Vom Iran hängt meiner Meinung nach sehr viel ab,was die weitere Entwicklung des Islamismus angehen wird. Das mag man nicht glauben, denn schließlich sind die Schiiten (Im Iran die 12er Schiiten) eine Minderheit in Anbetracht der Menge an Sunniten. Und schließlich mag der Islam eigentlich aus der arabischen Halbinsel stammen und die Lingua Franca der gesamten islamischen Welt und die Sprache des Korans und der Hadithe selbst mag Arabisch sein und nicht Farsi* sein. Aber die Geschichte ist da weit komplizierter. Denn die Oase dessen, was man hier allenthalben als islamische Blütezeit den Leuten verkaufen will, das hatte sein Zentrum im gegenwärtigen Iran und kann eigentlich mithin auch treffender als säkulare Blütezeit, Blütezeit der Reform und auch Blütezeit der Islamkritik aus der sogenannten islamischen Welt selbst betrachtet werden. Dazu siehe man unter Anderem auch den Beitrag nur eine Seite vorher von mir, den ich vor einem Jahr verfasste:
Beitrag von libertarian (Seite 2)Der Iran war anfangs übrigens sunnitisch. Die mithin größten sunnitischen Gelehrten dürften mithin auch von hier stammen und natürlich dann später die schiitischen. Es zeigt: Auch der orthodoxe Islam aber selbst hat hier seine Wurzeln, und gerade in Persien wurde viel erst so richtig ausformuliert. Und wie ein Ali Dashti also etwa Anschluss an einen Ibn ar-Rawandi aus dem Mittelalter finden kann, so findet ein Ayatollah Khomeini Anschluss an einen an einen Al-Ghazali, der von manchen für das Ende der Aufklärungsbestrebungen im mittelalterlichen Orient verantwortlich gemacht wird. Er verurteilte meines Wissens die islamischen Philosophen, welche liberal waren und eine Annäherung an griechisches Denken aus der Antike wagten, ganz zu schweigen von all jenen, die eine kritische Einstellung gegenüber dem Islam selbst hatten, wie etwa ein Zakariyya al-Razi oder ein Ibn Warraq. Er verhalf den orthodoxen Strömungen mithin zum Durchbruch und den Untergang von Rationalismus und Säkularismus.
Nachdem die sogenannte islamische Expansion von der sogenannten europäischen Expansion abgelöst wurde, welche auch zum Kolonialismus in manchen Staaten führte, die davor Europa kolonisiert und Terror über es ausgeübt hatten, ergab sich wiederum eine liberale Welle. Nein, manche übertrieben es gar, weil sie unbedingt Anschluss an den Fortschritt des Wesens finden wollten. Reza Schah Pahlavi etwa, der Vater des von Khomeini gestürzten Schahs Mohammed Pahlavi. Sein Sohn etwa wollte einen Versöhnungskurs mit den Geistlichen einführen. Gleichsam aber wollte er die Bildung hochtreiben, ein Anschluss an vorislamisches persisches Erbe finden und es wieder hervorbringen, das Gesetz eher weltlich gestalten und die Frauenrechte stärken; Dinge, die einem Khomeini und anderen Klerikern gar nicht gefielen. Diese nutzen scheinbar das Gefühl aus, dass die Schahs nur Marionetten des Westens seien und das Land ausbeuteten.
Das war das Ende von Reformation und Khomeini führte die klassische Scharia ein. Und der war meiner Meinung nach eben nicht einfach nur einer, der das missbraucht hat, weil er eben so korrupt war, sondern tatsächlich davon überzeugt, dass das, was er macht, im Sinne Gottes ist, und er bezog sich da streng auf Koran und Sunnah (Im schiitischen Sinne), wie ich meine.
Aber zurück dazu, dass der Iran schon immer ein Zentrum war, welches Islamismus entschieden mit bestimmt haben dürfte. Wie gesagt, hier wurde mithin also vielleicht auch gerade zweimal eine Reformation verhindert und wieder rückgängig gemacht. Die islamische Revolution im Iran, wie sie Khomeini durchführte, schloss in seinem Sinne auch einen Revolutionsexport ein. Der Islamismus selbst nämlich ist nämlich auch eigentlich anti-nationalistisch, da die Ummah eine Nation bilden würde und sonst keine mehr, da Fitna untersagt ist. Ihm schwebte hier vor, was auch den islamistischen Muslimbrüdern vorschwebte; nämlich zurückzukehren zu dem reinen Scharia-Staat, welchen er vom Westen bedroht sah, welcher dies etwa in Ägypten samt zugehöriger Sklaverei (Durchaus Teil der klassischen Scharia) abschaffte. Deswegen haben auch so viele Mullahs im Zuge des arabischen Frühlings mitgefiebert, da sie nun die Chance einer islamistischen Renaissance gewitter haben. Nur sollte eigentlich auch ihnen klar sein, dass etwa die Muslimbrüder die Schiiten bis aufs Blut hassen, was wir auch sahen, als samt Christenverfolgungen auch die Verfolgungen von Schiiten glaube ich zugenommen haben, als die Muslimbrüder in Ägypten mal zeitweilig ihren Aufschwung hatten. Und so sollte man das iranische Vorgehen auch wohl eher so verstehen, dass sie wohl zu ihrer schiitischen Seite hinziehen wollten und Verbündete gegen den von ihnen so verhassten kleinen Satan (Israel) und großen Satan (USA) suchten.
Sollte aber es aber im Iran doch mal so kommen, dass es sich tatsächlich reformiert und/oder gar dem politischen Islam eine Absage erteilt, so könnte das ungeheure Auswirkungen auf die gesamte sogenannte islamische Welt haben, denn die Perser (Die eigentlich die letzen 1400 Jahre stets unter Fremdherrschaft entweder von Arabern, Mongolen oder Khadscharen lebten) haben ein gewaltiges Potential in Sachen Ökonomie und Bildung, auch wenn die Gefahr von Nationalismus groß ist. Wenn die Sache dort mal kippen würde, so könnte es sein, dass dies der Anfang vom Ende des weltweiten Islamismus wäre. Könnte, ob es so wäre, weiss ich nicht. Wie gesagt: Könnte.
Und wie es in der iranischen Bevölkerung heute wirklich aussieht, das weiss ich auch nicht so genau. Viele sagen, es hätte sich schon lange eine Kehrtwende vollzogen, Andere sagen, die meisten stünden noch immer hinter der IRI und den Mullahs. Oft ist immer viel Ideologie dabei. Und gerne würde ich mit euch über dieses Thema eigentlich diskutieren. Was meint ihr denn dazu?
*Farsi ist Persisch und heißt eigentlich Parsi. Da aber die Araber glaube ich kein P aussprechen konnten, ergab sich für Parsi Farsi. Und so nennt man heute die Sprache, die im Iran gesprochen wird unter Bezug auf die Parsen bzw. Perser.