339 Plätzen. Doch diese reichen zurzeit bei weitem nicht aus. Seit dem gescheiterten Putsch im Juli 2016 platzen die Gefängnisse aus allen Nähten. Gemäß Angaben des Justizministeriums vom November sind sie zu mehr als 110 Prozent belegt. Dies hat gravierende Folgen für die Insassen. (…) Die NGO schätzt, dass heute rund 235.000 Menschen inhaftiert sind. Darunter sind rund 55.000 Personen, die beschuldigt werden, in irgendeiner Form am gescheiterten Putsch 2016 beteiligt gewesen zu sein, einer Terrororganisation anzugehören, die Bevölkerung aufgewiegelt oder den Präsidenten beleidigt zu haben. (…) Innerhalb dieser abgeschotteten Strafkolonien (…) herrsche Anonymität, erklärt TCPS-Direktor Mustafa Eren (…) Die Angestellten würden rund um die Uhr als Wärter oder Polizisten wahrgenommen – auch in ihrer Freizeit. Ihr gesamtes soziales Umfeld stehe in Bezug zur Arbeit. ‚Experten sprechen hier von fixierter Identität. Dies begünstigt die Wahrscheinlichkeit, dass Insassen misshandelt oder gefoltert werden‘, sagt Eren.