Sodele, jetzt hab ich den ganzen Thread gelesen und etliche Male hätt ich gern zugestimmt, widersprochen, zur Diskussion gestellt etc., aber dann säß ich morgen noch da und würde schreiben.
Ums gleich vorauszuschicken: "Mein" aktuelles Modell ist irgendwie so 'ne Mischung aus allem - da wo es für mich individuell machbar und praktikabel ist, versuche ich schon mein Leben möglichst nachhaltig bzw. ressourcenschonend zu gestalten und bei allem anderen bin ich immer dankbar für neue Ideen und Techniken.
Ich weiss dass ich damit das Ruder nicht rumreissen kann, aber ich fühl mich einfach wohler damit.
Ich hab noch nie versucht irgendjemand zu missionieren oder auch nur reinzureden, ich bin definitiv kein Snob und ganz sicher hab ich auch keinen Cent zu verschenken sondern muss auch aufs Geld gucken, dank Corona aktuell mehr als je zuvor.
Ich weiss ganz genau wo meine ökologischen Schwachstellen liegen und wo meine Stärken.
Und ich bin in einer Zeit aufgewachsen in der insgesamt deutlich nachhaltiger gelebt wurde als heute (zumindest in meinem Umfeld) und das Thema auch zu meiner Teenie-Zeit in den 80ern sehr präsent war und die Grünen in den Bundestag gebracht hat.
Ich versuch mich mal am Riemen zu reißen indem ich vor allem aufs Eingangsposting eingehe.
Also zurück zum Fallbeispiel und der Frage:
BlinderPassagi schrieb am 22.11.2019:Im Großen und Ganzen, lebt diese Familie ja schon sehr vorbildlich oder seht ihr das nicht so?
Bis auf das "vorbildlich" klingt das Fallbeispiel für mich schon mal super!
"Vorbildlich" find ich nicht aber nicht gut, weil ich denke dass man da wirklich auf die ganz individuellen Gegebenheiten eingehen muss und was da sinnvoll und effizient möglich ist.
=> Der "dickste Brocken" im privaten Bereich ist in meinen Augen das Dach überm Kopf, die Heizung und das (Warm-)Wasser.
Ich bin absolut überzeugt davon, dass wir in Sachen Energiewende deutlich mehr auf dezentrale, individuelle Versorgung setzen sollten - natürlich neben dem Vorantreiben des Ausbaus der regenerativen Energien und der Förderung der Forschung an neuen Technologien.
Ihr heizt mit Holz - wenn man die Möglichkeit dazu hat und nicht nur das entsprechende Holz (die Brennwerte sind da ja unterschiedlich) sondern auch einen entsprechend eingestellten Brenner ist das 'ne super Sache.
Die Möglichkeit hat aber ja nicht jeder, die allermeisten haben selbst im Neubau-EFH nur die Auswahl zwischen Öl, Gas und im Neubaugebiet vielleicht auch Fernwärme. Das kann man jetzt trefflichst auseinandernehmen was davon wie gut oder schlecht ist - man wird im Endeffekt das beste daraus machen müssen was einem vor Ort zur Verfügung steht und wieviel Aufwand man damit hat.
In meinem 30er-Jahre-Altbau den ich 2004 übernommen habe hängt jetzt ein Gas-Brennwertkessel der die quasi antike Zentralheizung beschickt - ein riesiger Schritt Richtung Nachhaltigkeit im Vergleich zum Öl-Monster von 1974 (auch wenn das Gas das ich beziehe leider noch wenig nachhaltig ist).
Immerhin hab ich aber auch eine thermische Solaranlage auf dem Dach die fast ganzjährig genug Warmwasser für 3 Personen erzeugt und tatsächlich selbst im Winter nur sehr selten ein bisschen Nachhilfe per Gas braucht.
Hier vor Ort mit der vorhandenen Infrastruktur und der Substanz des Hauses geht da kaum mehr außer Abriss und Neubau.
Am effizientesten sind sicherlich Plusenergiehäuser wie die von Rolf Disch. Sowas würde ich auch sofort bauen wenn ich ein neues Haus bauen wollte und die Lage dafür hätte.
Aber ist es nachhaltig Altbau, der noch gut in Schuß ist, abzureißen? Nur weil er nicht auf neue Technologien ausgerichtet ist? Ist es nicht besser das, was da ist, bis zum Ende zu nutzen?
Ich betreue ein Mietshaus von 1960 in dem 4 Wohnungen eine Öl-Kachelofen-Heizung haben die mehrere Räume versorgt. Eigener Tank im Keller, keine Abrechnungskosten, nur einmal im Jahr Wartung - volle Kontrolle über die Heizkosten die DEUTLICH niedriger sind als sie es mit Zentralheizung wären. Und - TATSACHE - die Mieter sind sparsam. Einfach schon weil sie's persönlich direkt im Geldbeutel erleben wieviel sie sparen können beim Thema "Richtig Heizen und Lüften".
Wäre Abreissen und neu Bauen nachhaltiger? Und wie wichtig ist der soziale Aspekt, denn wir reden ja von den seltenen "bezahlbaren" Wohnungen? Ist der Neubau-Klops wirklich besser? Vor allem wenn er auch noch mit erdöl-basierten Kunststoffen hermetisch gedämmt wird (ich sag nur: Londoner Hochhausbrand - diese Dämmstoffe sind brandgefährlich)?
=> Zweitdickster Brocken: Mobilität
Der Thread wurde vor Corona eröffnet, nachdem jetzt Home-Office zwischendurch sehr gut funktioniert hat hoffe ich tatsächlich darauf dass sich anhand der Erfahrungen da noch einiges optimieren wird - mit Vorteilen sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer und vor allem für die Umwelt.
Ich war schon immer für einen kostenlosen ÖPNV, dessen Ausbau und für die Reaktivierung alter Gleise - davon sind wir aktuell natürlich noch meilenweit entfernt.
Wir haben aktuell zu zweit 3 Autos - jeder seins + ein "Spassauto". Aktuell stehen sie hauptsächlich blöd rum, dank HomeOffice werden sie alle kaum bewegt (das "Spassauto" wurde dieses Jahr vermutlich keine 300km bewegt). Solange sie fast nur rumstehen sind sie aber auch nicht "nicht-nachhaltig" (nur in der Versicherung teuer).
Mit dem Berlingo meines Freunds können wir nicht nur super Großeinkauf für unsere Senioren und für uns machen sondern auch alles was in Sachen Garten (auch bei den Senioren) anfällt locker ver- bzw. entsorgen. Würde eigentlich reichen - aber wie gesagt, in Sachen Nachhaltigkeit ist ein Auto das nur irgendwo in einer Garage blöd rumsteht ohne irgendwelchen Verbrauch ja auch kein Problem.
=> Drittdickster Brocken: Ernährung.
Ich hab den allergrößten Respekt davor wenn jemand Käse selbst macht - aber das wär mir dann doch tooooo much.
Fleisch, Milchprodukte, Gemüse etc. regional vom Biohof - super, sofern bezahlbar und Möglichkeit vorhanden. Wenn man sich dafür allerdings dann ins Auto setzen muss relativiert sich das auch wieder...
Wir haben hier in der Kleinstadt als Alternative fußläufig zweimal die Woche Markt mit regionalen Beschickern (teils bio, teils konventionell) und auch noch ein paar alteingesessene handwerkliche Metzger-Fachgeschäfte, sowohl Bio als auch konventionell.
Vor allem haben wir halt auch eigenen Anbau - bzw. hatten, leider hat mein Bruder sämtliche Streuobstwiesen und Gartengrundstücke geerbt und mir bleibt nur noch mein Hausgarten - aber allein aus dem haben wir mehr als wir selbst verbrauchen können und verschenken auch viel.
Ich koche viel ein und friere auch einiges ein aus dem Hausgarten (aktuell wachsen uns immernoch die Buschbohnen übern Kopf).
Ja klar, ist Arbeit. Aber es verschafft mir eine tiefe, innere Befriedigung z.B. ein Glas Tomaten-Sugo aus der Speisekammer zu holen und tatsächlich genau zu wissen was da drin ist. Oder im Frühjahr noch einheimische Lageräpfel aus dem tiefen Keller holen zu können...
Von Selbstversorgung sind wir natürlich trotzdem noch weit entfernt (da will ich auch garnicht hin) und kaufen natürlich zu.
Aber ich muss da wirklich laut schreien von wegen das Wissen sei verloren gegangen - ich bin damit aufgewachsen, so kompliziert ist das nicht und die Rezepte die man googeln kann sind nicht anders als die meiner Großmütter (abgesehen von den angeblichen Geheimzutaten *g*).
Aber ich könnte jetzt gaaaaaaaaaaaaaaaanz weit ausholen in Sachen Naturgarten etc.
Und ja, selbst Igelfütterung ist nachhaltig...
=> Müll
Grundsätzlich gilt immer: Müll vermeiden ist besser als Recycling.
Mülltrennung ist schon seit den 80ern obligatorisch (dass die Entsorger/Verwerter es mit dem Recycling nicht hinkriegen sondern das Zeug ins Ausland verschiffen und noch Geld damit machen ist etwas über das ich durchgängig seit den 80ern nicht aufhören kann zu kotzen).
"Dank" Corona darf ich mir aktuell meinen Einkauf nicht mehr ins mitgebrachte Behältnis geben lassen. Hat vorher aber zuverlässig geklappt. Die mitgebrachten Plastikdosen sind tatsächlich (von meiner Mutter geerbt) noch aus den 50ern. Ich brauch keine neuen "schicken" Behältnisse.
Überhaupt ärgere ich mich wenn Leute strahlend erzählen dass sie sich einen Baumwoll-Beutel gekauft haben damit sie künftig ökologischer einkaufen können. Wir haben gefühlt um die 100 solcher Beutel die uns seit den 80ern begleiten - ich scheiss auf jeden neu gedruckten FFF-Beutel, macht erstmal die Schränke leer bevor Ihr noch mehr davon auf den Markt werft!!! Wenn eins in meinen Augen kontraproduktiv ist, dann noch mehr Beutel zu erzeugen!
=> Badezimmer / Kosmetik
Dusche und Wanne hab ich mittlerweile fast 100% plastikfrei und unverpackt gekriegt. Ich bin aufgewachsen mit Seife, jahrelang hab ich Duschgel in Flaschen benutzt, dann wieder etliches an Seifenstücken ausprobiert und bin jetzt wieder bei seifenfreien Waschstücken gelandet die meiner Haut so gut tun dass ich sie nicht mehr eincremen muss (noch 'ne Plastikflasche weniger). Rasierschaum brauch ich auch nicht mehr (noch 'ne Flasche bzw. Dose weniger).
Ansonsten arbeite ich dran. Zahnpasta selbst zusammenrühren - jo, könnte man, ist kein Ding. Aber ich will nicht auf meine elektrische Zahnbürste verzichten und die ist ökologisch gesehen sicher das größere Problem.
Aber das ist dann tatsächlich Kleinkram...
Ganz wichtig ist mir: Es muss nicht alles was alt ist direkt ausgetauscht werden - angefangen mit Gebäuden.
Der Trend geht zu "Tiny Houses"?
Prima, dann kann man vielleicht auch wieder in den kleinen Wohneinheiten von Altbauhäusern gut wohnen - denn ökologisch gesehen sind die energetisch deutlich besser als "Tiny Houses"...