Zuerst einmal vielen Dank für all eure Worte.
Wir sind nun bald 15 Jahre Seite an Seite und durch viele Höhen und Tiefen gegangen, es existiert ein solider Sockel auf dem unsere Ehe steht und ich möchte momentan einfach noch daran glauben, dass er auch stabil genug ist, diese Krankheit meines Mannes zu überstehen.
Die Ratschläge, zu Freunden/Familie zu gehen um aus der Situation raus zu kommen kann ich absolut nachvollziehen und hätte sie vielleicht ebenso gegeben. Bei uns ist das Rollenbild jedoch etwas anders verteilt- ich gehe in Vollzeit (41 Stunden/Woche) arbeiten, er ist (durch seine Depression) in der vollen Erwerbsminderungsrente und macht z.b. die Kinder morgens fertig für den Kindergarten. Coronabedingt hat der Kindergarten aktuell auch nur bis mittags auf, so dass ich es als "Alleinerziehende" momentan und unter den jetzigen Voraussetzungen keinesfalls schaffen würde.
Oma/Opa haben meine Kinder nicht, sowohl meine Eltern, als auch die Eltern meines Mannes sind bereits verstorben.
Grundsätzlich haben wir ein gutes Leben und sind ein tolles, eingespieltes Team.
Er tut sehr viel für mich und die Familie und ich bin ihm dafür auch sehr dankbar. Ich glaube jedoch, dass er in seiner Rolle als "Hausmann und Vater" überfordert ist, nehme ich ihm jedoch etwas ab empfindet er es als Kritik, nach dem Motto:"Er würde es nicht gut genug machen". Teufelskreis.
Was mich jedoch wirklich zermürbt sind seine ständigen verbalen Wutausbrüche und seine Neigung dazu, direkt bei mir unter die Gürtellinie zu schießen. Ich weiß, dass er dies macht, da er mich treffen möchte, damit er eine Reaktion aus mir herauskitzeln kann (ich lasse mich jedoch nicht provozieren, ich habe ihn in den kompletten 15 Jahren nicht einmal angeschrien oder beleidigt).
katniss schrieb:Eure Kinder sehen das Verhalten und sehen auch, dass du das über dich ergehen lässt. Im schlechtesten Fall werden sie später selbst mal solche Menschen.
Ja, das ist durchaus ein Punkt, den ich auch im Blick habe, wobei ich der Meinung bin, dass es ein Unterschied gibt zwischen "alles mit sich machen lassen, weil man Angst hat/sich nicht wehren kann" und "stark genug sein auch durch schwere Zeiten zu gehen, da eine Familie wertvoll ist, reparieren statt wegwerfen".
Ich versuche immer Mal zu reflektieren, was die Kinder wohl für einen Eindruck von uns, also ihren Eltern haben- und welche Werte ich durch mein Verhalten wiederum vermittel. Der Satz heute, dass ich nicht in der Lage bin gesunde Kinder zur Welt zu bringen ging ganz klar zu weit und das werde ich auch nicht einfach schlucken können- wann/wie ich es auf den Tisch hole, weiß ich aktuell noch nicht.
fischersfritzi schrieb:Was hält dich denn in der Partnerschaft?
Hier gilt natürlich auch das, was ich ein paar Sätze vorher bereits geschrieben habe. Ich wehre mich dagegen unsere Ehe wegzuwerfen, wegen einer kleinen, miesen, hinterhältigen Krankheit. Ich will dieser Krankheit nicht diese Macht geben. Eigentlich führen wir eine schöne Ehe, ergänzen uns und tun uns gut, wenn diese schwere Depression nicht wäre.
fischersfritzi schrieb:Dir wünsche ich Kraft und den Mut deinen Weg in dieser Partnerschaft zu finden.
Vielen Dank!
:)RachelCreed schrieb:Daher hast du nicht nur das Recht, zu verlangen, dass das aufhört, sondern sogar die Pflicht dir selbst gegenüber.
Was auch immer ihn so austicken lässt, er muss entweder anders medikamentös eingestellt werden oder überhaupt erstmal die Medikamente nehmen.
Du bist NICHT sein seelischer Punchingball.
Du hast Recht, für eine Krankheit kann niemand was, aber die Behandlung zu sabotieren ist durchaus ein Grund ihn in die Verantwortung zu nehmen. Die Tabletten nicht mehr zu nehmen, weil er der Meinung ist, *ich* würde ihn mit den Tabletten ruhig stellen ist eigentlich ein Schlag ins Gesicht mir und unseren Kindern gegenüber. Da er jedoch auch immer wieder "klare" Phasen hat, in denen er sein Verhalten mir gegenüber reflektiert, ist dieser Punkt durchaus etwas, was ich ihm sagen kann und werde. Danke dafür.
RachelCreed schrieb:Es tut mir leid, aber dein Plan kann doch nicht allen Ernstes sein, dich weiter so herabsetzen und beleidigen zu lassen? Und das als "es hinkriegen" definieren?
Nein, um Himmels Willen- mein "Plan" oder eher meine Hoffnung geht eigentlich in die Richtung, dass wir seine Depression überstehen, die Rückfälle immer weniger werden und er wieder echte Freude empfinden kann.
RachelCreed schrieb:In einer Beziehung muss jeder seinen Teil dazu beitragen, dass es funktioniert. Wenn er nicht mal Willens oder in der Lage ist, seinen winzigen Beitrag zu leisten, indem er seine Medikamente nimmt, wird das nichts werden.
Eine Beziehung und erst Recht eine Familie kann nicht funktionieren, wenn nur einer einen Beitrag dazu leistet.
Absolut gute, wahre Worte.
fischersfritzi schrieb:Aber sie haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung.
Auch hier, volle Zustimmung meinerseits.
Unsere Kinder bekommen zwar hier und da mit, dass Papa brüllt oder an die Decke geht, sie bekommen jedoch auch mit, das Mama und Papa sich wieder vertragen und sich lieb haben. Verbal aggressiv gegen die Kinder war er noch nie (körperlich sowieso nicht!) und ich denke, das ist auch noch Mal eine ganz andere Hemmschwelle. Der kleine Teufel auf seiner Schulter hat mich als Feindbild auserkoren und das ist mir natürlich unendlich lieber, als würde er seine Aggressionen gleichmäßig auf alle Familienmitglieder verteilen.
Luminita schrieb:Ich schließe mich meinen Vorpostern an. Ich würde mich dringend mit seinem Therapeuten in Verbindung setzen, auch um ggf. die Risiken abzuklären. Vielleicht käme sogar eine stationäre Behandlung für ihn infrage?
Ich war bis vor kurzem in Therapie wegen dem Tod unseres Sohnes. Für meinen Mann war unser Sohn das dritte Kind, welches gestorben sind (er "hatte" Kinder aus erster Ehe). Deshalb hat ihn der Tod unseres Sohnes einfach den Boden unter den Füßen weggerissen. Er hat zwei Therapien in dem Zeitraum unserer Beziehung gemacht und abgeschlossen. Die letzte Therapeutin sagte zu ihm, er sei ein hoffnungsloser Fall und ja schon so alt, da würde es nichts nützen, da jetzt noch tief in die Trauerbegleitung einzusteigen. Ja, ich befürchte, er hat mir seiner letzten Therapeutin wirklich kein Glück gehabt, meine Therapeutin ist an die Decke gegangen als ich ihr davon erzählt habe. Letztendlich möchte er keinen dritten Versuch starten, unabhängig davon weiß ich auch nicht, ob das die Krankenkasse übernehmen würde.
Eine stationäre Behandlung wäre, meiner Meinung nach, auch das Beste- ein paar Wochen kann ich auch mit mir Urlaub abdecken. Aber er muss es halt wirklich wollen und durchziehen.
Luminita schrieb:Man muss nicht jedes Verhalten akzeptieren, aber ich versuche mir trotzdem zu verdeutlichen, dass so viele Faktoren mitspielen, die wir nie verstehen werden. Das ist überall individuell.
Genau. Vielen Dank auch für deine Weitsicht. Das Leben ist nicht nur schwarz und weiß - und schon gar nicht fair- man muss manchmal so manche Kröte schlucken, in der Hoffnung, dass am Ende alles gut wird.
Eiskalt schrieb:Würde ihm das Verhalten vor den Kindern reflektiert aufzeigen und welche Konsequenzen es auf die Entwicklung nimmt anhand von belegten Studien. Damit greift es eher als mit der wieder Einnahme von Tabletten.
Vielen Dank, das werde ich machen!
Eiskalt schrieb:Ich hab auch noch nie gute Effekte durch Antidepressiva erlebt und war ebenfalls aggressiv unterwegs. Entweder durch die Einnahme (Nebenwirkungen bis zu 4 Wochen) oder, und davon gehe ich aus, durch das absetzen wo es mit am heftigsten war durch stimmungs schwankung.
Zu Silvester hatten mein Mann und ich das letze Gespräch wegen seinen Ausrastern und seiner "unregelmäßigen" Tabletteneinnahme. Ich hab ihm damals schon gesagt, dass das, was er aktuell macht (Tabletten Mal nehmen, dann phasenweise weglassen, ab und an vergessen etc.) Wohl die mieseste Lösung von allen ist, da er neben der psychischen Erkrankung so auch noch körperliche Symptome heraufbeschwört. Es ist unheimlich interessant zu lesen, dass du das aus eigener Erfahrung bestätigen kannst. Auch hier werde ich mich nochmal einlesen um im nächsten Gespräch mit Fakten meine Sorge begründen zu können.
Sollte es unter einem Dach für uns in absehbarer Zeit keine Zukunft geben, so haben wir in "klaren" Momenten bereits über eine räumliche Trennung gesprochen. Er kann sich zurückziehen, wenn er das Bedürfnis hat, er braucht sich nicht um "unseren" Haushalt zu kümmern- aber er kann unter der Woche zum Abendessen/ schlafen her kommen - aber das muss halt gut durchdacht und geplant sein, keinesfalls überstürzt. Da muss noch so viel geklärt und geregelt werden, z.b. wie weit ich meine Stunden auf Arbeit reduzieren kann ohne im finanzielle Schwierigkeiten zu gelangen. Das ist ja alles nichts, was sich gut einvernehmlich und auf Augenhöhe klären lässt, wenn ich hier in einer Nacht- und Nebelaktion abhaue um mit den Kindern bei einer Freundin auf dem Sofa zu schlafen.
Vielen Dank nochmals, für eure ganzen Antworten und dem Input.