@allWas machen sich einige hier für Vorstellungen von der Polizeiarbeit? Ich kann da manchmal nur mit dem Kopf schütteln.
Für einen begründeten Tatverdacht gehört in allererster Linie ein Motiv. Wenn das Umfeld des Opfers intakt war, keine Vorfälle, Spannungen oder Konflikte jedweder Art bekannt sind oder bekannt werden, fehlt ein wichtiger Kern polizeilicher Ermittlungsarbeit. Man wertet zunächst einmal die Fakten aus, mit denen man dann nach möglichen Motiven eines Täters sucht. Zuerst konzentriert man sich aber unabhängig davon immer auf den inneren Kreis. Wenn sich in Befragungen oder manchmal auch schon Vernehmungen keine Widersprüche ergeben, weitet man die Ermittlung aus. Man zeichnet ein Bild des Opfers, von seinen Lebensbedingungen, von seinen Charaktereigenschaften, um wichtige Rückschlüsse auf mögliche Verhaltensweisen während des Tathergangs zu erhalten. Eine elfköpfige Sonderermittlungskommission wie im Mordfall Lichtenau darf man sich jetzt nicht so vorstellen, dass da die Hälfte nur Däumchen gedreht hat und sich blöde Gedanken gemacht hat. Aufgrund der häufigen und vielleicht auch weiten Fahrten werden sicher auch bei dem oder anderen Befragten Kontodaten überprüft worden sein, inwiefern sich Tankrechnungen bzw. Kontoabbuchungen im Vergleich zu Vormonaten gehäuft haben, inwiefern diese mit möglichen Wegstrecken des Täters korrespondierten. Da wird eine ganze Menge unternommen, und dafür muss es noch nicht einmal einen dringend Tatverdächtigen gegeben haben müssen. (Ja, das ist in juristischer Hinsicht manchmal im Grauzonenbereich, aber der größte Feind polizeilicher Ermittlungsarbeit ist nun einmal die Zeit.) Je länger ein Kapitaldelikt nicht aufgeklärt ist, desto geringer die Chancen auf Aufklärung.)
Es ist richtig, dass man bei breiterer Wissensgrundlage über den Fall die Erfolgschancen erhöht. Sorgfältige Polizeiarbeit besteht aber auch darin, die ermittelten Ergebnisse und Beweise gerichtssicher zu machen. Je mehr man dann aber über den Fall während des Ermittlungsverfahrens preisgibt, desto höher ist das Risiko, dass man bei erfolgreicher Täterermittlung auf die Schnauze landet. Und das ist – das könnt ihr mir glauben – das bitterste, was einem passieren kann. Es geht unter anderem darum, dass ein mittelprächtiger Strafverteidiger vor Gericht beispielsweise recht schnell den Vorwurf der Zeugenmanipulation erheben könnte. Sieht das Gericht den Einwand als berechtigt an, wackelt manchmal schon die ganze Anklage.