Onlinekontakte VS. reale Freundschaften

Menschen, die zu vollkommen unpassenden Zeiten etwas von einem wollen, kann man sich aber auch problemlos im echten Leben einfangen. Aus meiner Tätigkeit in einer psychiatrischen Einrichtung habe ich heute noch mit vielen Menschen Kontakt, wobei diese Kontakte eben höchst unterschiedlich ausfallen. Aus manche entwickelten sich richtige Freundschaften, andere sehen mich eher als Notruftelefon, wobei die Notlagen zwischen "Hab' mir gerade die Pulsadern aufgeschnitten!" und "Bier is' alle!" changieren können.
Inzwischen kenne ich meine Pappenheimer und Pappenheimerinnen und weiss, wem gegenüber ich wie zu reagieren habe.

Doors schrieb:Inzwischen kenne ich meine Pappenheimer und Pappenheimerinnen und weiss, wem gegenüber ich wie zu reagieren habe.

Ja. Aber auch da kann man mal falsch liegen. Nicht alles ist vorhersehbar. Da macht man auch nichts dran.

MissMary schrieb:Licht und Schatten - durch Social Media ist eben die Kategorie "entfernte Bekannte" ewig groß

Das so wir so. Es macht es leicht, mir Seiten, mit denen an sonst nie Kontakt hat, eine Art Freundschaft zu pflegen, indem man ständig ihr Mittagessen oder die Katze liked.
Nun, ich hab damit aufgehört.

Und die Sache mit dem verpassten Zug finde ich krass. Ich hoffe, es hat sich zumindest deinen Bekannte anständig bei dir bedankt, wenn das Kind schon kein Danke über die Lippen bringt.

Frau.N.Zimmer schrieb am 27.10.2021:Ich denke eine Freundschaft macht gerade aus, wenn ständiger persönlicher Kontakt nicht nötig ist. Man trifft sich manchmal nach Jahren wieder und dieses Gefühl ist beiderseits sofort wieder da, wenn es sich um wirkliche Freundschaft handelt.

So ging es mir heute. Ein guter Freund. Wir hatten glaub so 10 Jahre keinen Kontakt mehr, weil er wegzog. Ich hatte ein technisches Problem und wollte ihn anrufen. Shit. Wo ist die Nummer. Im Handy schon mal nicht. Gesucht, gefunden. Ein altes Notizbuch wo man noch mit einem Stift Telefonnummern eingetragen hat. :D

Ich ruf also an, er hebt ab, ich so bist es du **** , ja und du, ich bins die von **** und dann war uns beiden klar, wir haben den richtigen am anderen Ende. Wir haben glaub drei Stunden lang gequatscht und so viel gelacht. Es war als hätten wir erst gestern zuletzt telefoniert. Ja, ich denke sowas macht Freundschaft aus. Die vergeht halt einfach nicht.

EnyaVanBran schrieb am 31.10.2021: Das so wir so. Es macht es leicht, mir Seiten, mit denen an sonst nie Kontakt hat, eine Art Freundschaft zu pflegen, indem man ständig ihr Mittagessen oder die Katze liked. Nun, ich hab damit aufgehört.

Kommt so etwas auf den Inhalt an, aber die bekommen noch deine wichtigsten Ereignisse mit. Für manche Leute sind social media aber auch ein Segen ... ich habe einen (etwas schrägen) Bekannten, der ist einfach von der Persönlichkeitsstruktur her so, dass es schwer/ anstrengend ist, mit ihm eine engere Freundschaft zu pflegen. Er empfindet Facebook echt als Segen, weil er so zumindest lose in Kontakt bleibt und dann auch mal in etwas inkludiert wird, wo man ihn sonst nicht mitnehmen würde.

Ich hatte auch eine Bekannte, die mich "unfriended" hat, weil ich bestimmte Sachen nicht häufig genug likte. Das war auch sehr seltsam.

EnyaVanBran schrieb am 31.10.2021:Und die Sache mit dem verpassten Zug finde ich krass. Ich hoffe, es hat sich zumindest deinen Bekannte anständig bei dir bedankt, wenn das Kind schon kein Danke über die Lippen bringt.

An dem Tag ja - dann habe ich monatelang nichts mehr gehört. Das ist eben das Doofe daran: Wenn du den Leuten nützlich bist, melden sie sich, sonst nichts. Dir selbst bringt so eine Beziehung nichts, daher finde ich, muss man sich da abkapseln.

@MissMary
Ja gut, für Menschen die ein paar soziale Schwächen haben, sind FB usw. sicher von großem Nutzen. Aber sie lassen bei vielen das reale Sozialleben auch sehr verkümmern.

MissMary schrieb:Das ist eben das Doofe daran: Wenn du den Leuten nützlich bist, melden sie sich, sonst nichts. Dir selbst bringt so eine Beziehung nichts, daher finde ich, muss man sich da abkapseln.

Vollkommen richtig. Solche Kontakte mit Muss zu pflegen ist anstrengend und du bekommst rein gar nix zurück.

Inzwischen muss ich feststellen, dass auch Onlinekontakte oft nur bestehen bleiben, wenn man auch sonst Kontakt hat.
Wenn ich meine Whatsapp und Co Liste ansehe, so sind es immer nur die gleichen Freunde.

Zu zwei Leuten habe ich noch online Kontakt, die ich nicht oder sehr selten treffe.

Ich habe es bei mehreren Leuten immer mal wieder versucht, "anzuklopfen", aber es kam nichts mehr zurück. Das ist so, seit ich vor zweieinhalb Jahren umgezogen bin.

Nun gut, der Schnitt ist dann eben so, wie es früher mal war.

Viele sind eben "gute Freunde", wenn man sich im Alltag sieht. Und für mehr reicht es eben nicht.

Diese Unterscheidung im Titel funktioniert in meinem Fall nicht, da meine Onlinekontakte auch zugleich meine realen Freunde sind. Einen regionalen Freundeskreis habe ich mir außerhalb schulischer Umstände nur temporär geschaffen und ich wollte mich auch nie an Leute aus direkter Nähe binden. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Onlinefreundeskreis und wie unsere realen Treffen hin und wieder meine Highlights im Jahr sind. Ich hätte auch nichts dagegen, wenn meine Freunde näher wohnen täten, aber der Gedanke an einen direkten, regionalen Freundeskreis reizt mich so überhaupt nicht.

ich hatte noch nie (reine) online freundschaften. aber ich kann mir schon vorstellen, dass es zumindest was gespräche angeht, auch eine sehr tiefe bindung sein kann. es schadet allerdings nicht, wenn man sich dann auch "in echt" kennen lernt.
gemeinsame aktivitäten und unternehmungen gehören für mich irgendwie zu einer freundschaft dazu.

Einige meiner Kontake, wissen mehr von mir als sonst jemand.

Katori schrieb:Einige meiner Kontake

Du meinst deine Onlinekontakte?

Das stimmt bei mir auch. Man kann ja auch gefahrlos erzählen, es wird einem dann nicht in irgendeiner Situation auf die Füße fallen, weil es diese Situationen nicht geben wird.

@Bundeskanzleri korrekt. Bei den betreffenden Kontakten ist es auch so, das die einen verstehen und Gespräche nicht in irgendeiner Form unterminieren.

Katori schrieb:Einige meiner Kontake, wissen mehr von mir als sonst jemand.

Ja, ich muss gestehen, ich teile auch viel mit einigen Kontakten und ich gehe so weit, ein paar davon als echte, gute Freunde zu bezeichnen.

EnyaVanBran schrieb:Ja, ich muss gestehen, ich teile auch viel mit einigen Kontakten und ich gehe so weit, ein paar davon als echte, gute Freunde zu bezeichnen.

Ich könnte das nicht.
Keine Ahnung, ob es daran liegt, dass ich mit meinen 41 Jahren mehr als die Hälfte meines Lebens ausschließlich Real Life-Kontakte hatte, aber um jemanden als "guten Freund" zu bezeichnen, muss ich denjenigen im Real Life kennen. Ich muss seine/ihre Körpersprache und Gesichtsausdrücke deuten können, die Person schonmal in den Arm genommen haben, wenn sie traurig war und/oder schonmal wirklich laut mit ihr gelacht haben.
Ich muss aus erster Hand wissen, wie die Person sich anhört, wenn sie lacht, weint, spricht, bei welchen Themen ihre Augen zu strahlen anfangen etc.
Vorher entsteht für mich einfach keine echte Nähe, und die ist für mich zwingend, um jemanden wirklich als Freund anzusehen.

Aber ich habe auch nie verstanden, wie man sich ausschließlich durch schriftliche Kommunikation "verlieben" kann.

@RachelCreed
Ich bin auch Ü 40 und es ist halt so, dass ich ein paar Leute mittlerweile auch auf WA habe. Man schickt sich Sprachnachrichten oder telefoniert auch mal.
Meine RL Freunde sehe ich wegen deren Kinder bzw Arbeit eher selten und seit Corona noch seltener. Ist also nicht viel Unterschied zu den Onlinekontakten.

Für mich ist eine Onlinefreundschaft absolut vollwertig, zumal man sich (wenn Interesse besteht) auch in Realität treffen kann.

Teilweise habe ich online tiefsinnigere Gesprächsverläufe, als mit meinen "realen" Freunden.
Ich kann bei einigen Themen offener sein, als ich es jemals in der realen Welt sein würde. Ich mag diese 2 unterschiedlichen Welten.
Online darf man mal verletzlich, albern, traurig oder versaut sein. Das möchte ich auch nicht missen müssen.

Genauso ist es bei meinem 15 jährigen Sohn. Er konnte schon viele gute Freunde finden mit denen er auch viel Zeit verbringt, hat sich Online aber auch einen Freundeskreis aufgebaut, der ihm sehr wichtig ist.
Wenn Corona es zulässt wollen die Jungs sich auch mal auf ein Clantreffen begeben, was ich echt cool finde und das auch voll und ganz unterstütze. Zur Not fahren wir dafür auch von der Nordsee nach Bayern. :D

Hellskitty schrieb:Online darf man mal verletzlich, albern, traurig oder versaut sein. Das möchte ich auch nicht missen müssen.

Das kann ich gut nachvollziehen. Ich denke das kommt daher, weil online alles etwas ungezwungener ist. Man trifft sich in der Regel ja nicht zu fixen Zeiten, sondern wer grad da ist, der ist da. Man kommt und geht einfach. Das macht es in meinen Augen auch etwas leichter.
Dennoch würde ich meine RL Freunde nicht missen wollen.

Hellskitty schrieb:Für mich ist eine Onlinefreundschaft absolut vollwertig,

Hellskitty schrieb:Gesprächsverläufe

Ist das dann tatsächlich nur übers Schreiben, oder gibt es auch Telefonate?

Ich stelle es mir manchmal anstrengend vor, sehr komplexe lange Inhalte aufzuschreiben?

Hellskitty schrieb:Clantreffen

Das sind doch schöne Aussichten!

Ich würde mal so sagen, in Punkto gemeinsamer Unternehmungen, sich gegenseitig mal besuchen usw. ist vlt so das einzig schwierige bei online Freundschaften. Da muss ich @RachelCreed schon zustimmen, es fehlt einfach diese Nähe.

Aber auf der anderen Seite, sind die Menschen, mit denen man auch online viel Zeit verbringt, ja auch menschliche Wesen und keine Roboter. Und ja, auch hierbei können sehr wohl Freundschaften entstehen. Und ich würde mir schon etwas komisch vorkommen, wenn ich nur die Menschen wertschätzen würde, die ich in meinem realen Leben kenne. Wenn ich jemanden als Freund bezeichne, dann ist das auch so, ob nun offline oder online.

Ich muss auch feststellen, dass mir Realkontakt schnell zuviel wird. Am liebsten sind mir Begegnungen, die so zwei oder drei Stunden gehen.
Also entweder im Alltag integriert, bei der Arbeit oder Hundespaziergang oder sowas.

Wenn mich jemand besuchen kommt, fährt derjenige erstmal eine Stunde. Dann lohnt sich das nur bei etwas längeren Besuchen.

Da bin ich sehr froh über die ganzen Onlinealternativen.