Aktive Sterbehilfe
10.10.2007 um 13:32
Ich möchte nun nicht gleich zu Anfang schon mit dem Sterben beginnen. Ich beginne einmal mit dem Leben. Wann beginnt eigentlich das menschliche Leben? Alleine an dieser Frage ersieht man schon, dass es darauf eigentlich keine eindeutige Antwort gibt. Für die einen beginnt menschliches Leben schon mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle, also mit der Befruchtung. Für die anderen ist das aber noch nichts anderes als ein unpersoneller Zellhaufen, ohne Identität. Wenn also schon die Frage: "Wann beginnt das menschliche Leben" nicht eindeutig beantwortet werden kann,- und wenn man es beantworten wollte, hätte man lediglich eine Antwort von vielen anderen möglichen Antworten,- wie will man dann die Frage beantworten: Wann beginnt eigentlich das Sterben? Wenn der betroffene bereits tot ist,- ist der Sterbevorgang abgschlossen, also schon vollzogen.
Zum Leben gehört irgendwie auch das Sterben dazu. Ebenso wie jeder Mensch ein Recht auf Leben hat, kann man auch fragen:Hat jeder Mensch auch ein Recht auf den Tod, ein Recht zu sterben? So banal diese Frage ersteinmal klingt,- sterben müssen wir ja alle einmal. Das wissen wir - geht es aber um die Frage des "menschenwürdigen Sterbens", um einen "menschenwürdigen Tod", oder um sogenanntes "humanes Sterben" ist es nicht mehr so banal, diese Frage zu stellen.
Ist der Tod und das Sterben nicht an sich schon menschen-unwürdig? Wenn wir aber nun einmal,- ob wir wollen oder nicht,- sterben müssen,- kann man nicht doch etwas dafür oder auch dagegen tun, das Sterben und den Tod möglichst human geschehen zu lassen, kann man "es" beeinflussen, vielleicht erleichtern für den Sterbenden? Ist die heutige Apparatemedizin vielleicht dabei sogar ein Hindernis,- welche den Sterbevorgang im Grunde nur künstlich verlängert? In wie weit kann und darf der Mensch in dieses Geschehen, das Sterben und den Tod eingreifen?
Sind unsere technisch-medizinischen Fortschritte eher ein Fluch oder ein Segen?Wir werden in der Regel heute immer älter, leben immer länger, sterben immer später. Die Alterspyramide steigt stetig an,- man muß sich heute die Frage stellen, wie die wenigen jungen Menschen aus den späteren Generationen die immer älter werdenden und immer mehr werdenden alten Menschen der früheren Generationen überhaupt noch versorgen können. Die Altersversorgung, die Rentenabsicherung ist heute mehr denn je ein politisches Thema geworden. Das alte System des Generationenvertrages funktioniert nicht mehr so recht.
Im weiteren sterben aber auch immer häufiger gerade junge Menschen durch zahlreiche Unfälle im Strassenverkehr, bei Unglücken, durch menschliches Versagen, durch Drogen oder Alkoholismus oder sie scheiden bewußt, verzweifelt, freiwillig und vorzeitig aus dem Leben und begehen den sogenannten Freitod, oder auch Selbstmord genannt.
Darf man tatenlos zusehen? Kann oder muß man letzteres nicht geradezu mit allen Mitteln versuchen zu verhindern? Oderinwieweit hat der Mensch auch das Recht auf den Tod? Hat der Mensch das Recht, seinen Todeszeitpunkt selbst zu bestimmen? Was spricht eigentlich dagegen, wenn jemand sagt: Es ist genug, ich will nicht mehr, lasst mich doch einfach gehen? Liegt ein alter, ohnehin dem Tode geweihter Mensch, zudem vielleicht noch durch jahrelange Krankheit und schweres Leiden gekennzeichneter Mensch auf dem Sterbebett und sagt: Ich will nicht mehr... lasst mich doch endlich sterben, mag man mitleid bekommen und sich fragen, was es für einen Sinn macht, ob es diesen Gott über Leben und Tod überhaupt gibt und warum er den Menschen so lange leiden lässt. Ist er zudem eigentlich nur noch dadurch am Leben, weil er an alle möglichen medizinischen Geräte angeschlossen ist,- ohne die er ansonsten schon längst in das Jenseits abgewandert wäre, falls es dieses Jenseits überhaupt gibt,- mag man sich erst recht fragen: Gibt das einen Sinn? Machen wir uns nicht selbst zu Göttern, die bestimmen, wann derMensch ableben, bzw. sterben darf? Steht uns das zu, so zu handeln? Aber ebenso kann man sich fragen: Würde ein naher Angehöriger oder eine Krankenschwester einfach die Stecker herausziehen,- ob dies nicht ebenso "Gott zu spielen" bedeutet? Wer hat das Recht dazu, Menschenleben um jeden Preis zu verlängern, selbst wenn der betroffene es selbst gar nicht mehr will? Oder wer hat das Recht, dieses künstlich verlängerte Leben oder Sterben zu beeinflussen, zu beschleunigen, zu verkürzen, zu beenden...?
Hier möchte ich als Beispiel, um die Problematik zu verdeutlichen, einen sehr populären Fall erwähnen, der damals sehr stark für Schlagzeilen sorgte und heiß diskutiert wurde, welcher sich im Jahre 1984 abspielte: An einem Mittwoch vor Ostern gab ein gewisser Prof. Julius Hackethal einer 69 jährigen Patientin in seiner Klinik am Chiemsee auf ihren Wunsch hin vier Gramm Zyankali, aufgelöst in einem Glas Wasser. Die Patientin trank das Gift und starb. Diese 69 jährige Fraulitt schwer an Krebs. Lippen, Wangen und Unterkiefer waren bereits zerstört. Sie konnte keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen und wog nur noch 90 Pfund. Sprechen konnte sie kaum noch, ihr rechtes Auge war bereits erblindet, am linken Auge war bereits das Augenlid zerstört. Dreizehn Operationen hatte jene Frau inzwischen hinter sich, dazu etliche Strahlen,- und Chemotherapien. Eine Heilung war nach Ansicht der Ärzte ausgeschlossen.
Diese Schwerkranke Frau bat immer wieder, ihr zum sterben zu verhelfen. Die Ärzte hatten dies aber allesamt abgelehnt, da diese Frau in ihren Augen zwar eine Schwerkranke, aber eben keine Sterbende war. Hackethal erfüllte ihr schließlich diesen Wunsch, um ihre unerträglichen Leiden abzukürzen. Auch hier kann man sich die Frage stellen: Durfte Herr Hackethal soetwas tun? Er tat dies mehr oder weniger aus humanen Gründen, er kannte seine Patientin, er wusste um ihren Aussichtslosen Zustand, und letztendlich war es der Wunsch dieser Patientingewesen, welcher Herrn Hackethal zu dieser Handlung bewog. Man kann hier rechtfertigen, dass die Frau unheilbar Krank war, dass ihr Leben nicht mehr lebenswert war. Man kann einwenden, die Patientin wollte es selbst so. Man kann humane Gesichtspunkte finden, die eine solche Handlung human betrachtet rechtfertigen. Man kann aber ebenso sagen: Das war eindeutig Tötung auf Verlangen,- und damit ist es zumindest gesetzlich eine strafbare Handlung. Oder es war eben Selbstmord,- denn Herr Hacketahl stellte ihr lediglich das Glas mit dem Gift auf den Nachttisch,- sie hätte es ja nicht trinken müssen. Aber sie bat ja geradezu darum, sie trank es, weil sie sich selbst ein Ende setzen wollte. Für Sie war das Leben abgeschlossen, Sie sah keinen Sinn mehr in diesem elenden herumvegetieren, sie sah keinen Wert mehr in ihrem Leben, wenn auch ihr Herz, ihr Kreislauf und ihre Lungen noch einwandfrei funktionierten. Ist das reine Funktionieren des menschlichen Organismus in seinenGrundfunktionen denn schon als Leben zu betrachten?
Fragen treten auf, wenn man sich mit Sterben und Tod beschäftigt. Man stößt auf Mauern des Schweigens, man stößt auf unklare gesetzliche Bestimmungen, was man darf und was letztlich eine strafbare Handlung ist. In einem Land ist etwas verboten, was in einem anderen Land erlaubt ist. Die Christen sagen: Gott allein ist Herr über Leben und Tod. Die Humanisten sagen: Der Mensch ist sein eigener Herr und soll selbst bestimmen dürfen wann er nicht mehr leben möchte. Ein Arzt befindet sich möglicherweise in einem Dilemma, wenn es um die Frage geht: Was muß ich tun,- und was darf ich nicht? Ein Arzt hat einen Eid abgelegt, den sogenannten Eid des Hypokrates, er ist verpflichtet Leben zu erhalten, zu heilen, wieder herzustellen, nicht Leben zu verkürzen oder zu vernichten.