Libertin schrieb:Die experimentelle Reproduktion sozialer Lebenswelten in solch kritischen Phasen ist halt nicht mal eben unter Laborbedingungen herzustellen und ich denke sicherlich auch kaum ethisch vertretbar. Aus wissenschaftlicher Sicht kann man aber andererseits deswegen auch keine Zugeständnisse machen und die Messlatte für den Nachweis solcher Effekte einfach mal niedriger legen.Es bräuchte daher wie gesagt wohl eine "zweite Nina Kulagina". Ein Nachweis für die Echtheit solch starker Effekte würde wohl auch den letzten Skeptiker überzeugen. Bis dahin wird es wohl ein streitbares Thema bleiben.
Man muss halt seine Untersuchungsmethode dem Untersuchungsgegenstand und dem Erkenntnisinteresse anpassen. Einen Frosch seziert man ja auch nicht im Teilchenbeschleuniger, und das Verhalten einer Schimpansen-Herde im Dschungel kann man nicht durch die Obduktion eines toten Schimpasen erforschen und auch nur sehr bedingt durch Beobachtungen im Zoo. Da muss man, in Gottes Namen, schon wie Jane Goodall selbst in den Dschungel gehen und die Schimpansen in situ beobachten.
Psychokinese und Spuk haben natürlich den Nachteil, dass sie noch schwerer zu finden sind, wie eine Schimpansen-Herde im Dschungel. Aber so ganz unzugänglich sind sie dann auch wieder nicht. Es haben ja tatsächlich immer wieder Menschen Spuk erlebt und darüber berichtet.
Klar, idealerweise würde man gerne ein makro-psychokinetisch begabtes Subjekt wie Nina Kulagina im Labor untersuchen. (Hat man ja auch gemacht.) Aber wenn man dieses Ideal nunmal nicht so einfach herstellen kann, dann muss man deswegen noch lange nicht aufhören zu forschen oder gar – schlimmer noch – behaupten, der Forschungsgegenstand würde gar nicht existieren. Sonst benimmt man sich wie der Betrunkene in dem bekannten Witz, der seinen verlorenen Autoschlüssel im Licht der Laterne sucht – nicht etwa, weil er ihn dort verloren hätte, sondern weil es da so schön hell zum Suchen ist … Manche benehmen sich sogar noch dümmer als der Betrunkene und sagen: Der Autoschlüssel ist im Licht der Laterne nicht zu sehen – also hat der Schlüssel niemals existiert.
Klar im hellen Licht der kontrollierten Laborbedingungen kann ich am besten arbeiten. Aber wenn sich der Forschungsgegenstand dort nunmal nicht so einfach reproduzieren lässt, dann muss ich eben wo anders und mit anderen Methoden suchen und forschen. Dann muss ich halt ein wenig niederknien, im Dunkeln tasten und versuchen, das Ertastete zu deuten. Das ist aber immer noch besser, als einfach nur daneben zu stehen und zu sagen: „Pff! Da is eh nix!“
Ich kann zum Beispiel Augenzeugenberichte von Spukphänomenen aus verschiedenen Zeiten und Kulturen sammeln und diese kritisch untersuchen: Wer berichtet davon? Warum? Für wen? Gibt es Anzeichen für Lüge, Betrug, Fehlinterpretationen? Wie überzeugend und stichhaltig sind diese Anzeichen im jeweiligen Kontext? (Nur weil z.B. ein bestimmtes Betrugsmanöver theoretisch möglich wäre, heißt das noch lange nicht, dass es im konkreten Kontext auch praktisch wahrscheinlich ist. Ich könnte dann höchstens sagen: Ein Betrug wäre in diesem Fall denkbar, aber wenig wahrscheinlich; und nicht: ein Betrug ist nachgewiesen. Auch „skeptischen“ Erklärungen und Weg-Erklärungen muss man kritisch gegenüberstehen und nicht unkritisch sagen: „Klingt für mich irgendwie plausibel, wird schon so gewesen sein ...“) Gibt es Gemeinsamkeiten unter den beschriebenen Phänomenen? Phänomene, die immer wieder auftauchen? Gibt es Zusammenhänge mit anderen ungewöhnlichen Erfahrungen? Etc. pp.
Ein Historiker zum Beispiel kann ja auch nicht in die Zeitmaschine steigen und Julius Cäsar für eine psychologische Untersuchung ins Labor bitten. Auch er ist weitgehend auf die Interpretation von Texten und Artefakten angewiesen.
Klar, die Ergebnisse sind dann nicht so eindeutig, wie ein mathematischer Beweis oder ein x-mal im Labor reproduzierter Effekt. Aber man kann dennoch Evidenzen sammeln, Vergleiche anstellen und Ergebnisse erzielen. Die gelegentlich gemachte Behauptung, es gäbe deswegen „null Evidenz“ für Spuk, Poltergeist-Phänomene und Psychokinese ist jedenfalls grotesk falsch und unwahr.