AlteTante schrieb:Aber nur weil es Ähnlichkeiten in Berichten aus verschiedenen Zeiten und Kulturen geben mag, muss das nicht bedeuten, dass das Phänomen real ist. Es kann sein, dass es andere (als paranormale) Gründe gibt, die zu solchen Wahrnehmungen führen. (...) Daneben ist es möglich, dass Ereignisse erfunden oder ausgeschmückt und dabei an ältere ähnliche Geschichten angeglichen werden, zum Beispiel, um sie glaubwürdiger wirken zu lassen.
Das Faszinierende an „Poltergeist“-Phänomenen ist, dass sie zu den am besten und reichhaltigsten belegten sogenannten „paranormalen“ Phänomenen gehören.
Klar, auf den ersten Blick und so ganz allgemein und abstrakt, wenn man die Definition von „Poltergeist“ oder „Spuk“ im Lexikon nachliest oder ein paar kurze Zusammenfassungen im Internet, und dabei daheim bequem auf dem Sofa sitzt, dann klingt es für jeden zunächst plausibel, bzw. ist schlicht naheliegend zu sagen: „So'n Quatsch! Alles Betrug und Einbildung. So was kann's gar nicht geben! Basta!“
Und tatsächlich ist in Einzelfällen ja auch Betrug nachgewiesen worden. Bekanntestes Beispiel ist der sogenannte „Chopper“-Fall 1982 in Bayern. Aber das war schon von vorneherein ein sehr untypischer „Spuk“-Fall, zu dem es in der parapsychologischen Literatur nichts Vergleichbares gab. Und in der Tat: Das Ganze stellte sich dann auch tatsächlich als plumper Betrug heraus
Aber das Entscheidende ist: Um so mehr man sich konkret mit der „Masse“ der Erlebnisberichte – und hier gilt wirklich: „Die Masse macht's“ - der direkt oder indirekt Betroffenen beschäftigt, um so deutlicher wird, dass die üblichen „Ausreden“, die einem, der nicht betroffen ist, oder die Erlebnisse der Betroffenen nicht kennt, so schnell und einfach von der Hand gehen (Betrug, Einbildung, Missverständnis natürlicher Phänomene etc. pp.), rasch an ihre Grenzen kommen. Umso mehr Berichte man kennt und umso detaillierter diese Berichte sind, umso schwerer fällt es einem oft, mit natürlichen Erklärungen alles „weg“ zu erklären.
Seit dem Mittelalter – und dann verstärkt und detaillierter seit dem 17. Jahrhundert – liegen einige Hundert mehr oder weniger ausführliche Berichte vor, in denen Betroffene, Augenzeugen oder Untersucher über unerklärliche Phänomene berichten, die zwar in kaum zwei Fällen gleich sind, aber doch eine so deutliche „Familienähnlichkeit“ (im Sinne von Wittgenstein) haben, dass man sie zur Gruppe der „Poltergeist“-Phänomene zusammenfassen kann.
Dann merkt man, dass Menschen immer wieder, in verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten, meistens unabhängig voneinander (die meisten denken, so etwas habe es noch nie gegeben und passiere nur ihnen) ganz Ähnliches erlebt haben und über ähnliche Details berichten (z.B. dass Gegenstände nicht einfach durch die Luft „fliegen“, sondern sich langsam oder in unnatürlichen Bahnen bewegen, so als ob sie von unsichtbarer Hand getragen würden; oder, dass sie sich wie aus dem Nichts auf einmal zu „materialisieren“ scheinen; oder dass sich Gegenstände, die auf unerklärliche Weise bewegen oder plötzlich auftauchen, „warm“ anfühlen, wenn man sie hinterher aufnimmt; oder das Gegenstände, die dabei eine Person treffen viel „sanfter“ und „weicher“ auftreffen, als das eigentlich zu erwarten wäre etc. pp.).
Deshalb kann ich immer nur dazu raten, bevor man sich über das Phänomen vorschnell eine Meinung bildet, erstmal so viele und detaillierte Augenzeugenberichte wie möglich zu Gemüt zu führen. Und das heißt, in Gottes Namen, nun mal, auch entsprechende Bücher zu lesen. (Ja, googlen ist einfacher; aber nicht alles ist im I-Net zu finden ...)
Empfehlenswert sind z.B.
William G. Roll, „Der Poltergeist“ (in der deutschen Übersetzung (Freiburg: Aurum, mehrere Auflagen) nur noch antiquarisch zu haben; im englischen Original aber sogar als E-Book lieferbar)
Herbert Thurston, „Poltergeister“, Räber, 1955 ( nur noch antiquarisch oder über Fernleihe; gilt auch für die beiden folgenden Bücher)
Alan Gauld; E.D. Cornell, „Poltergeists“, Routledge & Keegan Paul, 1979
A.R.G. Owen, „Can We Explain the Poltergeist?“, New York: Helix Press, 1964
Claude Lecouteux, „The Secret History of Haunted Houses: From Pagan Folklore to Modern Manifestations“, Inner Traditions, 2012 (auch als E-Book; Original: „La maison hantée: histoire des poltergeists“, Imago, 2007)
P.G. Maxwell-Stewart: „Poltergeists: A History of Violent Ghost Phenomena“, Amberly Publishing, 2012 (auch als E-Book)
Robert McLuhan, „Poltergeist People: Eyewitness Accounts of Remarkable Events“ (als Kindle E-book für 1,02 Euro erhältlich!)
Tony Healy und Paul Cropper, „Australian Poltergeist: The Stone-Throwing Spook of Humpty Doo and Many Other Cases“, Strange Nation, 2014
Geoff Holder, „Poltergeist over Scottland“, The History Press, 2013
Ders., „What Is a Poltergeist? Understanding Poltergeist Activity“, Kindle E-Book, 2014
Blöd, ich weiß: Fast alles auf Englisch. (Tja, sorry, MiniMy ist damit leider schon raus.
:) Ich weiß, es ist viel einfacher eine Meinung zu haben, als sich zu informieren. (Zu ersterem braucht man nur – nun ja, eine Meinung eben; für letzteres allerdings braucht man viel Zeit, Geduld und ein wenig Hirnschmalz.)