jaska schrieb: einen Blogbeitrag zitierend:
Aber völlig zurecht weisen die schwedischen Staatsepidemiologen und Befürworter des schwedischen Weges darauf hin, dass höhere Infektions- und damit auch Sterberaten in der Anfangsphase unausweichlich sind und bewusst in Kauf genommen werden, wenn Kontaktbeschränkungen lockerer gehandhabt werden.
Wir sind hier bei dem Thema, welches Bundestagspräsident Schäuble schon angeschnitten hat: Ist das Leben das absolut höchste Gut, das es zu erhalten gilt, egal wie, wo, um welchen Preis? Das deutsche Grundgesetz kennt ein allerhöchstes Gut, und das ist - Überraschung: nicht das Leben um jeden Preis, sondern die Würde des Menschen.
Unter diesem Aspekt kann man sehr wohl diskutieren, ob die Steigerung von Sterberaten verhindern in Zeiten von Corona der einzig entscheidende Aspekt für politische Handeln sein muss. Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen und Mitglied der Grünen, hat genau diese Frage gestellt und ist damit nicht nur in der eigenen Partei angeeckt.
Wenn man überlegt, welche Folgen ein Lockdown nicht nur bildungspolitisch wie für die Gesamtwirtschaft einschließlich fehlender Steuern und Sozialversicherungsbeiträge hat, wenn durch einen Lockdown OPs zugunsten von zu erwartenden Corona-Intensivpatienten abgesagt wurden (u.a. Lebendspenden bei Transplantationen), wie viele Leute aus Angst vor Corona trotz Herzinfarkt nicht ins Krankenhaus gegangen sind, für wie viele Rheuma- und Arthrosekranke seit Wochen der schmerzlindernde und das Fortschreiten der Krankheit verhindernde Reha-Sport ersatzlos entfallen ist, wie Kunst, egal, ob Museumsschließungen oder geschlossene Theater oder abgesagte Konzerte,darniederliegt - ja, dann muss man sich irgendwann fragen, ob eine niedrige Sterberate das Ziel jeglichen politischen Handelns sein muss, koste es, was es wolle.
Zum Glück war in D die ärztliche Versorgung, was Coronapatienten betrifft, bisher mehr als in Ordnung, 30 Prozent der Intensivbetten müssen auch in Zukunft für sie freigehalten werden. Es wird wohl trotzdem für alle reichen, was Intensivbetten betrifft. Aber noch makl: Ist das das Ziel, dem sich alles unterzuordnen hat? Gar flächendeckend in der ganzen BRD?
Oder macht Bodo Ramelow in Thüringen bloß vor, was demnächst alle Bundesländer machen nach dem Motto "Rette sich, wer kann?" Das heißt: Die Bundesländer mit wenig Infektionen öffnen alles, ziehen Touristen (und Konsumenten aus Nachbarbundesländern) an, machen Geschäfte, während die Bundesländer mit hohen Infiziertenzahlen weiter Lockdown betreiben (müssen)? Welche Schüler werden wo am besten schulmäßig versorgt und haben so Vorteile für später?
Sehen wir hier gerade den Untergang des Föderalismus oder im Gegenteil seine Stärkung? Warum soll nicht da, wo wenig Corona ist, alles wieder normal sein, warum sollen dort die Leute behandelt werden wie da, wo viel Corona ist? Mit anderen Worten: Vielleicht hat Ramelow recht, wenn er erst mal Lockerungen befürwortet, vorausgesetzt, die thüringischen Landeskinder sind so schlau, halten sich an die Regeln und stecken sich möglichst wenig an. Ansonsten: Freiheit ade. Wenn die Infiziertenzahlen steigen, gibt es wieder Lockdown.
Das wäre dann irgendwo das vielbeschworene Modell des (Corona-) mündigen Bürgers.