Mitarbeiter in Werbeagenturen haben ein niedriges Ansehen: Warum?
27.10.2011 um 01:00
Diesem System der Werber kann man sich nicht entziehen. Ich fing mein Studium mit dem Ziel an in der Werbebranche tätig zu sein, werde mich beruflich aber in eine andere Richtung entwickeln. Nicht dass ich so dogmatisch wäre, und die Werbewelt als Hure Babylons betrachte, aber mir fehlt einfach der Impetus ein Produkt das scheisse ist, als Gold zu verkaufen. Und man kann sich das nunmal leider nicht aussuchen.
Eine Werbung von Knorr begleitet einen das ganze Leben. Werber unterscheiden dabei glaube ich zwischen Imagebildender/ bzw. Image-erhaltender Werbung und den Marketingmaßnahmen wenn zB. neue Produkte der Dachmarke erscheinen. Neben den Print Tv und Internetkampagnen sowie Viral Marketing , Productplacing in Filmen, Büchern und Spielen gibt es einen Haufen von Preisstrategien in den Eshops, Kaufhäusern und Supermärkten, die es fast schon unlogisch erscheinen lassen das Produkt nicht zu kaufen. Man geht in alle Lebensbereiche rein. Die Marke wirkt im Hintergrund, lebensbegleitend, dann ist sie wieder radikal und will deine volle Aufmerksamkeit.
Doors hat aber da ganz schön nuanciert, finde ich. Die Werbebranche ist ein weites Feld, genauso undifferenziert wie "die Medien". Allein schon B2B und B2C unterscheiden sich um Welten. Auch liegt die Reichweite der meisten Agenturen doch eher im Regionalen Bereich, sie füttern größere Unternehmen mit Material für Kampagnen die größere Agenturen entworfen haben, ein bisschen was im kulturellen Bereich, Autohäuser, Drogerie und Supermarkt und Kaufhausketten. Die großen wie Jung von Maat, Metadesign allerdings prägen das was wir Realität nennen entscheidend mit. Die sind Kraken, operieren auf höchster Ebene und bilden wirklich das aus, was für die meisten Bürger Alltagsrealität bedeutet.
Dazu einen schönen Schriftwechsel zwischen der Agentur Jung von Maat und Judith Holofernes von Wir sind Helden..
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DIE ANFRAGE
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind als Werbeagentur mit der aktuellen BILD-Kampagne betraut, in der wir hochkarätigen Prominenten eine Bühne bieten, ihre offene, ehrliche und ungeschönte Meinung zur BILD mitzuteilen.
Derzeit planen wir die nächste Produktionsphase für Frühjahr 2011. Die neu zu produzierenden TV- und Kinospots sowie Plakat- und Anzeigenmotive sollen die bestehenden Motive von Veronica Ferres, Thomas Gottschalk, Philipp Lahm, Richard von Weizsäcker, Mario Barth u.v.m. ergänzen.
Für diese Fortführung der Kampagne möchten wir sehr gern “Wir sind Helden” gewinnen.
Das schöne an der Kampagne ist, dass sie einem guten Zweck zu Gute kommt. BILD spendet in Namen jedes Prominenten 10.000,- Euro an einen von Ihnen zu bestimmenden Zweck.
Lassen Sie uns gern telefonieren und die Details besprechen. Zur Detailinformation senden wir Ihnen bereits heute anbei einige weiterführende Informationen.
Ich freue mich dazu von Ihnen zu hören.
Herzliche Grüße aus Hamburg,
Jung von Matt/Alster Werbeagentur GmbH
DIE ANTWORT
Liebe Werbeagentur Jung von Matt,
bzgl. Eurer Anfrage, ob wir bei der aktuellen Bild -Kampagne mitmachen wollen:
Ich glaub, es hackt.
Die laufende Plakat -Aktion der Bild -Zeitung mit sogenannten Testimonials, also irgendwelchem kommentierendem Geseiere (Auch kritischem! Hört, hört!) von sogenannten Prominenten (auch Kritischen! Oho!) ist das Perfideste, was mir seit langer Zeit untergekommen ist. Will heißen: nach Euren Maßstäben sicher eine gelungene Aktion.
Selten hat eine Werbekampagne so geschickt mit der Dummheit auf allen Seiten gespielt. Da sind auf der einen Seite die Promis, die sich denken: Hmm, die Bildzeitung, mal ehrlich, das lesen schon wahnsinnig viele Leute, das wär schon schick… Aber irgendwie geht das eigentlich nicht, ne, weil ist ja irgendwie unter meinem Niveau/ evil/ zu sichtbar berechnend… Und dann kommt ihr, liebe Agentur, und baut diesen armen gespaltenen Prominenten eine Brücke, eine wackelige, glitschige, aber hey, was soll´s, auf der anderen Seite liegt, sagen wir mal, eine Tüte Gummibärchen. Ihr sagt jenen Promis: wisst ihr was, ihr kriegt einfach kein Geld! Wir spenden einfach ein bisschen Kohle in eurem Namen, dann passt das schon, weil, wer spendet, der kann kein Ego haben, verstehste? Und außerdem, pass auf, jetzt kommt´s: ihr könnt sagen, WAS IHR WOLLT!
Und dann denken sich diese Promis, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, irgendeine pseudo -distanziertes Gewäsch aus, irgendwas “total Spitzfindiges”, oder Clever- Unverbindliches, oder Überhebliches, oder… Und glauben, so kämen sie aus der Nummer raus, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Und haben trotzdem unheimlich viele saudumme Menschen erreicht! Hurra.
Auf der anderen Seite, das erklärt sich von selbst, der Rezipient, der saudumme, der sich denkt: Mensch, diese Bild -Zeitung, die traut sich was.
Und, die dritte Seite: Ihr, liebe jungdynamische Menschen, die ihr, zumindest in einem sehr spezialisierten Teil eures Gehirns, genau wisst, was ihr tut. Außer vielleicht, wenn ihr auf die Idee kommt, “Wir sind Helden” für die Kampagne anzufragen, weil, mal ehrlich, das wäre doch total lustig, wenn ausgerechnet die…
Das Problem dabei: ich hab wahrscheinlich mit der Hälfte von euch studiert, und ich weiß, dass ihr im ersten Semester lernt, dass das Medium die Botschaft ist. Oder, noch mal anders gesagt, dass es kein “Gutes im Schlechten” gibt. Das heißt: ich weiß, dass ihr wisst, und ich weiß, dass ihr drauf scheißt.
Die BILD -Zeitung ist kein augenzwinkernd zu betrachtendes Trash -Kulturgut und kein harmloses “Guilty Pleasure” für wohlfrisierte Aufstreber, keine witzige soziale Referenz und kein Lifestyle -Zitat. Und schon gar nicht ist die Bild -Zeitung das, als was ihr sie verkaufen wollt: Hassgeliebtes, aber weitestgehend harmloses Inventar eines eigentlich viel schlaueren Deutschlands.
Die Bildzeitung ist ein gefährliches politisches Instrument – nicht nur ein stark vergrößerndes Fernrohr in den Abgrund, sondern ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt, sondern macht. Mit einer Agenda.
In der Gefahr, dass ich mich wiederhole: ich glaub es hackt.
Mit höflichen Grüßen,
Judith Holofernes