GranaPadano schrieb:Persönliche Freiheit macht meiner Ansicht nach vielen "Hirnschwurbel" (schönes Wort!), ist nicht nur Segen, sondern Fluch. Nicht jeder kann so viel Freiheit nutzen, benutzen und ertragen.
Das Problem ist ja eher, dass es sich um eine trügerische verdinglichte Freiheit handelt. Um mal passend zur Diskussion mit Postcrysis aus Adornos 'Beitrag zur Ideologienlehre' zu zitieren:
"Unwahr werden eigentliche Ideologien erst durch ihr Verhältnis zu der bestehenden Wirklichkeit. Sie können 'an sich' wahr sein, so wie die Ideen Freiheit, Menschlichkeit, Gerechtigkeit es sind, aber sie gebärden sich, als wären sie bereits realisiert."
postcrysis schrieb:Das Klassengefüge fällt - nur meine Sicht - stabil und totalitär aus, weil es dem Proletariat nicht auffällt (unter- bis unbewusstes Trieb- und Bedarfsmuster). Wenn das Klassenbewusstsein verloren geht, wird das Subjekt die Bedingungen, in die es hineingeworfen wird, nicht anrühren, nicht hinterfragen, sondern als gegeben hinnehmen und sich ihnen (von oben unterstützt mittels emotional positiv besetzter Konditionierung) unterwerfen, daher sogar verheiligen. Der Traum von Glanz, Gloria und "Elitärheit" wird beständig wach gehalten, sei es in Form von Positivismus, Konsumismus, Belohnung, Kampf oder materiell-ideellen Trends. Also nichts anderes als von unten her gesteuert, triebgesteuert, stammhirnbasiert, Erziehung zur Selbstsucht, Lähmung des Frontalhirns. Ungerechtigkeiten werden damit nicht nur irrelevant, sondern als notwendig definiert. Es wird eigentlich immer absurder, je mehr man sich reindenkt.
Das Problem mit dem 'Klassenbewusstsein' ist eben die, dass die Ambivalenz/Dialektik darin nicht erkannt wird und das ganze durch die falsche Vorstellung von einem wahren und unwahren Bewusstsein herrührt. Klassenbewusstsein ist imgrunde ebenfalls notwendig falsches Bewusstsein, da es demselben identifizierenden Denken entspringt. Stattdessen wäre es wichtig (wie im Absatz über diesem), die wahren und falschen Momente zu erkennen. Als Gegenkonzept taugt Klassenbewusstsein jedenfalls nicht.
postcrysis schrieb: Die Fokussiertheit auf staatliche Zwänge ist zu vereinfachend, stattdessen müssen Zwang, Macht und Freiheit umfängreicher behandelt werden, aber gleichzeitig auf einer Ebene, die nicht nur den kognitiv und empathisch Begabteren zugänglich ist.
Nur liegt hier genau das Dilemma. Ich sehe da momentan leider auch keine Lösung, die nicht Gefahr läuft, in das Gegenteil des Beabsichtigten umzuschlagen.
postcrysis schrieb:Trotzdem ist die Triebtheorie insgesamt unzureichend, denn es gibt bereits erweiterte Erklärungsmodelle, die auf psychoanalytischer Ebene komplexer ausfallen und daher realitätsgetreuer sein müssen. Die Triebtheorie selbst ist ein Produkt des Positivismus. Adorno und Fromm konnten das Paradigma des determinierten, in sich versteinerten Bioautomaten Mensch nicht vollends abschütteln. Es fehlt der Fokus auf das im Menschen angelegte, revolutionäre Element (es besteht genau wie seine Kehrseite aus qualitativen und annähernd quantitativ messbaren Eigenschaften).
Ja da gebe ich dir recht. Gerade Adornos Fixierung auf Triebtheorie ist imgrunde ein Bruch mit seiner ansonsten negativ gewonnen Anthropologie. Da dieser aber auch zur Überzeichnung (ähnlich der Satire) neigte, kann es unter anderem auch als Stilmittel verstanden werden.