SonnyFlowers schrieb:Wenn also einer von uns die Wahrheit spricht, ist er dann ein Lügner?
Da handelt es sich ja um zwei, die ne Aussage machen können, nicht nur um einen.
Bzw. ob es als Lüge empfunden wird hängt ja nun mal vom "Informationsstand" des Zuhörers ab.
Insofern: die Wahrscheinlichkeit, dass, wenn der Lügner irgendwann mal aus der Nummer raus will, er keinen Glauben geschenkt bekommt, da sein Zuhörer ja erstmal ne "Fortsetzung" der bis dahin angenommenen Version hören will, ist verdammt hoch.
Wenn man sowas aufklären will, muss man also ziemlich sicher durch ein Stadium durch, in dem die eigentliche Wahrheit als eine Lüge gesehen wird, bzw. gesehen werden will. Ist bestimmt schräg, dann jemanden davon zu überzeugen, dass man "jetzt" die Wahrheit sagt und das vorher geglaubte Falsch war.
(Und auch umgekehrt kann ich ein Liedchen davon singen, wie Leute reagieren, wenn man ihnen eine unangenehme Wahrheit sagt - da treffe ich selten auf "Erleichterung", es ist viel wahrscheinlicher, dass ich verleumdet werde, damit man sich weiter einen in die Tasche lügen kann.)
Das pseudo-philosophische Problem dabei ist, dass eine Wahrheit nie so 100%ig "wahr" sein kann wie eine Lüge 100%ig falsch.
(Was man sich selten vergegenwärtigt - lügt man sich dadurch an?)
Wobei das ganze noch dadurch komplizierter wird, dass eine Lüge teilweise auf "Wahrheit" (also Realität) beruht,
weil sie ja einfach hier "in der Welt" stattfindet. (Der Typ, der seinen Job nur vorspielte, ging real morgens aus dem Haus.)
Wenn sich der Kram also eines Tages aufklären soll, geht es nicht nur um die Worte des Lügners,
sondern auch um die "eigene Wahrnehmung", während die Geschichte lief;
das komische Gefühl, immer gedacht zu haben, man wisse, was der andere in der Zeit gemacht habe,
obwohl er was ganz anderes gemacht hat.
Und "was anderes" ist halt erstmal vage, nicht wahr.
Da kommt das "pseudo" her, denn eigentlich ist das "Neurologie"; psychologisch ist "vage" nun mal eher ne Bedrohung,
auch wenn "wahr" nicht immer Sicherheit bringt.
(Darum nennt man es dann "Philosophisch", dann fühlt es sich wenigstens so an, als wäre man mit dem Problem nicht so alleine...)
Eigentlich geht es um Beruhigung und Orientierung, nicht um "Wahrheit".
(Die ja nur im Kontext stattfindet - da beginnt dann real die "Philosophie".)
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@kittyka ich hatte das "Glück" als Kind mal in so ne Situation reingeschliddert zu sein, mit verschleppten Strafarbeiten von meiner Physiklehrerin. Die muss den Braten gerochen haben, hat mich ne Weile im eigenen Saft schmoren lassen und mir dann die Gelegenheit gegeben, aus der Nummer raus zu kommen, also Gesicht wahrend zuzugeben, dass ich die Strafarbeit halt nie gemacht habe.
Bin ich ihr heute noch Dankbar für, diese "Dynamik" auf ne Weise mitbekommen zu haben, dass ich halt draus lernen konnte, aber nichts dabei kaputt gegangen ist.