RayWonders schrieb:ist das nicht zu woke? SCNR
Um es mal ernsthaft aufzugreifen: Nein, ist es nicht. Ich nehme das zum willkommenen Anlass, noch einmal zu erwähnen, dass es bei der hier diskutierten Umdichtung um eine (Neo-) Nazi-Parole geht, die keine legitime Meinungsäußerung ist, sondern etwas, das schon mit hoher Wahrscheinlichkeit den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt.
Es geht also hier nicht um eine Meinung, sondern um richtig oder falsch. Unser Grundgesetz, unser demokratisch verfasstes Gemeinwesen ist da völlig klar und eindeutig, und die Grundrechte gelten nicht nur für Inländer, die Menschenwürde kennt keine Nationalität.
behind_eyes schrieb:Es ist aus meiner Sicht egal welcher Name an der Platform steht, die Information geht immer den schnellsten Weg und ich sehe die Verbreitung garnicht als Problem weil der Überbringer der schlechten Nachricht für nix kann.. Das wird nur allzugerne behauptet um nicht in den sauren Apfel zu beißen und sich mit Ursachen zu beschäftigen.
Das würde ich etwas differenzierter betrachten. Jede Art von Presse, online oder offline auf Papier, hat natürlich die Aufgabe, über gesellschaftlich relevante Dinge zu berichten. Dafür ist sie da, und es wäre hanebüchen, ihr eine Mitverantwortung für das zu geben, über das sie seriös berichtet. Es gibt natürlich einen Pressekodex, der z.B. fordert, über Dinge wie Selbsttötungen nur in Ausnahemfällen zu berichten, aber das hat andere Gründe.
Davon klar zu unterscheiden sind Internetplattformen mit benutzergeneriertem Kontext. Auch dort gibt es natürlich Kanäle und User, die sich der Berichterstattung, ähnlich der Presse, verschrieben haben. Für sie gilt das oben gesagte. Dann gibt es aber einen großen Teil von Usern, die entweder selbst Filme etc. hochladen, und sehr oft haben die einen zustimmenden oder amüsierten Unterton, identifizieren sich also mit den gemachten Aussagen und befürworten diese.
Oder es gibt eben User, die zwar keinen eigenen Content beisteuern, aber die letztgenannten Beiträge entweder "liken", also Zustimmung zur Aussage signalisieren, und/oder diese Inhalte unkommentiert weiterleiten, was ich ebenso als Zustimmung zur Aussage der Beiträge werte. Oder gleich mit Emoticons oder zustimmenden Kommentaren Beiträge weiterleiten.
Auf TikTok sind mWn eben nicht nur dokumentarische Beiträge der Vorfälle zu sehen, sondern eben auch eine Unmenge an zustimmend gemeinten Beiträgen, oder aber Filme, wo jemand nur die Melodie im Hintergund laufen lässt, aber ansonsten erkennen lässt, dass er der aktuellen Umdichtung zustimmt - teils auf sehr subtile Weise, wohl auch, um nicht strafrechtlich belangt zu werden.
Wer einmal anfängt, Beiträge zu "L'Amour Toujours" abzurufen, bekommt von ähnlichen Dingen immer mehr angezeigt - genau so funktionieren diese Plattformen, weil diese genau zu wissen glauben, was derjenige für ein Mensch ist und was ihm gefällt.
Bei den Benutzern ensteht dadurch eine "Bubble" oder Blase, in der die Zustimmung generell und allgemein zu sein scheint - man glaubt ja, weil man nur noch oder vorwiegend solche Filme zur Ansicht bekommt, dass die Zustimmung sehr viel größer sei, als sie tatsächlich ist.
Sicher ist jeder für seinen Umgang mit Medien selbst verantwortlich, und das Anschauen eines entsprechenden Films erzeugt noch keinen Nazi-Gröler. Die Ursachen, dass jemand für solche Parolen anfällig ist, oder sie akzeptabel findet, liegen sicher woanders, insofern Zustimmung. Natürlich dürfen die Ursachen nicht nur bei den Internetplattformen gesucht werden, das wäre zu billig.
Dennoch bin ich der Meinung, dass die Plattformen wie TikTok durch ihre Förderung ähnlich gelagerter Inhalte einem Phänomen einen deutlichen Schub verleihen, wie leider auch im hier diskutierten Fall.
Sie lassen für manche Leute etwas als "normal" oder "akzeptabel" erscheinen, was es in Wirklichkeit gar nicht sein kann. Das verfängt nicht bei allen Zuschauern, die Tendenz ist aber da.
Die Verbreitung über Plattformen mit usergeneriertem Kontext spielt für mich eine bedeutende Rolle für das Phänomen.