@SUPERVISOR1982SUPERVISOR1982 schrieb:die gesellschaft unterliegt verschieden parametern, welche sich, so wie sie jetzt ist als tauglich erwiesen hat. (mit gründung der BRD)
Das ist unzutreffend. Die Gesellschaft, so wie sie jetzt ist, hat sich im Vergleich zum Zeitpunkt der Gründung der BRD, stark gewandelt.
Beispiel 1: Homosexualität war bis 1969 uneingeschränkt unter Männern strafbar:
§ 175 StGB
(1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.
(2) Bei einem Beteiligten, der zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen.
Erst danach wurde dieser Straftatbestand drastisch eingeschränkt. Warum? Weil man erkannt hat, dass es für die Strafbarkeit dieser einvernehmlichen Akte unter Erwachsenen es keinen Strafgrund gibt, weil eben niemand zu Schaden kommt.
Beispiel 2 (aus dem Zivilrecht): Die Stellung der Fau in der Ehe war bis 1958 von substantieller Unterordnung geprägt. Es ist wohl offensichtlich, dass diese Position mit dem Grundgesetz, hier Art. 3 GG unvereinbar war und ist. Dennoch war es für neun Jahre geltendes Recht. Hier ein paar ausgewählte Normen:
§ 1354 BGB
(1) Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung.
(2) Die Frau ist nicht verpflichtet, der Entscheidung des Mannes Folge zu leisten, wenn sich die Entscheidung als Mißbrauch seines Rechtes darstellt.
[...]
§ 1363 BGB
(1) Das Vermögen der Frau wird durch die Eheschließung der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterworfen (eingebrachtes Gut).
Einige dieser Normen konnten sich bis 1977 erhalten:
§ 1356 BGB
(1) [1] Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. [2] Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.
Es ist wohl unbestritten, dass diese Normen trotz ihrer damaligen Geltung kaum als gerecht bezeichnet werden können.
Beispiel 3: Die Stellung unehelicher Kinder war bis 1970 von erheblicher Diskriminierung geprägt.
§ 1589 BGB
(2) Ein uneheliches Kind und dessen Vater gelten nicht als verwandt.
Beispiel 4: Das "Kranzgeld". Bis 1998 hatte die Verlobte einen Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens, wenn sie mit ihrem Verlobten vor der Ehe geschafen hatte und die Verlobung dann aufgelöst wurde:
§ 1300 BGB
(1) Hat eine unbescholtene Verlobte ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet, so kann sie, wenn die Voraussetzungen des § 1298 oder des § 1299 vorliegen, auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen.
Erst 1998 hat man diese Norm als den Umständen unangemessen abgeschafft.
Wie klar zu erkennen ist, hat sich die Rechtslage in vielen Fällen drastisch verändert. Insbesondere musste der Gesetzgeber regelmäßig Korrekturen vornehmen, wo sich gesetzliche Regelungen mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbaren lassen. Die "gesellschaftlichen Parameter" der BRD - wie Du das bezeichnest, unterliegen also stetigem Wandel. Das gilt auch für den aktuellen "Ist-Zustand". Dabei sind aber die oben genannten Regelungen ex post betrachtet auch schon zur Zeit ihrer Geltung inakzeptabel und ungerecht gewesen.
SUPERVISOR1982 schrieb:es ist tatsache das sich Inzest nicht gesellschaftsfähig überall einbürgern kann, eben weil die mehrheit dagegen ist.
Dass eine Mehrheit Inzest ablehnt, ist kein hinreichendes Argument für die Strafbarkeit desselben. Das Strafrecht ist die ultima ratio des Rechtsstaates. Auf sie darf nur zurückgegriffen werden, um entsprechend wichtige Rechtsgüter des Staates oder einzelner Individuen zu schützen. Wie bereits mehrfach dargelegt, fehlt es aber an einem Schaden, den ein solches Verbot abwenden könnte. Allgemeine Wert- und Moralvorstellungen sind nicht geeignet, ein strafbewejrtes Verbot zu begründen.
SUPERVISOR1982 schrieb:mit abstrusen konstellationen meinte ich, das nicht irgendein familienmitglied das als ansatz sieht, in irgendeiner weise abtrünnige phantasien zu entwickeln, um darin jemand zu bestärken. Damit könnte ein weg geebnet werden, der jeder kranken perversion verholfen werden könnte.
Da müsstest Du noch konkreter werden. Welche ganz konkrete Fantasie könnte bestärkt werden? Was sind kranke Perversionen? Inwiefern wäre es notwendig diese als solche zu verhindern?
@Dr.ThraxDr.Thrax schrieb:Ich will meine Argumentationskette noch einmal darlegen - wenngleich ich natürlich weiß, dass meine Hypothese auf lauter ungestützten Annahmen beruht.
Das ist dann ein wenig brauchbarer Ansatz, um ein Hypothese argumentativ zu stützen.
Dr.Thrax schrieb:Weiterhin war der Genpool des Adels über Jahrhunderte (?) hinweg isoliert, und die sich häufenden Erbkrankheiten weisen abermals darauf hin, dass genetische Merkmale dieser Gruppe sich von denjenigen des Bürgertums unterschieden.
Das ist unzutreffend. Der Genpool "des Adels" war keinesfalls über Jahrhunderte isoliert. Zunächst einmal: "Den Adel" gab es nicht. "Der Adel" als Stand war eine in Europa sehr heterogene Gruppe von Familien, die zwar eine eher geringe soziale Mobilität aufwies, aber über die Möglichkeit auch an bürgerliche Adelstitel zu vergeben (Briefadel, Amtsadel) diese strengen Grenzen zunehmend aufweichte. Ferner gilt es zu bedenken, dass gerade der Hochadel geographisch höchst mobil war. Das erlaubte auch Ehepartner in fernen Ländern zu suchen. Der lokale Adel war hier eher auf die örtlich verfügbaren Adligen zur Heirat angewiesen. Entscheidend aber auch hier wieder: Das katholische Kirchenrecht verbot die Ehe zwischen nahen Verwandten. Der Dispens wurde hier in der Regel nur für Hochadlige erteilt.
Wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Themenkomplex haben ergeben, dass erstens Inzucht in adligen Familien weitaus weniger verbreitet war, als das bisher angenommen wird. Zweitens hat es auch schon eine ganz neue Untersuchung eines Genetikers gegeben, der festgestellt hat, dass selbst bei Inzucht die hohe Säuglingssterblichkeitsrate hier dazu geführt hat, dass sich auch innerhalb inzestuöser Verbindungen mehrheitlich die "gesunden" Nachkommen durchsetzen konnten. Drittens hat es diesen Inzest auch und gerade im besitzenden Bürgertum gegeben.
Dr.Thrax schrieb:Es bildeten sich also durchaus verschiedene genetisch voneinander abgrenzbare Populationen. Und letzten Endes kam es dazu, dass die eine der anderen weitestgehend ihre Macht raubte - zum Teil sehr martialisch. Also ich finde daran jetzt nichts, was nicht plausibel darauf hinweist, dass die eine Gruppe, welche sich genetisch von der anderen offensichtlich unterschied, eben jene verdrängen konnte.
Selbst wenn man Deine nicht gesicherten Annahmen als wahr unterstellen würde, ist Korrelation nicht gleichbedeutend mit Kausalität. Es fehlt nach wie vor der Nachweis, dass "der Adel" diese Auseinandersetzung verlor, weil er genetisch dem Bürgertum unterlegen war. Und das ist - angesichts der Tatsache dass auch noch heute adlige Familien beträchtlichen Einfluss haben und sich ihre Pfründe erhalten konnten (Europäische Königshäuser, insbesondere aber der britische Adel) - eben etwas, was es nachzuweisen gilt. Dieser Nachweis ist allerdings angesichts der zahlreichen nachvollziehbaren Gründe für die einzelnen Revolutionen und deren Erfolg, die die Geschichtswissenschaften anbieten können, meines Erachtens nicht zu erbringen, uns ist jedenfalls mit Deinen "Ungestützten Annahmen" nicht erbracht.
@praiseway@SUPERVISOR1982Die Entscheidung des BVerfG wird - zurecht - in der Rechtswissenschaft heftig kritisiert. Nicht zuletzt der ehemalige Vizepräsident und Richter am BVerfG Hassemer hat hierzu eine ganz hervorragende Stellungnahme verfasst. Der Schutz von Ehe und Familie wird erstens durch die Norm nicht gewährleistet, weil der Analsex nicht verboten ist und darüber hinaus auch der Ehebruch nicht (mehr) unter Strafe steht, der doch aber sicherlich einen nicht minder gravierenden negativen Einfluss auf die Ehe und Familie hat, als der Inzest zwischen zwei erwachsenen Geschwistern. Darüber hinaus erfasst das Inzestverbot auch Fälle, in denen die Ehe und Familie gar nicht berührt wird, zB wenn sich zwei erwachsene Geschwister oder auch Mutter und Sohn erst nach Jahrzehnten kennenlernen (Kind wurde als Säugling zur Adoption frei gegeben). Darüßber hinaus ist der Schutz von Ehe und Familie im Verhältnis zu dem Persönlichkeitsrecht erwachsener Individuen nicht in der Lage, einen derart tiefgreifenden strafrechtlichen Eingtriff zu rechtfertigen.