@MaffWow, finde ich das cool über sowas zu erzählen, weil das mein Leben voll beeinflusst hat.
Meine Mutter war zur Zeit meiner Geburt in Untermiete bei einer älteren Frau. Das wurde dann meine Pflegemutter, als meine Mutter in die Schweiz abgehauen ist.
Diese Frau war zur Zeit meiner Geburt 62 Jahre alt. Also 1903 geboren und hat 2. Weltkriege mitgemacht. Sie hat sogar unserem Kaiser die Hand geben dürfen, als kleines Kind. Ihr Vater war Waffenschmiedmeister und im 1. Weltkrieg hat ihre Familie den Russen geholfen und sie versteckt. Die haben dafür am Feld gearbeitet. 12 Kinder waren die zu Hause und meine Pflegemutter war sehr unkonventionell. Über Haschisch sagte sie, ach das ist doch nur Hanf, mein Vater hat das angebaut, weil er sich keinen Tabak leisten konnte. Man kann gut schlafen davon. Sie war nach dem 1. Weltkrieg in Wien Stubenmädchen bei Huber Wäsche und war auch mal in einer Opiumhöhle.
Im 2. Weltkrieg half sie den Juden und allen anderen Menschen, wo und wie sie nur konnte. Sie war so klar und rein in ihrem Herzen und hatte 6 Kinder verloren. Unglaublich.
Ich wuchs auf mit Kartenlegen und Geschichten vom Krieg in einem Haus voller Pensionisten. Darum hab ich einen Sammeltick und hebe alles auf für schlechte Zeiten. Das hab ich immer gehört. Falls noch ein Krieg kommt. Sie wollte immer die Zukunft sehen und wissen was passiert, vermutlich um vorbereitet zu sein. Ein gepackter Koffer mit allem drum und dran zum flüchten, stand immer bereit. Man weiß ja nie. Das hab ich auch übernommen und passt zum Zelt in meinem Auto.
Auch meine unkonventionelle politische Einstellung zu allen Religionen und Nationen, hab ich übernommen. Der Herrgott weiß alles, hat sie gesagt. Bei uns gab es auch wirklich viele Bettler an der Tür und jeder hat was gekriegt, auch wenn wir selbst kaum was hatten. Im Winter war oft so kalt, daß auf meinem Haar Rauhreif war und die Decke an der Mauer festgefroren. Aber wir waren voll glücklich, nur wenn meine Mutter Streit machte war es doof.
Meine Mutter 1927 geboren ist nach dem Krieg das 1 mal abgehauen. Nach Italien, da war sie ganz jung. Ihr war alles egal. Hauptsache sie hatte zu essen und ihren Spaß. Ganz anders als meine Pflegemutter, die wirklich lieb zu ihr war und sie verstanden hatte. Meine Mutter war vom Krieg eben geschädigt, wurde vergewaltigt von einem Soldaten und hat ihr Leben erst sehr spät auf die Reihe gekriegt.
All das hat mich geprägt. Ich wollte als Kind auch einen Stern tragen, weil mir die Menschen aus den Erzählungen so leid taten. Meine Pflegemutter erzählte von wunderschöenen jüdischen Mädchen mit langem schwaren Haar und man hatte ihnen die Zöpfe abgeschnitten und die Möbel auf die Straße geworfen. Davon hatte ich Träume und ich vergesse es nie. Alles wollte ich über die Sternmenschen lernen und hab es auch getan.
Das ist wirklich ein sehr kluger Thread und ich weiß, wie prägend solche Erzählungen sind. Sie bilden einen Teil im Herzen und je nach dem welche Geschichten man als Kind hört, zumindest war es bei mir so, so entwickelt sich die Einstellung. Meine Mutter na ja, ich hab ihr verziehen. Auch den Heimaufenthalt, der bei einem solchen Kind wie mir automatisch folgen mußte.
...und die Männer, die gab es nicht wirklich. Es war eine Frauenwelt.
;)