@Kayla@Venom@allNou: ...was uns dann auch wieder zu der Frage führt, was genau "Materie" denn nun überhaupt sein soll.
Kayla: Beitrag von Kayla (Seite 127)
Venom46: Beitrag von Venom46 (Seite 127)
Ich wollte eigtl. auf etwas anderes hinaus...
Nehmen wir an, Person XYZ habe einen Traum. Oder vielleicht noch besser: Nehmen wir an, Person XYZ sei Teil einer virtuellen Realität. Person XYZ weiß nicht, dass sie sich in einer solchen befindet und steht bspw. vor einem Tisch. Dieser Tisch hat für Person XYZ ein
Gewicht, eine
Ausdehnung und auch so etwas wie
Festigkeit, d.h. wenn Person XYZ ganz feste mit der Faust auf den Tisch haut, spürt sie einen Widerstand, der ihr signalisiert, dass der Tisch eben fest ist. Festigkeit, Ausdehung, Gewicht (Masse) - das sind wiederum die klassischen Eigenschaften der
Materie, der sog.
res extensa, wobei Descartes hier aber noch ein weiter ging und Materie lediglich auf die Eigenschaft räumlicher Ausdehnung reduzierte:
"Descartes' Materiebegriff reduziert das Wesen materieller Körper allein auf ihre räumliche Ausdehnung nach Länge, Breite und Tiefe. Denn nur diese Ausdehnung ist im Lichte der Vernunft klar und deutlich vorstellbar, wogegen andere Eigenschaften wie Härte, Gewicht oder Farbe nur auf Sinneswahrnehmungen beruhen, denen als Erkenntnisquelle grundsätzlich zu misstrauen ist. Für Descartes sind materielle und geometrische Körper identisch."Wikipedia: René Descartes#Eigenschaften der MaterieAls Descartes starb, war Newton gerade mal acht oder neun Jahre alt. Der gute Descartes war also mit dem modernen Massebegriff noch nicht so vertraut wie es Newton vielleicht war, weshalb er das Gewicht eines Körpers noch als etwas recht Subjektives betrachtete (obwohl es seinerzeit eigtl. bereits Waagen gegeben haben dürfte). Die moderne Physik folgt größtenteils einer anderen Definition:
"In der Physik ist Materie der Oberbegriff für alle Beobachtungsgegenstände, die Masse besitzen."Wikipedia: Materie#Materiebegriff in der PhysikFreilich teilen nicht alle Physiker diese Definition (ganz im Gegenteil...), denn nach dieser Definition wäre etwa das (masselose) Photon immateriell, im Widerspruch zum Materialismus. Wie auch immer, zurück zum Traum bzw. zur virtuellen Realität:
Prinzipiell gibt es nichts, was Person XYZ daran hindern würde, haargenau zu den gleichen oder zumindest sehr ähnlichen Aussagen und Sätzen über die von ihr beobachteten Gegenstände zu gelangen, die sie dann der Kategorie der Materie zuordnen würde. Sie könnte bspw. mit einer (virtuellen) Waage ebenso feststellen, dass der (virtuelle) Tisch vor ihr ein bestimmtes (virtuelles) Gewicht und letztendlich auch eine gewisse (virtuelle) Masse besitzt. Person XYZ hat natürlich auch einen Avatar, also einen (virtuellen) Körper in der Simulation, so dass sie von anderen Teilnehmern der Simulation gesehen werden kann. Die Simulation ist reichlich komplex und realistisch. Wird ihr ein (virtueller) Arm abgehackt, dann bleibt der Arm natürlich auch ab und wächst nicht etwa nach o.ä.
Person XYZ unterhält sich nun mit einer anderen Person ABC über "Gott und die Welt". Sie unterhalten sich bspw. darüber, woraus die Welt besteht, was Materie ist und so weiter. Person XYZ ist philosophisch nicht ganz ungebildet, vertritt die Position eines
Skeptikers (!) und stellt entsprechend auch dezidiert in Frage, ob denn die von ihr wahrgenommene Welt
tatsächlich aus Materie besteht, also etwa der vor ihr stehende Tisch
tatsächlich so etwas wie
Gewicht, Ausdehnung und Festigkeit besitzt. Person ABC ist philosophisch eher ungebildet und vertritt entsprechend fast schon eine Art naiven Realismus, der davon ausgeht, dass die Dinge im Wesentlichen so sind, wie sie erscheinen. Person ABC ist zwar nicht ganz so naiv und hat einst auf der (virtuellen) Schule mal gelernt, dass bspw. Farbe nicht den Dingen selbst zukommt, sondern ein Effekt der Wahrnehmung ist, allerdings ist Person ABC bspw. fest davon überzeugt, dass die von beiden und anderen Personen wahrgenommene Materie tatsächlich und objektiv existiert. Als Person XYZ nun Person ABC fragt,
was genau die von ihr wahrgenommen "Materie" denn nun überhaupt sein soll, wendet Person ABC daraufhin ein:
Venom46 schrieb:Das fragen sich diverse Unfallopfer nicht mehr.
Es mischt sich noch eine dritte Person 123 in die Diskussion ein, die genau zu wissen glaubt, worum es sich bei Materie handelt:
Beitrag von Kayla (Seite 127)Alle drei Personen vertreten außerdem auch unterschiedliche Positionen innerhalb der Philosophie des Geistes. Person ABC meint bspw., dass Geist ein Produkt der Materie sei. Eines allerdings ist allen drei Personen gemeinsam: Sie sind alle drei Teil einer virtuellen Realität. Und nicht nur die sie umgebene Materie ist simuliert, sondern sogar sämtliche Denkprozesse aller drei Personen sind lediglich simuliert. Was alle drei Personen nicht wissen, das ist, dass es eigentlich nur eine Substanz gibt, nämlich die Bits & Bytes aus denen sie und ihre Welt bestehen. Und so hat bspw. auch der Tisch, vor dem Person XYZ eingangs noch stand, natürlich weder Gewicht, Ausdehnung, noch so etwas wie Festigkeit. Er besteht nur aus Bits & Bytes. Und so streiten sich alle drei Personen auch noch etliche Tage und Wochen über "Gott und die Welt", bringen allerlei vermeintlich offensichtliche und überzeugende Argumente hevor
("Materie hingegen ist Realität. Das Erkennen, wie sich Materie verhält, ist Gegenstand der Naturwissenschaften, nicht der Philosophie." -- off-peak), doch liegen letztendlich weit daneben, so es ihnen eben schlichtweg und prinzipiell unmöglich ist,
hinter die ihnen
erscheinende Wirklichkeit zu schauen.
Selbstverständlich geht es bei diesem Gedankenexperiment mitnichten darum, ob wir nun in einer virtuellen Welt leben, die auf materiellen Computern in einer irgendwie anderen Welt simuliert werden. Es geht darum, das kritische Denken in Bezug auf vermeintlich ach so offensichtliche Wahrheiten und angebliche Fakten zu schärfen, woran es in diesem Forum und bei den sich selbst so gern als Skeptizisten bezeichneten Teilnehmern in erheblichen Maße mangeln tut. Ferner geht es darum, inwieweit jeglicher Substanzdualismus überhaupt irgendeinen Sinn macht. Und dazu zähle ich übrigens auch den "geborgen" Substanzdualismus, der zunächst eine vom Geist völlig verschiedene Substanz posuliert, um anschließend die Phänomene der Katorie des Geistigen auf Basis der Kategorie des Materiellen erklären zu wollen, um sich dann wiederum als Substanzmonismus behaupten zu können.
In jedem Fall stehen wir hier - simuliert oder nicht simuliert - auch weiterhin und immer noch vor der Frage, was genau "Materie" denn nun überhaupt sein soll?
:ask:SpoilerSorry für den langen Text. Liest vermutlich wieder keiner. :D
Aber vor dem Hintergrund so einiger Beiträge auf den letzten Seiten schien mir das irgendwie notwendig.