@Heide_witzkaEs geht nicht um Beine und Knopfaugen.
Es geht vor allem nicht darum, Pflanzen schlecht zu machen oder abzuwerten.
Es geht um den Unterschied zwischen empfindenden Tieren und Pflanzen.
@shionoro bringt ein nun wirklich erstklassiges Beispiel, dass es um den Unterschied geht:
@shionoro schrieb:
Genausogut könnte ich sagen, Fluor ist ein so böses, zorngies element, dass es alle anderen Elemente umbringen will wenn es allein gelassen wird, weil es sich in Einsamkeit radikalisiert und verbittert einen Amoklauf startet.
Du gibst dir bemerkenswert viel Mühe mit deinen Argumenten, aber am Ende ist es genau das, was shionoro am Beispiel des Fluor beschreibt.
Ich hoffe wirklich, dass du Pflanzen auch so wertschätzt und wie Kostbarkeiten behandelst
Sie haben es verdient….ich versuch’s noch einmal.
Dein Beitrag ist mir bekannt…de facto gibt es da noch andere bemerkenswerte Reaktionen…bis hin zu Wurzelkommunikation quer durch die ganze Wiese, wenn Schädlinge auftauchen.
Und doch sehe ich den Unterschied…Aktion, Reaktion…also, ja, Pflanzen nehmen ihre Umwelt „wahr“ – aber empfinden sie Schmerz?
Aus meiner Sicht ist, ob Pflanzen in irgendeiner Weise etwas fühlen, in einer ethisch-moralischen Diskussion die falsche Frage. Es kommt darauf an, ob sie SCHMERZEN empfinden wie Tiere und Menschen. Selbstverständlich nehmen Pflanzen ihre Umwelt wahr, mit der sie als stationäre Wesen noch sehr viel verbundener sind als Tiere und Menschen. Licht, Wasser, Wind, Schwerkraft, chemische Absonderungen anderer Pflanzen unter und über der Erde – die Pflanze “kommuniziert” mit ihrer Umwelt und entwickelt sich bei günstigen Bedingungen prächtig, in Mangelsituationen dümpelt sie dahin oder stirbt ab.
Aber empfindet sie auch Schmerz? Woher will man das wissen?
Klar, wir können uns nicht versuchsweise “in die Pflanze hinein versetzen”, sondern sind für die Beurteilung dieser Frage auf rationales Wissen angewiesen. Als Pflanzenfreunde und Naturliebhaber rufen wir ja auch unsere Intuition zum Zeugen an: im aufmerksamen Umgang mit Pflanzen stellt sich Liebe, Wertschätzung, ja Bewunderung ein: wir sorgen für gute Bedingungen, pflegen und hegen die Pflanze, sprechen vielleicht innerlich mit ihr – von da aus ist es dann nur ein kleiner, oft unbemerkter Schritt, die Pflanze als “Geistwesen” zu vermenschlichen.
Obwohl mir dieses Empfinden als langjährige naturnahe Gärtnerin nicht fremd ist, halte ich es doch für falsch, von einem Schmerzempfinden ähnlich unserem auszugehen. Denn die Logik und der Blick auf die evolutionäre Entwicklung steht dagegen: Schmerz ist ein Alarmsignal, vermittelt über ein zentrales Nervensystem, das Pflanzen so nicht haben. Es hat den einzigen Sinn, dem Wesen zu signalisieren: da stimmt etwas nicht, tu was dagegen! Halte deine Finger vom Feuer fern, halt dich aus der Brombeerhecke ‘raus – und bei innerlichen Schmerzen sollten wir mal schauen, was wir so essen und trinken, bzw. evtl. einen Arzt aufsuchen.
Wir Menschen (und auch die meisten Tiere) haben im Unterschied zur Pflanze die Möglichkeit, uns von hier nach da zu bewegen. Wir können wählen, wohin wir gehen, was wir essen und trinken, wir können handeln und entscheiden, was wir tun oder lieber lassen. Für so ein Wesen ist SCHMERZ eine ungemein sinnvolle Orientierung. Welchen Sinn aber sollte Schmerz für ein statisches Wesen haben, das nicht die Wahl hat, an seiner Lage irgendetwas zu ändern? Derlei Überflüssigkeiten entwickelt die Evolution nach allem, was wir wissen, nicht. Deshalb gehe ich nicht davon aus, dass die Pflanze Schmerz erlebt, wenn ich sie beernte oder mähe.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Frage nach dem Bewusstsein von Pflanzen: aus meiner Sicht und “Gärtnerinnen-Intuition” haben sie ein Bewusstsein, da sie ihre Umwelt wahrnehmen. Allerdings ist dies kein individuelles Bewusstsein: da ist kein “Ich”, das Angst hat, zu sterben, das auf ein persönliches Leben zurück und in eine ungewisse Zukunft voraus schaut. Es gibt nur das Empfinden des Augenblicks und Reaktionen darauf, ohne “jemanden”, der das erlebt. Die Geschichte eines Baumes ist zwar in seine Physis in Gestalt der “Jahresringe” eingeschrieben, doch ist er sich seines Alters nicht in unserem Sinne “bewusst”. Dass eine Pflanze Wurzeln einer anderen Art per Chemie als “nicht-eigene” erkennt, steht dem nicht entgegen.
Dies alles bedenkend, sehe ich kein ethisch verwerfliches Verhalten darin, sich von Pflanzen zu ernähren – mal davon abgesehen, dass wir keine Wahl haben. Zwar tut es mir leid, wenn eine Pflanze nicht gut wächst oder gar eingeht, die ich im Garten ansiedeln wollte, doch ist dies dann eine Folge der Gesamtumstände: die Bodensituation und das Klima haben eben nicht gepasst. Wächst sie aber gut, sogar so gut, dass ich etwas Essbares von ihr ernten kann, sehe ich das als Erfolg.
Meine persönliche Intuition im Umgang mit den Pflanzen erlebe ich nicht vornehmlich als Individuen, sondern viel mehr als Art, als “Gattungswesen”. Auf einer Brache siedeln sich bestimmte Arten an, die wieder verschwinden, wenn der Boden nährstoffreicher wird. Gewisse Pflanzen sind derart dominant, dass sie andere verdrängen – aber die meisten Pflanzenarten verdrängt der Mensch durch seine Versiegelungswut und die profitorientierten Machenschaften der Saatgut-Konzerne wie Monsanto & Co.
Ethik in Bezug auf Pflanzen ist für mich also der Kampf um die Artenvielfalt – sowohl im eigenen Garten, wo ich mich vielleicht mit Nachbarn über naturnahes Gärtnern auseinandersetze und unseren hohen Anteil an Wildkräutern verteidige, als auch im politischen Sektor, in dem es darum geht, die konzernfreundlichen Verregelungen in Sachen Anbau und Vertrieb “alter Sorten” zu bekämpfen.
Eine vegane Ernährung passt da sehr gut dazu, denn das bewusste Bemühen um genug gesunde Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe in der Pflanzennahrung führt fast automatisch hin zu diesem politischen Kampf um die Erhaltung der Artenvielfalt.
Ich esse Pflanzen also ohne schlechtes Gewissen. Wohl aber mit dem Gefühl der Dankbarkeit, dass es so wunderbare Gewächse gibt!