Wirklich 100% mit klarkommen tut man nie, weil man sich nicht 100% verstellen kann. Spätestens in Gemeinschaften verbreitet dann irgendwann mal einer Gerüchte dass man empathielos oder faul dumm oder evil wirke bzw sei, weil man halt ab und zu Leute die 3m weiter stehen nicht grüßt, einfach weil man sie aufgrund des Wahrnehmungsproblems nicht bemerkt. Das war bei meinem letzten Job der Fall - die Person hatte mich auch nicht gegrüßt, sonst hätte ich es akustisch bemerkt. Aber weil ich das Ganze oft genug erlebt habe kündigte ich bevor es wieder ausartet, weil ich nie Lust auf Drama und Argumentieren habe, jedenfalls nicht bei sowas.
Das große Problem ist dass die meisten keine Ahnung von Autismus haben. Und selbst wenn die ein Mal im Jahr eine Petition für Autisten unterschreiben um sich besser zu fühlen, erkennen die typisch autistische Symptome nicht. Und wenn die dann mal mit einem Autisten konfrontiert werden sehen die den nur als dumm oder provozierend an. Meine Klassenlehrerin aus der Grundschule war auch der Grund dass ich zum ersten Mal (im Schulleben jedenfalls) mit Mobbing in Berührung kam, weil ich die auch nicht gegrüßt hatte. Damals verstand ich das Prinzip dahinter gar nicht und als ich es verstand wusste ich nicht wie es funktioniert (klingt etwas blöd, aber so war es damals) oder ich hatte Angst. Kenne generell kaum Pädagogen die sowas erkennen aber vielleicht ist das heute etwas besser. Mit weiblichen Lehrern habe ich -bis auf zwei Fälle- nur negative Erfahrungen gemacht, bis zum Ende des Gymnasiums.
Das Problem ist dass sich viele Leute durch falsch oder seltsam ausgeübte Umgangsformen angegriffen fühlen und deswegen Erklärungen nicht akzeptieren, weil die das als Ausrede ansehen. Also man will dann halt den Hass gegen eine Person auslassen oder irgendwie sowas und nicht zugeben dass man selbst zu krass reagierte und die Person einfach neurologisch anders tickt und daher einfach etwas nicht verstand oder falsch machte. Zumal viele erwarten dass man Gedanken liest. Die sagen dann Dinge nicht direkt, erwarten diese aber direkt. Sowas "sehe" ich dann einfach nicht, kenne selbst nicht-autistische Personen, die nicht gut darin sind sowas zu sehen, da sind dann oft die Leute schuld die sich nicht klar und logisch ausdrücken können.
Ich war als ich klein war auch bei einem Haufen von Psychologen. Und alle gaben mich auf und sagten dass sie sowas noch nie erlebt hatten. Keiner kam je auf die Idee dass es Autismus ist. Der eine warf mich aus seinem Raum. Generell hat das alles ein schlechtes Licht auf Psychologen geworfen. Ich weiß dass es gute Beispiele gibt, aber insgesamt kann ich Psychologen nicht leiden und die Leute die ich kannte machten alle einen grauenhaften Job. Die hatten auch alle typische hobbypsychologisches Schubladendenken das ich von einer Hausfrau, aber nicht von einem Akademiker erwarte und ich merkte das schon damals, weswegen ich die teilweise absichtlich an der Nase herumführte oder auf ihre Denkfehler aufmerksam machte. Zb alles was eine Person für Probleme hat auf Konflikte mit den Eltern zurückzuführen und diese Schulmädchen Logik dass alle normalen Leute Sehnsucht nach Sex und Liebesbeziehungen haben weils Rosamunde Pilcher so sagt. Wenn man also sowas nicht hat (ich bin aromantisch und asexuell) dann wird einem Lüge vorgeworfen oder gesagt man sei irre. Das kann ein Psychologe eigentlich nicht machen - zumal inkompetent ist, die müssten das wissen.
Ich hoffe sowas ist heutzutage besser. Die Autismusspezialisten bei denen ich später war (wurde relativ spät entdeckt, davor galt ich immer nur als verrückt) waren viel besser. Da wussten dann auch viele Dinge nicht die ich erwartet hätte, aber wenigstens waren die für alles offen und hatten generell Ahnung und auch Hilfsprogramme und sowas.
Insgesamt muss ich sagen dass mir Anime und Cartoons am besten geholfen waren die menschliche "Sprache" bzw. das Denken und Erkennen von Mimiken zu erlernen. Klingt vielleicht komisch, aber gezeichnete Figuren sind immer simplifiziert, daher sind Mimik und Gesichter generell viel einfacher zu erkennen. Dazu kommt, dass bei Anime Gedanken und Probleme meist überbetont werden. Wenn in einem Live Action eine emotionale Situation passiert, dann wird meist nichts erklärt und Personen reagieren einfach. Weil man davon ausgeht dass der Zuschauer kapiert, wieso die handelte Person jetzt z.B. eingeschnappt ist oder Ähnliches. In einem Anime würde man die Gedanken der Person hören und es so direkt mitbekommen. Dazu kommt dass die Probleme meist weniger "menschlich" sind als bei Realfilmen und Plots sind oft irrer, sodass existenzielle Fragen öfter angesprochen werden, jedenfalls kommt es mir so vor.
@kitthey kitthey schrieb am 15.06.2016:Das Leben als Autist ist ein Leben auf der Suche nach Antworten.
Da kann ich auch nur 100% zustimmen. Und das ist auch einer der Gründe wieso ich dennoch froh bin so zu sein, bei vielen "normalen" Leuten stellen sich diese Fragen nie so extrem und spielen nach der Pubertät oft keine Rolle mehr, bei Autisten ist es glaube ich oft das ganze Streben oder zumindest ein Großteil davon. Man wird quasi als etwas das wie ein Nicht-Mensch wirkt geboren, also stellt man sich schon im frühen Kindesalter existenzielle Fragen, weil man von Anfang an stärker als andere mit der Individualität konfrontiert wird.