Der Spiegel schreibt dazu ....
"News of the World"-Skandal
Murdoch soll Beweise unterschlagen habenLondon - Für Rupert Murdoch folgt ein schwarzer Tag auf den nächsten: Während er versucht, den Ruf seines Konzerns mit einer Entschuldigungskampagne wiederherzustellen, häufen sich neue Vorwürfe gegen ihn und seinen Medienkonzern. Der Chef der Labour-Partei, Ed Miliband, fordert eine Zerschlagung des Murdoch-Konzerns. Die Dominanz von News Corp. in Großbritannien sei ungesund und gefährlich, sagte Miliband in einem Interview mit der britischen Zeitung "Observer". Die Bündelung von so viel Macht in der Hand eines Manns habe offenbar in seiner Organisation zu einem Missbrauch dieser Macht geführt. Vizepremier Nick Clegg von den Liberaldemokraten erklärte ebenfalls, es müsse mehr Pluralität in der Medienlandschaft geben.
Wie der britische "Telegraph" unterdessen berichtet, sollen hohe Murdoch-Manager eine ganze Serie von E-Mails aus dem Jahr 2006, die den Abhörskandal bei dem mittlerweile eingestellten Revolverblatt "News of the World" zum Thema hatten, den Ermittlungsbehörden absichtlich vorenthalten haben. Sollte das stimmen, würde die Verteidigungsstrategie von Murdochs zurückgetretener Top-Managerin Rebekah Brooks und die seines Europachefs und Sohns James Murdoch in sich zusammenbrechen. Sie und andere Murdoch-Manager hatten stets behauptet, nichts von den illegalen Abhöraktionen gewusst zu haben.
Der "Telegraph" zitiert eine Quelle bei der britischen Murdoch-Tochterfirma News International, nach welcher die E-Mails von hochrangigen Angestellten gelesen und danach, im Jahr 2007, einer Anwaltskanzlei übergeben worden seien. Erst in diesem Jahr seien sie der Polizei zugänglich gemacht worden. Sie enthalten Details der Abhöraktionen und führten zur Verhaftung des ehemaligen Nachrichtenchefs der "News of the World", Ian Edmonson.
Zwischenzeitlich habe James Murdoch Schecks in Höhe von 800.000 und einer Million Pfund (912.000 bzw. 1,14 Millionen Euro) für den Fußball-Funktionär Gordon Taylor und den PR-Berater Max Clifford unterschrieben, um damit ihr Schweigen zu erkaufen. In der vergangenen Woche sagte James Murdoch, er hätte diese Schecks nicht unterschrieben, wenn er gewusst hätte, was er heute weiß.
Täglich neue Hiobsbotschaften
Der Vorwurf der Unterschlagung von Beweisen ist längst nicht die einzige Hiobsbotschaft, die an diesem Wochenende über Murdoch hereinbricht. Zudem wurde bekannt:
* James Murdochs Stuhl als Generaldirektor des britischen Bezahlsenders BSkyB wackelt. Der Vorstand habe eine Sondersitzung angesetzt, um über Murdochs Zukunft zu debattieren. Erst vergangene Woche hatte Rupert Murdoch sein Ansinnen aufgeben müssen, den Sender komplett zu übernehmen.
* Großanteilseigner von Murdochs Hauptkonzern News Corp. fordern ihn auf, seine britischen Zeitungen komplett zu verkaufen , weil sie befürchten, dass sich der Skandal in die USA ausbreiten könnte.
* Anwälte von David Beckham haben die Polizei eingeschaltet, weil sie davon ausgehen, dass auch der Fußballstar und seine Frau Victoria von dem Privatdetektiv Glenn Mulcaire abgehört worden sind - jener Mann, der für die "News of the World" auch zahllose andere Prominente und Verbrechensopfer ausspioniert hat.
* Mitarbeiter von Paul McCartney erheben den Vorwurf, abgehört worden zu sein, während der Ex-Beatle wegen der Trennung von seiner zweiten Frau im Zentrum der Aufmerksamkeit stand.
* Der Schauspieler Jude Law soll während eines USA-Aufenthalts abgehört worden sein, was insofern von besonderer Bedeutung ist, als dass es ein Gerichtsverfahren in den Vereinigten Staaten nach sich ziehen könnte - wo ungleich höhere Schadensersatzforderungen durchsetzbar sind als in Europa.
* Andy Coulson, der zwischenzeitlich verhaftete Ex-"News of the World"-Chefredakteur und ehemalige Mitarbeiter des britischen Premierministers David Cameron, soll mitten während der Ermittlungen zum Abhörskandal mit dem hochrangigen Polizeibeamten, der den Fall verantwortlich untersuchte, zum Abendessen ausgegangen sein.
* Neil Wallis, ehemals stellvertretender Chefredakteur der "News of the World" und später Medienberater bei Scotland Yard, soll auf der Höhe des Skandals seinem ehemaligen Arbeitgeber über den Stand der Ermittlungen berichtet haben.
Polizeichef lässt sich Kur bezahlen
Unterdessen gerät auch die Londoner Polizei immer stärker unter Druck, weil sie die Ermittlungen im Abhörskandal über Jahre nicht ernst genommen und verschleppt habe. Nach einem Bericht der "New York Times" sind Beweismittel jahrelang in Mülltüten in einem Keller bei Scotland Yard verstaubt.
Scotland Yard erklärt die nachlässige Verfolgung des Abhörskandals damit, dass der Fall bei der Anti-Terror-Einheit angesiedelt gewesen sei, die jedoch stets Wichtigeres zu tun gehabt hätte, weil sie insgesamt 70 Terrorbedrohungen zu bearbeiten gehabt habe. Die "New York Times" zitiert einen Ermittler mit den Worten, diese Ausflucht sei "kompletter Unsinn".
Selbst nachdem die Müllsäcke mit dem Beweismaterial endlich geöffnet und bearbeitet worden seien, habe es Scotland Yard versäumt, die darin genannten fast 4000 Abhöropfer zu informieren. Mittlerweile sind insgesamt neun ehemalige Angestellte der "News of the World" verhaftet worden. Im Parlament muss sich die einst ruhmvolle Polizeibehörde verspotten lassen: "Die Ermittlungen sehen eher nach Clouseau als nach Colombo aus", sagte ein Abgeordneter.
Die "Sunday Times", ein Blatt aus dem Murdoch-Konzern, berichtet unterdessen, der Londoner Metropolitan-Police-Chef, Sir Paul Stephenson, habe sich seit Aufkommen des Skandals im Jahr 2006 allein 18-mal mit Murdoch-Angestellten zum Essen getroffen. Stephenson habe sich auch Teile eines Kuraufenthalts im Wert von 12.000 Pfund (13.700 Euro) von einem Spa-Betreiber bezahlen lassen. PR-Chef des Spa-Betreibers war ausgerechnet Neil Wallis.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,774901,00.html (Archiv-Version vom 19.07.2011)