Für wenn und warum arbeitet man überhaupt?
04.09.2006 um 21:51
Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt!
Gründe zum Arbeiten gibt es wahrscheinlich ebensoviele, wie diese zu verweigern. Fürdie, die nicht gern arbeiten möchten, stehen draussen vor der Tür 4,3 Mio. Menschen indiesem Lande, die es gern täten, zuzüglich einigen Millionen Menschen in Afrika, diebereits sind, ihr bisschen Geld und ihr Leben einzusetzen, um hier Arbeit zu bekommen.Zynisch gesagt: Wie wäre es denn mal mit Job-Sharing, liebe "Nicht-gern-ArbeiterInnen" -einfach mal in Afrika auf der faulen Haut (Lepra) liegen und dafür Bimbo aus Ghana denJob überlassen.
Ich persönlich arbeite gern, was an meinerpreussisch-protestantischen Sozialisation liegen mag, an meinen "übersteigertenLebensbedürfnissen" oder schlicht daran, dass ich so fantasielos bin, dass ich sonstnicht wüsste, was ich den ganzen Tag an den selben legen sollte.
Über dengesellschaftlichen Zweck haben sich schon Philosophen en masse ausgelassen. Wer mag, kannsich gern Friedrich Engels' "Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen" zu Gemüteführen.
Was ich an meiner Arbeit in einem Medienunternehmen schätze, ist in ersterLinie die Möglichkeit, meine Vorstellungen, Ziele, Pläne einzubringen und umzusetzen.Habe ich Erfolg, freut sich der Vorstand (und meine Tantieme), versage ich, gibt's haltStress, wie überall, wenn jemand Erwartungen nicht entspricht.
In zweiter Linieschätze ich, dass ich etwas bewegen kann, und damit meine ich nicht nur Geld, sondernauch Forschungsergebnisse, Meinungen, Trends, kurzum Veränderungen herbei führen kann.
In dritter Linie schätze ich den Kontakt mit Menschen, den mein Beruf mit sichbringt: KollegInnen, KundInnen, AutorInnen, GestalterInnen, ProducerInnen, kurzum:Menschen innerhalb und ausserhalb des Büros aus Wissenschaft und Praxis, hier und inaller Welt.
Geld folgt erst auf Platz vier, ist aber auch nicht zu verachten. Häuserwollen abbezahlt, Autos repariert, Kinder gebildet, Tiere gefüttert sein etc. pp.
Mit16 habe ich die Schule verlassen und bin arbeiten gegangen (Hamburger Hafen), weil ich,wie viele Linke, damals glaubte, unser Platz als "Speerspitze des Proletariats" sei ander Seite der Werktätigen, was man halt 1970 so geglaubt hat. Es war ein Knüppeljob, dermich viel über Menschen und ihre Belastbarkeit gelehrt hat. Eigentlich wollte ich, wiejeder "echte Hamburger Jung" zu See fahren, habe mich dann aber doch mangels Gelegenheithinter den Schreibtisch geflüchtet. Darüber hinaus habe ich in meiner "Freizeit"politisch gearbeitet, was durchaus auch eine ernstzunehmende Arbeit ist, z.B. mitunterpriviligierten Jugendlichen (Heimzöglinge, Rocker etc.) In dieser Zeit habe ich fürdiverse politische Zeitschriften aus Krisenregionen berichtet, Libanon, Nicaragua,Algerien, Nord-Irland etc. Nach erheblichen Gesundheitsschäden, die ich mir im Laufedieser Tätigkeit zuzog, habe ich, auch unter Berücksichtigung dessen, dass ich ab 1982allein erziehender Vater einer 1978 geborenen Tochter war, nach der Ermordung meiner Fraueinen ruhigeren und standorttreueren Job gesucht. Im Laufe des Kletterns auf derKarriereleiter wurde auch die materielle Situation angenehmer. Seit 1991 bin ich wiederverheiratet, meine Frau ist als selbständige Werbeagentur-Betreiberin europaweit aktiv.Beide kommen wir, je nach "Konjunktur" auf bis zu 60 Wochenstunden Arbeit. Darüber hinausgibt es auf einem uralten Resthof in der Norddeutschen Tiefebene, dort wo dieImmobilienpreise sinken, wenn der Meeresspiegel steigt, mit zwei kleinen Kindern, 20Schafen, einem Dutzend Katzen und allerlei anderem Getier immer ausreichend zu tun, umsich zu langweilen.
Manche/r mag es pervers finden, aber ich arbeite gern. Arbeitverschafft mir Befriedigung.