Doors schrieb:Meine beiden Jüngsten gingen auf eine Gemeinschaftsschule, da reichte die Spannweite der Eltern vom Unternehmer bis zum ALG-II-Empfänger, vom Grossbauern bis zum Frührentner. Grob überschlagen an Hand der Namen der Telefonlisten kamen die Kinder oder ihre Vorfahren aus Deutschland, Dänemark, Türkei, Irak, Russland, Polen, Vietnam und ein paar, die ich ohne Hilfe nicht so rasch zuordnen kann. Das Taschengeld bei 15-Jährigen reichte von 0 bis "vielleicht 100 Euro in der Woche". Ich kannte Klassenkameraden meiner Kinder, die haben mal eben ein Pferd geschenkt bekommen. Andere teilten sich mit ihren Geschwistern ein Bett. In der Schule war glücklicherweise die gesamte Spannbreite einer Klassengesellschaft vertreten, vielleicht mit Ausnahme der Superreichen. Die sind dann eher auf Privatschulen. In der Schule gab es behinderte Kinder und solche, denen eine Behinderung fehlte, es gab Kinder von Geflüchteten, Zugezogenen und Ureinwohnern, von "heilen Familien", Alleinerziehenden und Patchwork- und Regenbogenfamilien. Das ist sozusagen das ganze pralle wahre Leben. Darin konnten und mussten sich meine Kinder einsortieren. Wir sorgten schon dafür, dass sie nicht übermütig und hochnäsig wurden.
Meine Kinder erlebten so glücklicherweise die unterschiedlichsten Kinder aus unterschiedlichsten Elternhäusern. Natürlich gab es, wie erwähnt in ihren Klassen die Kids, die sagen konnten "Papa hat mir zum Geburtstag ein Reitpferd geschenkt" - aber eben auch die, die im Winter in Turnschuhen durch den Schneematsch laufen mussten, weil die Eltern sich kein vernünftiges Schuhwerk für die Kinder leisten konnten. Wir hatten uns bewusst für diese Schulform und nicht für ein elitäres Gymnasium oder gar eine Privatschule entschieden. Kinder können gar nicht früh genug lernen, dass Einkommen oder Herkunft der Eltern, Geschlecht, Hautfarbe, Behinderung keine Kriterien für den Wert eines Menschen darstellen. Schliesslich werden sie später auch mit höchst unterschiedlichen Menschen zu tun haben.
Hier gibt es nur noch zwei Schulformen: Gymnasien und sogenannte Stadtteilschulen, die im Grunde "Haupt- und Realschulen" sind und teilweise die Möglichkeit bieten ebenfalls das Abitur nach 13 Jahren zu machen.
Die Oberstufe dann manchmal an einem anderen Standort.
Es sind aber eben nicht nur sämtliche Gesamtschulen zu Stadtteilschulen geworden, sondern eben auch die Hauptschulen und Realschulen.
Das, was du beschreibst, gibt es so durchmischt ehrlich gesagt nicht in Großstädten.
Vor allem eben nicht in den durchmischten, ärmeren Stadtteilen.
So hart es klingt, aber das, was früher die Hauptschulen mit ihrem Ruf waren, sind jetzt eben die Stadtteilschulen.
Auch, wenn sie die Möglichkeit bieten das Abitur nach 13 (statt auf dem Gym 12) Jahren zu absolvieren.
Die meisten Stadtteilschulen sind im Grunde Hauptschulen mit der Möglichkeit das Abitur zu machen.
Weiterhin lässt sich beobachten, dass alle Eltern, die sich einigermaßen um ihre Kinder sorgen oder
kümmern, die Kinder aufs Gymnasium schicken - Egal wie die Noten sind und egal ob die Lehrer davon
abraten.
Das soziale Klima/die Atmosphäre auf dem Gymnasium sinkt und die Stadtteilschulen bleiben die "Resteschulen"
für die Problemfälle. Und das sind eben verhaltensauffällige Schüler, Schüler aus schwierigen Verhältnissen,
überwiegend Migranten mit geringen Deutschkenntnissen, gewalttätige Schüler, Inklusionskinder usw.
(Außer bei den christlichen Stadtteilschulen oder eben den Waldorfschulen, aber die sind eben privat).
In einer typischen 10.Klasse Stadtteilschule (etwa 25 Schüler) hat man so etwa 4-5, die so gut sind, dass sie in die
Oberstufe wollen und könnten. Darunter oft Abgänger vom Gymnasium.
In der Klasse, die ich als Beispiel nehme, gibt es nur einen einzigen (!) Schüler, der nach der 10.Klasse abgeht
und eine normale Ausbildung mit dem mittleren Abschluss (für Realschule) macht.
Alle anderen werden den Abschluss nach der 10.Klasse nicht schaffen und haben somit "nur" den ersten Abschluss (Hauptschule).
Dementsprechend sind sie überfordert, langweilen sich oder stören und mobben andere Schüler.
Und das ist so die typische Verteilung eines normal situierten Stadtteils, nicht im Brennpunkt.
Da gibt es nämlich selten bis kaum einen Ausblick auf die Oberstufe.
Aber wo wir schon dabei sind: In den 10.Klassen auf dem Gymnasium hast du auch immer so
um die 10 Schüler pro Klasse, die nach der 10.Klasse mit einem Realschulabschluss abgehen.
Leider sind das auch die vorher falsch beschulten Kinder, die bis zur 10.Klasse oft den Unterricht
sabotieren, überfordert und gewalttätig sind (Ja, auch auf dem Gym) und andere mobben.
Das dünnt sich allerdings eben ab der 10.Klasse aus. Manchmal hat man auch in den 9.Klassen
Gymnasium auch so 1-2 die mit dem Hauptschulabschluss abgehen.
Ich selbst bin damals auf ein Gymnasium gegangen: In einem Stadtteil, der im Fernsehen
gerne als "Brennpunkt" bezeichnet wird und den lokale Möchtegern-Rappern als "Ghetto" bezeichnen.
Daran war so gar nichts "elitär". Gewalt, Mobbing. Schüler, die noch in der 10.Klasse Gym in der
kleinen Pause mit Stühlen und Tischen um sich geschmissen haben.
Wenigstens bekam man mit minimalem Aufwand eine gute Note in Deutsch: Weil es von 28 Schülern
nur so 8 Schüler*innen gab, deren Muttersprache auch Deutsch war.
Bei uns war bereits das Gymnasium vom Schulklima und der Atmosphäre bezogen auf die
Schülerschaft "hart".
Ich habe im Bildungssektor gearbeitet und kann nur sagen: Eine "Durchmischung" aller Schichten und Herkünfte,
so wie du es hier schilderst, ist in der heutigen Zeit in Großstädten so kaum möglich, wenn es kein Gymnasium
sein soll.
Das ist ja mein Punkt: Es gibt Kinder, für die ist ein Gymnasium nicht die richtige Schulform.
Trotzdem haben diese Kinder eine Schule mit einer aushaltbaren Schülerschaft verdient.