Für mich gibt es zwei moralische Aspekte die hier aufeinander prallen. Einmal die Fürsorgepflicht des Staates nicht noch weitere gesundheitsschädliche Substanzen dem freien Markt zugänglich zu machen und zum anderen das Recht auf freie Selbstbestimmung des Einzelnen. Sprich: Jemand der Cannabis konsumieren will und seinem Gehirn den schädigenden Folgen des Konsums aussetzen will, der soll daran nicht gehindert werden.
Die USA preschen ja zumindest in einigen ihrer Staaten bereits voran was die Legalisierung im Sinne des non-medical use angeht. Hauptsächlich um den Drogenkartellen den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Für den Staat und die Wirtschaft hatte das nahezu nur positive Folgen. Es wurde eine neue Quelle für Steuereinnahmen erschaffen, es wurde eine neue ökonomische Sparte erzeugt, deren wirtschaftliches Potenzial aufgrund der hohen Nachfrage nahezu unbegrenzt erscheint. Nach der Legalisierung von Cannabis für nichtmedizinische Zwecke verging wenig Zeit bis die ersten Investoren darauf aufmerksam wurden, dass dieses Geschäft mit der psychoaktiven Droge eine Goldgrube darstellt. Das was vor der Legalisierung Arbeit der Drogenkartelle war, wird immer mehr als völlig rechtschaffener Wirtschaftssektor installiert. Und natürlich gehorcht dieser Handel den kalten Regeln des Kapitalismus. Der Handel mit weed ist eine Branche, in die genauso wie bei allen anderen Genussmitteln profitorientierte Großunternehmen einsteigen werden.
Hierzu:
http://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/aktien/legales-marihuana-gras-aktien-begeistern-investoren/10076206.htmlZudem ist es übrigens nicht nur eine reine Spekulation, dass die Preise für Marihuana durch die Legalisierung und damit der Zugänglichkeit auf dem freien Markt und der zunehmenden wirtschaftlichen Konkurrenz der Anbieter, gesenkt werden sollen. Im Gegenteil: Dies ist ein wesentlicher Baustein des Konzeptes der Bekämpfung der Drogenkartelle (in den USA). Erst dadurch dass die Preise des im Handel verfügbaren Cannabis diejenigen unterbieten, welche von den Drogenkartellen angeboten werden, gelingt es nämlich das angestrebte Ziel - nämlich die Zerschlagung der Drogenkartelle - durch marktwirtschaftliche Mechanismen zu erreichen. Kurzum: Die private Wirtschaft soll in Konkurrenz zu den mexikanischen Drogenhändlern treten und diesen die Kunden abnehmen um sie dadurch auszubremsen.
Zitat: "Prices will continue to drop as American growth flourishes. Get ready for cheap, high-quality weed. And as prices drop and the supply side moves into the white market,cartels will get out of the game. And just as ending alcohol prohibition greatly diminished the size, influence, and brutality of organized crime, so will legalizing weed diminish the size, influence, and brutality of Mexican cartels."
Quelle:
http://townhall.com/columnists/cathyreisenwitz/2014/08/11/us-marijuana-legalization-already-weakening-mexican-cartels-violence-expected-to-decline-n1876088/page/fullLaut UN Drug Report gilt gleichzeitig jedoch "FOR EVERY 10% DECLINE IN PRICES, THERE WILL BE A 3% RISE IN CANNABIS USERS, ACCORDING TO THE UN'S 2014 WORLD DRUG REPORT.". Bedeutet: Das offensichtlich angestrebte Ziel den illegalen Drogenhandel mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu verdrängen führt über den Abfall der Preise für Marihuana mittelbar auch dazu (gesetzt man geht davon aus, dass die Zahlen des UN Drug Reports auf einer glaubwürdigen Basis fußen) dass die Zahl der Konsumenten moderat ansteigt.
Quelle:
http://www.fastcompany.com/3032774/fast-feed/un-drug-report-marijuana-legalization-will-increase-number-of-cannabis-usersWir können nun, da beispielsweise Oregon, USA uns valide Daten liefert was die Folgen der Legalisierung von Cannabis angeht, in etwa allmählich abschätzen welche sozialen und medizinischen Folgen eine Legalisierung der Droge haben kann. Grundlage für das Verhalten vieler Konsumenten dieser Droge ist aber ein ganz entscheidender Faktor, der auch in der Fachwelt immer wieder als Ursache für die Entstehung einer Drogenabhängigkeit diskutiert wird.
"More severe comorbidity was associated with dependence compared to abuse, suggesting that cannabis might be used to self-medicate major depression. The strength of the association between cannabis use and abuse was also increased as a function of the number of joints smoked among females, but not males. These results were discussed in terms of differential societal reactions, the self-medication hypothesis, and gender biases in diagnosing cannabis abuse."
Quelle:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10689658Das was hier als "self-medication hypothesis" beschrieben wird ist nicht selten das soziopsychologische Äquivalent dafür wenn Cannabis-Konsumenten ihren Konsum damit begründen, dass sie das Gras nutzen um mal "abschalten" zu können. Es handelt sich dabei um eine Selbstmedikation, die es dem Konsumenten ermöglicht den belastenden Gedanken mithilfe der psychoaktiven Wirkung, die das THC entfaltet, zu entfliehen. Das Belohnungssystem wird angekurbelt, die Sorgen die man sonst so hat temporär verdrängt. Die Gefahr der Abhängigkeit wird dann dadurch begünstigt dass die Rezeptoren, an denen THC wirkt ein Toleranzverhalten entwickeln, welches die erforderliche Dosis zur Erzielung einer psychoaktiven Wirksamkeit immer weiter steigert. Es entwickelt sich eben eine Sucht, wie man es auch von anderen Drogen, und damit auch den legalen Drogen Tabak und Alkohol, her kennt.
Abschließend will ich nochmal auf einen interessanten Beitrag zu sprechen kommen, den ich auf dem Internetportal des britischen "Telegraph" aufgestöbert habe, der die Überschrift "Colorado sees rise in number of homeless after cannabis legalised" trägt.
Selbstverständlich ist das alles mit Vorsicht zu lesen, da die Mittel mit denen dieser Artikel arbeitet keineswegs der kritischen Überprüfung auf statistische Aussagekraft und vor allem nicht zweifelsfrei auf kausale Zusammenhänge zwischen Legalisierung von Marihuana und den steigenden Zahlen obdachloser Jugendlicher schließen lässt.
Trotzdem scheinen die Zahlen, von denen der Telegraph hier berichtet nicht aus der Luft gegriffen zu sein:
"Since the legislation was past, dozens of shops have popped up selling the drug baked into brownies and sweets, or served in drinks.
Hospitals in Denver have reported treating a growing numbers of children who have eaten edible marijuana by accident, as well as adults who have ingested potent doses of it.
Police say an increasing number of people have also been stopped while driving under the influence."
Quelle:
http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/northamerica/usa/10993621/Colorado-sees-rise-in-number-of-homeless-after-cannabis-legalised.htmlEs steht für mich also völlig außer Frage, dass man der privaten Wirtschaft mit dieser Freigabe des Cannabishandels zum Nicht-medizinischen Gebrauch Tür und Tor dafür öffnet, die uns ohnehin schon an allen Ecken und Enden lawinenartig entgegenkommende kommerzielle Gehirnwäsche dann eben auch auf Cannabisprodukte auszuweiten.
Und ich habe die Debatte im Deutschen Bundestag zu diesem Thema live mitverfolgt und sah mich in meinem Bild von den Grünen als pseudohumanistische Opportunistenpartei, die mit dem Erzeugen einer privatwirtschaftlichen Zugänglichkeit dieser Droge unter dem bigotten Deckmantel des Jugendschutzes, wieder einmal einen radikalkapitalistischen und laisse-faire-liberalistischen Kurs fahren, den sich nicht einmal mehr die FDP zu propagieren wagen würde. Aber was mich eigentlich sogar noch mehr staunen ließ war die Tatsache, dass ausgerechnet die Fraktion der Linken diesen Vorstoß zur Marktliberalisierung einer weiteren potenziell Abhängig machenden Droge unterstützte.