Wer nicht kämpft, hat praktisch schon verloren
23.05.2015 um 17:23
Liebe.
Was passiert mit einem Neugeborenen, mit einem Säugling, der von seinen Bezugspersonen (Mutter, Vater oder sonst jemand) nicht angenommen, nicht in seiner werdenden Person respektiert wird, der unterdrückt wird, nicht in die Arme genommen wird, wenn er Trost braucht?
Was geht in dem werdenden Menschen vor, wenn er erlebt, dass die Mutter, der Vater wütend werden, wenn er weint?
Was geht in dem kleinen Menschen vor?
Es gibt Mütter und Väter, die ihre Kinder lieben, sie in ihrem Werden fördern, sie in ihrer Selbständigkeit unterstützen.
Es gibt jede Menge Eltern, die das alles nicht können - Millionen und Abermillionen.
Wie geht der Säugling damit um, wenn er - z. B. - geschlagen wird, wenn er weint?
Was passiert mit ihm, wenn er weint und auf Gleichgültigkeit stößt?
Was geschieht dann?
Angst. Verdrängung. Abspaltung.
Wir sehen meistens nur die Oberfläche.
Jemand ist ein fleißiger Schüler.
Eine junge Frau studiert.
Jemand ist "erfolgreich".
Jemand ist berühmt.
Das alles sagt nichts darüber aus,
a) wie seine oder ihre Kindheit war,
b) wie er oder sie die Kindheit verarbeitet hat.
Hat ein Mensch sich die Fähigkeit bewahrt, leiden zu können?
Oder ist seine "Strategie", vor dem Leiden zu fliehen (verschiedene Süchte, unbedingter Ehrgeiz, ein Muss, wenn es um Karriere geht oder Ruhm, Reichtum usw.).
Natürlich ist es nicht so, dass jeder Mensch, der reich ist oder süchtig usw., eine problematische Kindheit gehabt haben muss, die sein weiteres Leben prägt.
Aber sehr, sehr viele Menschen tragen teilweise sehr Belastendes, Schwieriges, Problematisches und vor allem Unbewältigtes in sich.
Sie fliehen vor der Konfrontation mit sich selbst.
Die Gesellschaft unterstützt sie dabei (Konsumartikel sind dabei ein "gutes" Hilfsmittel).
Die "Atmosphäre", die in der Gesellschaft deutlich vorherrschend ist, basiert nicht auf Mitgefühl, nicht auf Menschlichkeit.
Entfremdung.
Es ist alles andere als gewollt oder üblich, nach dem Warum zu fragen.
Was ist der Mensch?
Wie steht es um seine Wirklichkeit?
Es existiert - bis auf sehr, sehr wenige Ausnahmen - kein Interesse des Einzelnen, die Frage nach der Wirklichkeit des Menschen zu stellen, selbständig nach dem Sein des Menschen zu suchen.
Die allermeisten der Menschen, die sich diese Frage doch stellen - sowieso nicht viele -, tun dies oberflächlich und basteln sich irgendein Modell zurecht.
Wirklich verstehen wollen - das treibt nur wenige Menschen um.
Wir alle zahlen einen Preis dafür, dass die Wirklichkeit des Menschen kein Thema ist.
Eine der - sehr zahlreichen - Folgen ist, dass Menschen ihre Lügen verbreiten können - an die sie selber auch glauben.
Wenn wir nicht Bescheid wissen, dann neigen wir stark dazu, etwas, was nicht stimmt, Glauben zu schenken.
Angst.
Entfremdung von sich selbst.
Anpassung.
Unkenntnis, was der Mensch ist.
Manipulierbarkeit.
Kampf?
Ja. Aber gegen wen? Wogegen? Mit welchen Mitteln? Welche Möglichkeiten hat man oder kann man sich erarbeiten?
Kampf welcher Art? Wofür?
Die Frage nach der Wirklichkeit des Menschen statt des Bastelns von irgendwelchen Halbwahrheiten.
Erkennen, was ist.
Sich eine eigene Wahrnehmung trauen.
Die Epidemie der Entfremdung erkennen lernen, statt sich von irgendwelchen Lügen manipulieren lassen.
Es braucht Mut. Sehr viel Mut. Wollen kann der erste Schritt sein.