Sei gegrüßt
@praiseway Zunächst muss eventuell angemerkt werden, dass ich es keineswegs geschafft habe bisher, wahre Entsagung zu üben, und somit kann ich die Fragen auch nicht aus dem Standpunkt eines wahrhaft Entsagenden und Weisen beantworten. Was ich aber kann, ist, das wiederzugeben, was ich bisher für mich erkannt habe und was in den entsprechenden Schriften geschrieben steht.
So geht es hier um die Frage, ob es denn nicht lebensfeindlich sei, wenn man die Begierde aufgebe. Ich sage dazu: Jain, Ja und Nein. Ich sehe es halt derzeit so, dass es vielleicht tatsächlich so ist, dass man das Leben erlangt, nur um es wieder aufzugeben und dass man etwa nach Besitz verlangt, nur um genau diesen wieder aufzugeben, dass man nach dem Begehrten verlangt, nur um das Begehrte aufzugeben. Mit was kommen wir denn in diese Welt? Mit nichts! Wir fallen mehr ohne Besitz einfach in diese materielle Welt, nackt und ohne Hab und Gut, und abhängig von der frühen Fürsorge Anderer, die uns füttern, anziehen und aufziehen müssen, lehren und erziehen. Wir bekommen hier ständig. Ja, gar der Körper selbst, ist er denn nicht auch nur etwas, was wir bekommen haben? Doch das geschieht trotz allem durch ein Greifen, durch einen Daseinsdrang, denn nur durch diesen können wir auch bekommen. Hunger, Durst und alles da Weitere. Wir fallen, weil wir greifen? Dennoch bleiben wir die ersten Jahre über stets doch auch passiv, wir bekommen, zwar können wir nur bekommen, wenn wir auch nehmen, aber wir nehmen nichts wirklich aktiv, weil wir es einfach nicht können, wir können Anderen nichts wegnehmen und wir können nichts ausbeuten und uns aktiv aussuchen, was wir bekommen wollen, noch bringen wir irgendwelche wirkliche Leistung dafür, dass wir dann auch was bekommen, wir bekommen vielmehr, weil man uns gibt.
Nichtsdestotrotz ist hier der Daseinsdrang schon gegeben und auch die Gier und dass man sich die Dinge erzwingen möchte. Jetzt ist das Leben, das Dasein, in dieser materiellen Welt aber bedingt und um unser Dasein aufrechtzuerhalten, müssen wir uns diese Bedingungen stabilisieren, die eben unser Dasein aufrechterhalten, weil es von diesen abhängig ist, das Erscheinen des Daseins davon abhängig. Und je mehr man diese Bedingungen stabilisiert, desto sicherer wird man sich. Jetzt ist es so, dass zunächst mal vor allem der Körper es doch ist, von dem das Erscheinen unseres Daseins, nach dem wir so lechzen, abhängt. Dieser mag genährt sein, geschützt, gepflegt und er möchte seine Sinne befriedigt wissen, Sinnengenuss erlangen. Wie stellt der Mensch das an, was braucht er dafür? Er braucht dafür Besitz, Raum und Macht. Je mehr Besitz für ihn, umso besser. Mehr mehr. Weil dann könnte man sich umso sicherer fühlen. Mehr Macht, mehr Macht über Andere, denn wenn man doch über diese herrsche, dann müsste man sich keine ganz so großen Sorgen mehr über deren Verhalten machen, man wird nicht beherrscht, sondern herrscht.
Dieser Daseinsdrang, von dem ich hier spreche, will sich unbedingt selbst erhalten und seine Erweiterung ist das Begehren jeder Art und somit eben auch die Gier. Und diese Arten von Begierden sind gleichsam aber auch deshalb problematisch, da sie einfach nach den Dingen auf dieser Welt greifen, und sich diese in gewisser Hinsicht erzwingen will, denn man meint ein Recht auf diese zu haben, sie stünden einem zu. Wie viele denken denn, sie seien auf die Welt gekommen und jetzt dürften sie diese Chance nicht verpassen und müssten sich holen, was ihnen zusteht, damit sie durch Häufung von Besitz und Sonstigem sich Sinnengenuss einholen? Dieser Drang ist ein Drang und auch die Leidenschaft wie wir sie kennen, ist genau das und sie ist eben:
Leidenschaft. Sie schafft Leiden. Denn ihr Wesen ist es, zu schmerzen, je mehr man vom Objekt des Sinnengenusses entfernt ist und je mehr zu erquicken, je mehr man diesem sich annähert. Und Schmerz, den will man weg haben. Er hält dazu an, sich dem Objekt des Sinnengenusses zu nähern, um es letztlich auszukosten und zu verspeisen, womit dann Sättigung eintreten würde.
Aber kann es denn hier nicht eine transformierte Form eben dieses Dranges geben, wo man nichts mehr sich erzwingen will und wo man nicht mehr leidet, wenn man von den Objekten des Sinnengenusses frei ist und deswegen niemanden mehr Leid zufügt, um etwa damit sein eigenes Leid, geboren aus der Leidenschaft, zu beseitigen und sich in seinen Sinnengenüssen erquicken zu können? Da, wo man frei ist vom Leiden, welches sich eben durch diese Begierde ergibt, die sozusagen schon fast zu den Sinnengenüssen peitschen möchte, damit man dort das Zuckerbrot genießen dürfte. Man hebt diesen Dualismus auf, der durch Trennung und Verbindung mit dem Gewünschten entsteht und transformiert ihn vielmehr so, dass man nichts mehr erzwingen möchte, sondern innerlich gelassen und ausgeglichen zwar seinen Arbeiten nachgeht und durchaus auch bestimmte Früchte anstrebt, aber dennoch nicht mehr davon tangiert wird, sollten sie nicht erreicht werden, da man ihnen innerlich gleichsam sowieso schon entsagt hat und sie nur mehr als ein Bonus gesehen werden, den man zwar haben kann, aber nicht haben muss, um glücklich zu sein.
Vielleicht soll es gar so sein, dass der Begierde entsagt werden soll, damit man sie in etwas Höheres aufheben kann. Vielleicht ist sie eine Notwendigkeit, die uns zwar ins Leben wirft und die Richtung weist, aber sodann auch wieder fallen gelassen werden soll, sobald wir von ihr genug gelernt haben und nun auf eigenen Füßen stehen können. Vielleicht.