Mit einem behinderten Kind kommen schlicht und ergreifend vollkommen andere Belastungen auf einen zu als mit einem gesunden Kind - sei es finanzieller, zeitlicher oder emotionaler Natur. Ein behindertes Kind kann Unsummen verschlingen, die u.U. nicht vom Staat mitgetragen werden und dazu führen können, dass das Kind sein Lang eine eingeschränkte Teilhabe oder völlige Exklusion erlebt. Das kann bei einem besonderen schulischen Förderbedarf beginnen, der in vielen Fällen nicht ausreichend staatlich (mit-)finanziert wird, sich über spezielle Alltagsunterstützung bis zu (teureren und guten) medizinischen Geräten/Unterstützungen ziehen, bei denen lediglich das günstigste Modell übernommen wird, mit dem häufig nichts anzufangen ist.
Ich finde es sehr wichtig, sich bei einem mit hoher Wahrscheinlichkeit behinderten Kind zu entscheiden, ob man es wirklich austragen möchte und ihm dauerhaft gewachsen ist, ob man es ggf. sein Leben lang finanziell und emotional unterstützen kann und die Finanzierung nicht auf den Staat auslagert, der lediglich eine sehr bescheidene Grundsicherung und damit oftmals ein Leben am sozialen Rand ermöglicht. Potenzielles Leid beginnt für mich nicht nur bei körperlichen und geistigen Einschränkungen oder dauerhaften Schmerzen, sondern auch bei fehlender Möglichkeit der Selbstverwirklichung durch gesellschaftliche Benachteiligung, wahrscheinliche lebenslange soziale Ausgrenzung durch Mobbing aufgrund der Behinderung sowie der Aussicht, niemals ein "vollwertiges" Mitglied der Gesellschaft sein zu können.
Muss man das wirklich riskieren, nur, um sich selbst den Kinderwunsch zu erfüllen? Natürlich
können Behinderte auch ein
sehr erfülltes Leben führen, dennoch bleibt es ein potenzielles (vermeidbares) Risiko, das man sehenden Auges eingeht.
Eine Abtreibung ist daher, wie ich bereits schrieb, u.U. eine Entscheidung im Sinne des Kindes.
Um auf das, was
@Hyphaema schrieb, einzugehen:
Ich bin in Armut aufgewachsen, bei einer Mutter, die mir weder psychisch noch finanziell (aber durchaus emotional, sie hat mich geliebt, das kann und möchte ich nicht bestreiten) gerecht werden konnte. Das war in meiner Kindheit sehr belastend. Es ist kein schönes Gefühl, wenn man am normalen Alltagsgeschehen nicht teilhaben kann, weil das Geld nicht für Kinobesuche, fürs Auswärtsessen oder Ähnliches reicht. Es ist kein schönes Gefühl, nur gebrauchte Kleidung aufzutragen und dafür gehänselt zu werden, es ist nicht schön, bei Klassenfahrten der zu sein, der bezuschusst werden muss. Immer "nein" zu sagen, wenn Freunde etwas machen wollen, die Dinge, die sich andere leisten können, nicht zu kennen, das grenzt aus. Auch in meiner Jugend und im jungen Erwachsenenalter war das eine unschöne Erfahrung - andere konnten deutlich sorgenfreier studieren, mussten ihre Wohnung anteilig oder gar nicht selbst finanzieren, hatten Unterstützung in der Anschaffung von Möbeln und konnten sich ganz auf das Studium konzentrieren oder hatten einen Nebenjob, um sich etwas zurückzulegen und nicht, damit das Überleben - etwas überzogen ausgedrückt - gesichert ist.
Kommt in dieser Situation nun noch ein besonderer Bedarf durch eine Behinderung hinzu, hat man, ich kann es nicht weniger platt ausdrücken, verschissen. Selbst bei geringfügiger Normabweichung, bei speziellen, etwas kostspieligeren Interessen, hat man als Kind eines Geringverdieners oder Armen den eindeutigen Nachteil.
Die Einstellung, dass Menschen, die derzeit und langfristig arm oder armutsgefährdet sind, keine Kinder kriegen sollten, begrüße ich aufgrund meiner persönlichen Lebenserfahrung, aber auch aus rationaler Sicht, sehr. Kinder kosten nun einmal viel Geld und wer ein Kind bekommt, sollte nicht nur an sich und die eigene Wunscherfüllung denken, sondern auch an das Kind und daran, ihm eine solide Zukunft bieten zu können - das kann man, wenn man kein Geld hat, m.E. nicht.