MissMary schrieb:Ich glaube, es kommt auf die Person an. Für manche Leute sind solche "Leitplanken" gar nicht so schlecht, zwischen denen sie sich bewegen können, für andere ist das eine Einengung. Ist vermutlich eine individuelle Sache.
Sicherlich. Klarerweise müssen Eltern und andere Erwachsene auch Grenzen setzen, gerade bei Punkten in denen Kindern noch die Lebenserfahrung fehlt.
(Selbst war ich übrigens auch nie ein Kind, ein Jugendlicher das/der "über die Stränge schlug". Wollte gar nix besonders "Wildes", nicht zu Konzerten, nicht die Hausaufgaben erst um Mitternacht machen, nicht heimlich mit dem Zug zur Brieffreundin fahren, nix.)
Mit den genannten Glaubenssätzen meinte ich aber etwas anderes als Leitplanken zur Orientierung. Sondern als Beispiel:
- "Du musst in die Kirche, auf den Friedhof gehen." (Ich stand dann auch öfter mal an Gräbern von Leuten von denen ich nur Name, Geburts- und Sterbedatum - abgelesen vom Grabstein - und ein Verwandtschaftsverhältnis kannte. Habe diejenigen nie kennengelernt, oder nicht so dass sie mir noch in Erinnerung geblieben wären. Es hatte keinen Effekt der Hilfe bei der Trauer oder eine Erinnerung festigen.)
- "Mit Kindern von Geschiedenen trifft man sich nicht."
- "Brieffreundschaft [nach Krankenhausaufenthalt mit anderen mit der selben Krankheit in Kontakt bleiben] mit [hat typisch deutschen Namen] geht, aber [Name wirkt ausländisch] schreibst du nicht." (Es wäre kein hohes Porto angefallen; alles Kinder und Jugendliche mit deutscher Adresse. Es ging um eine Brieffreundschaft - Eltern hätten sowieso alle Briefe sehen können, heimlicher Austausch wie z.B. übers Internet war noch nicht möglich. Begründung war der Name/ die Herkunft.)
- "Es gibt keine Extrawurst." (Bezog früher auch oft Dinge mit ein, die man aus gesundheitlichen Gründen braucht.)
- Berufe "für Mädchen/Frauen", "für Jungen/Männer"
- "Wenn du ein Junge wärst, hätten wir damit kein Problem." Ging um Dinge wir Berufswahl, Bildung die objektiv gesehen passten, aber manch einer aufgrund des Geschlechts nicht passend fand.
Und zuguterletzt solche Dinge wie dass jemand der älter ist automatisch Recht habe und das nicht in Frage zu stellen sei.
(Der Vollständigkeit halber: Selbstverständlich äußerte das nicht jeder. Nur a) als Kind, in den 1980ern geboren, begegnete es mir viel häufiger denn als b) Erwachsener ab 2000.)
Obiges fände ich auch heutzutage keine guten "Leitplanken". (Du, meiner Einschätzung nach, auch nicht.)
Gute "Leitplanken" finde ich eher solche wie:
- die Hausaufgaben werden vor dem Spielengehen/ der Freizeit gemacht
- bis du x Jahre alt bist nicht mit Leuten alleine treffen die wir nicht kennen
- Teilnahme an einer Veranstaltung der Art X erst mit Y Jahren
- erlauben wir dir nicht, kannst du mit 18 dann selbst haben (z.B. Tattoo, Piercing)
- bezahlen wir dir nicht, aber du kannst darauf sparen, dafür arbeiten (z.B. Führerschein und Fahrzeug "nur zum Spaß" aber werden nicht benötigt)
- wenn du X machen willst, möchten wir das vorher durchgeplant sehen (z.B.: Gymnasiast, will nach der 10. Klasse von der Schule abgehen - Pläne machen, z.B. Besuch anderer Schulform, Ausbildung)
und so weiter.
MissMary schrieb:Was ich früher besser fand ist die Verbindlichkeit. Meine Kinder arbeiten ehrenamtlich und heute Mittag hatte der Verein eine Veranstaltung, zu der 20 Kinder verbindlich angemeldet waren: Es kamen nicht mal 10. Zwei wurden entschuldigt, der Reste tauchte einfach nicht auf.
Dem kann ich - als jemand der Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit sehr schätzt und sich selbst penibel daran hält - zustimmen.
Immer wieder organisiere ich übrigens auch Veranstaltungen, z.B. als Teil eines Ehrenamts, aber auch als Teil meines Berufs (aktuell z.B. einen "Hackathon", einen Programmierkurs mit Wettbewerb). Ich hoffe gerade, dass immerhin "die meisten" erscheinen werden.
Sterntänzerin schrieb:Ich hatte schon Fälle, da kamen statt der angemeldeten 8-10 Kinder für eine Veranstaltung nur 1-2 - normalerweise lasse ich Veranstaltungen bei so einer geringen Anzahl gar nicht stattfinden und informiere die Eltern rechtzeitig, aber wenn nichts kommt, dann baut man ja alles auf und das eine Kind, das doch kommt, ist dann halt auch da. Also zieht man irgendwie durch, was dann noch machbar ist. Spaß macht das keinen.
Ja, hatte ich in Ehrenämtern auch schon.
Richtig misslich, wenn ggf. etwas wie Essen bestellt wurde (ganztätige Veranstaltung), die Art der Veranstaltung nur mit mehreren Teilnehmern durchführbar ist und dergleichen.
Sterntänzerin schrieb:Wobei ich davon überzeugt bin, dass solche Termine früher nicht eingehalten wurden, weil die Menschen irgendwie "besser" gewesen wären, sondern weil die soziale Kontrolle teilweise größer war.
Auf "waren besser" tippe ich auch nicht, kann mir aber vorstellen:
Termine mussten besser eingehalten werden weil spontane Kommunikation weniger möglich war - wer nicht mal eben von unterwegs durchgeben kann den Zug verpasst zu haben, exemplarisch, wird sich eher bemühen, den Zug der einen zum Treffen bringt das einem wichtig ist einzuhalten.
Weniger spontane Kommunikation dürfte auch weniger Ablenkung im Sinne von Abbringen von Plänen bedeutet haben.
Insgesamt hat man sich, auch weil es nicht anders ging, früher mehr darauf verlassen (müssen) dass etwas wie deutlich im Voraus vereinbart abläuft.
(Klar, es gab die Telefonzellen - anders als ein Handy waren die aber nunmal nicht überall.)
Sterntänzerin schrieb:Ich bin auf dem Dorf groß geworden. Da hat es eben eher mal die Runde gemacht, wenn man unzuverlässig war und wenn man so etwas wie einen Zahnarzttermin einfach so hätte sausen lassen, dann hätte man allein dadurch ein Problem gehabt, weil man bei diesem Zahnarzt, der dann meistens der einzige im Dorf war, keinen weiteren Termin bekommen hätte.
Kann ich soweit bestätigen, Dorfkindheit. (Wobei es keinen Zahnarzt im Dorf gab, Dorf war dafür viel zu klein - aber grundsätzlich, ja. Unzuverlässig bezog sich dann z.B. auf unzuverlässige Handwerker, oder unzuverlässige Nachbarn.)