@RoseHunter In der Willensfreiheitsdebatte ist es wie in anderen philosophischen Diskussionen auch. Es gibt verschiedene Positionen, für und gegen die unterschiedliche Argumente sprechen. Im Folgenden sollen deshalb die Hauptfragen und Positionen zum Problem der Willensfreiheit dargestellt und die wichtigsten Argumente analysiert werden, die für und gegen diese Positionen vorgetragen worden sind. Das soll möglichst neutral geschehen. Aber natürlich ist nicht zu verhehlen, dass der Text von einem Anhänger des Kompatibilismus verfasst wurde.
Von vorne rein stellt schon mal der Einleitungssatz ein Problem dar.
Der Autor behauptet er versuche möglichst neutral über die verschiedenen Sichtweisen zu informieren. Das macht der Autor aber gar nicht. Der aussagekräftigste und längst Abschnitt ist über Kompatibilismus. Die anderen Abschnitte werden dem Kompatibilismus untergeordnet, um den Kompatibilismus zu bekräftigen.
Vor einer möglichen Tendenz des Autors zu einer bestimmten Sichtweise, wird in der Einleitung gewarnt. Klingt also auf den ersten Blick fair.
Auf den zweiten Blick wirkt die es so, als ob die Textstelle gar nicht als Warnung, sondern eher als Ablenkung gedacht war. Eine Ablenkung, um vom waren Ziel des Autors abzulenken. Das Ziel des Autors ist meiner Ansicht nach Kompatibilismus gegenüber den anderen Sichtweisen zu verteidigen und zu stärken.
An sich ist es auch nicht verwerflich, wenn jemand seine Sichtweise schildert und die Stärken hervorhebt.
Verwerflich wird das es dann, wenn jemand das unter dem Deckmantel der Objektivität tun möchte, was meiner Meinung der Autor getan hat.
Ja er erwähnt die anderen Sichtweisen, allerdings nur in so fern, dass er diese dann dem Kompatibilismus unterordnet und deformiert.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich den Eindruck gewonnen habe, dass der Autor nie vorhatte eine Objektive Stellungsnahme zu den verschiedenen Sichtweisen zu präsentieren. Er wollt eher die Vorzüge des Kompabilismus aufzeigen und dabei so tun, als tue er es objektiv und neutral.
Welche Wahl getroffen wird, muss entscheidend von der Person selbst abhängen. (Urheberschaftsbedingung)
Wie die Person handelt oder entscheidet, muss ihrer Kontrolle unterliegen. Diese Kontrolle darf nicht durch Zwang ausgeschlossen sein. (Kontrollbedingung)
Ich verstehe nicht ganz wo der Unterschied zwischen den beiden Punkten ist.
Wenn ich bei meiner Entscheidung "kontrolliert" wurde, dann bin ich auch nicht der Urheber. Wenn ich nicht der Urheber bin, muss jemand oder etwas anderes der Urheber sein. Also muss jemand mich kontrolliert haben, damit ich diese Entscheidung treffe.
Wenn nicht andere Umstände festlegen, wie ich mich entscheide, sondern ich selbst diese Entscheidung herbeiführe, muss ich selbst offenbar ein Wesen sein, Die Auffassung, dass handelnde und entscheidende Personen nicht Teil der natürlichen Welt sind, sondern von außen in diese Welt eingreifen, ist aber mit allem unvereinbar, was uns die Naturwissenschaften über die Welt sagen.
das außerhalb des normalen Weltverlaufs steht und in der Lage ist, von außen in diesen Weltverlauf einzugreifen.
Ist man ja eigentlich auch. Jeder Mensch, mehr oder weniger, ist in der Lage sich in andere Menschen hineinzuversetzen (Empathie). Es reicht also aus, dass ein Mensch sich selbst von außen betrachten kann. Er muss nicht zwingend in der Lage sein das ganz Universum, als solches, zu betrachten.
nicht Teil der natürlichen Welt sind, sondern von außen in diese Welt eingreifen
Das ist weder notwendig noch hinreichend dafür, dass man selbst seine Entscheidungen festlegt. Wichtig ist, dass man in der Lage sein muss, seine Position mit einem gewissen Abstand zu betrachten, was wir ja tun können (siehe oben → Empathie)
sondern von außen in diese Welt eingreifen, ist aber mit allem unvereinbar, was uns die Naturwissenschaften über die Welt sagen.
Wenn der Autor schon mit Naturwissenschaften kommt; In der Physik ist üblich bestimmte Gebiet, aproximiert, als abgeschlossen zu betrachten.
Nehmen wir einen Himmelskörper, der in den Unendlichkeiten des Alls ruht, weit weg von irgendwelchen Einflüssen. Das System, also der Himmelkörper, kann als abgeschlossen behandelt werden. Dieses System kann eine Person von außen betrachten, sogar, oder gerade dann, wenn diese Person auf dem Himmelskörper selbst ist.
Normalerweise sind Ursachen und Wirkungen Ereignisse. Mit dem Satz "Die Scheibe zerbrach, weil sie von einem Stein getroffen wurde" führen anderes Ereignis zurück (darauf, dass die Scheibe von einem Stein getroffen wurde). Ursachen sind Ereignisse, die andere Ereignisse – ihre Wirkungen – mit naturgesetzlicher Notwendigkeit zur Folge haben.
Ja so weit stimmt das.
Wenn ich einen Stein auf eine Scheibe werfe, dann erreicht der Stein die Scheibe, wenn er natürlich weit genug geworfen wurde, wegen der Naturgesetze.
Der Stein trifft die Scheibe, ist eine Notwendige Bedingung für das zerbrechen der Scheibe, jedoch keine hinreichend. Es kommt darauf an welches Glas verwendet wurde, welche Geschwindigkeit der Stein hat etc. (dieser Faktor hängt jedoch zum größten Teil von dem Menschen ab). Und noch viel wichtiger ist, dass der Mensch sich entscheiden muss den Stein zu werfen (dazu später mehr).
Und es gibt noch eine weitere Sache, die angesprochen werden muss .
Der Autor schreibt, dass die Folgen von naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten festgelegt sind. Klingt plausibel. Wie schnell der Stein fliegt, wie weit er fliegt etc. hängt im Endeffekt von zahlreichen Gesetzmäßigkeiten ab (Beschleunigung, Reibung, Entfernung etc.)
Was ist aber mit dem Wurf an sich?
Welche Gesetzmäßigkeit zwingt mich den Stein zu werfen?
Damit ich einen Stein werfen kann, muss ich erst einen Stein in die Hand nehmen. Allerdings, da wirst mir Recht geben, wirft man den Stein nicht automatisch.
Also muss man sich dazu bewusst entscheiden. Man könnte versuchen dieses Entscheiden auf Erfahrungen etc. zurück zu führen versuchen und somit dem Werfen des Steins eine noch weiter zurückliegende Ursache vorzusetzen. Allerdings sind nicht alle Erfahrungen und Gründe, für eine Tat, gleich relevant.
Die Relevanz dieser Erfahrungen, also quasi ihre Wertung, haben wir selbst vorgenommen oder zumindest haben uns entschlossen die Wertung anderer zu übernehmen (bei der freiwilligen Übernahme von Wertungen ist sogar egal, welche Ereignisse zum Entstehen dieser Wertung geführt haben, denn wir haben diese Ereignisse nicht direkt erfahren. Somit lässt sich die Entscheidung auf endlich viele von uns selbst "ausgeführte" Ursachen zurückführen.
Man könnte hier auch wieder erwidern, dass die Wertungskriterien auch wieder auf Erfahrungen/Ursachen aus der Vergangenheit beruhen.
Hier muss man allerdings darauf achten, dass solche Wertungskriterien meistens ziemlich allgemein gehalten sind. Warum?
Wären die Entscheidungen komplett von außen festgeschrieben, wären die Entscheidung, die wir treffen auch nur auf eine sehr begrenzte Menge von Problemen anwendbar. Es ist aber der Sinn von Problemlösungsansätzen, dass sie auf ein möglichst breiten Spektrum von Problemen anwendbar sind. Das heißt wir müssen die Problemlösungsansätzen für das vorliegende Problem eventuell anpassen.
Abschließend kann man sagen, dass wir Entscheidungen treffen auf Grund von Erfahrungen und weiter liegenden Ursachen. Schlussendlich aber geben wir immer einen wichtigen Teil dazu, so dass bloße Ursachen aus der Vergangenheit nicht ausreichen, um Entscheidungen zu treffen. Es bedarf viel mehr einen eigenen Gedankengag, der uns eine Entscheidung nahelegt.
Apropos Akteurskausalität:
Was auch für Akteurskausalität spricht ist die Quantenphysik.
In der Quantenphysik ist so, dass die Experimente nicht nur von Anfagsbedinungen etc. abhängen, sondern auch davon, was der Physiker
beobachtet -> "Schrödingers Katze".
Des Weiteren steht die Quantenphysik in einem Widerspruch mit einer vollständig determinierten Welt.
George Edward Moore hat darauf hingewiesen, dass das Wort "können" neben dieser auch noch andere Bedeutungen hat – z.B. die, von der wir ausgehen, wenn wir einer Person eine Fähigkeit zuschreiben
Man interpretiert das Wort können, in der Bedingung für ein freies Handeln, einfach um. Von etwas tun können, also in Lage sein etwas tatsächlich zu tun, in eine hypothetische Fähigkeit etwas zu tun, auch wenn man es nie tun würde.
Problematisch wird es aber wenn man dieses Konstrukt weiter verfolgt:
Der Autor bringt in seinen Ausführungen ein Beispiel mit einem am Stuhl gefesselten Menschen, dem er dann die Fähigkeit aufzustehen abschreibt, weil er gefesselt ist.
Das Problem ist, in wie fern hat dieser gefesselte Mensch diese Fähigkeit verloren?
Ganz einfach, gar nicht.
Die Fähigkeit aufzustehen hat der Mensch nach wie vor, kann diese aber auf keinen Fall erfüllen, zumindest nicht, ohne seine Fesseln zu lösen.
Daraus würden dann folgen, dass die erste Bedingung für das freie Handeln immer erfüllt wäre, wenn man anstelle von etwas tun können, fähig etwas zu tun machen würde.
Der Autor hat es selbst treffend formuliert: Wenn ein Auto in der Garage steht und nicht fährt, dann hat es ja trotzdem die Fähigkeit 200 km/h zu fahren nicht verloren.
Daraus folgt dann, dass auch der gefesselte Mensch diese Fähigkeit nicht verloren hat. Ein gefesselter Mensch ist aber, trivialer Weise, nicht frei. Also ist der Ansatz über die Fähigkeit bereits im Ansatz nicht richtig.
Willensfreiheit nach Locke
Eine Person ist in einer Entscheidung frei, wenn sie erstens die Fähigkeit besitzt, vor der Entscheidung innezuhalten und zu überlegen, was zu tun richtig wäre, und wenn sie zweitens die Fähigkeit besitzt, dem Ergebnis dieser Überlegung gemäß zu entscheiden und zu handeln.
Dieses innehalten und überlegen stellt in meinen Augen eine von der Außenwelt losgelöste Aktion dar, die in einer eigenständigen Domäne funktioniert. Diese Domäne kann aber ohne ein Konstrukt wie die Akteurkausalität gar nicht existieren, meiner Meinung zumindest.
Sicher wird es nicht länger möglich sein, sich schuldig zu fühlen oder Reue zu empfinden
Ein kleines Stück aus dem Abschnitt über die Freiheitspessimisten.
Das zitierte stimmt so nicht. Der Knackpunkt ist, man muss sich nicht mehr schuldig fühlen, aber man kann es trotzdem tun.
Wenn ein Kind mit einer Spielzeug Waffe (und man ist nicht in der Lage zu unterscheiden, ob es eine echte oder Spielzeugpistole ist) auf einen zukommt und man das Kind tötet, wird man wohl als unschuldig angesehen, aber es besteht durchaus eine realistische Möglichkeit, dass man sich selbst trotzdem schuldig fühlt.