Laucott schrieb:Wie war oder ist es denn bei Dir ?
Wie gesagt, ich habe hier absolut jeden Beitrag gelesen und bin begeistert!
Meine Berufslaufbahn ist bei mir wesentlich unspektakulärer als bei anderen.
Nach meinem ersten Flug mit acht Jahren wollte ich unbedingt Pilotin werden, allerdings interessierte es mich nicht, Passagiere zu befördern, ich wollte mit riesen Frachtmaschinen fliegen.
Das wäre aber niemals möglich gewesen, denn beim körperlichen Eignungstest wäre ich in hohen Bogen hinausgeflogen.
Flugbegleiterin interessierte mich nie – Leute bedienen ist nicht so mein Ding, außerdem hätte ich auch dort den körperlichen Test nicht bestanden - nicht einmal heute, wo das Niveau derart gesunken ist, hätte ich eine Chance.
Ich bin ehrlich: es gab keinen einzigen Beruf, der mich begeisterte und der möglich war. Ich wusste, dass mir der Verdienst irrsinnig wichtig ist.
Um mir meine Urlaube finanzieren zu können, jobbte ich in jeden Schulferien. Dabei war die Arbeit in einem Reisebüro am ehesten mein Geschmack. Aber der Verdienst in dieser Branche war unter aller Sau.
Ich jobbte auch in einem Kosmetiksalon – das liegt mir überhaupt nicht und ich habe auch Null Interesse für diesen Weiberkram (sorry, selbstverständlich gibt es auch viele Männer, die sich dafür begeistern)
Mit 15 Jahren hatte ich die Nase von der Schule derart voll, dass ich mir eine Lehrstelle suchen wollte. Ich suchte aber nur nach Verdienst. Ich kam drauf, dass alles, was ich noch eher bevorzugte, schlecht bezahlt wird.
Da entdeckte ich die Baubranche. Maurer verdienten gut – das wollte ich werden. Ja, ich testete den Beruf sogar ein paar Tage lang – ich bekam sofort die Ernüchterung, dass ich das körperlich nie schaffte, außerdem fiel es mir schwerer als gedacht, in großer Höhe herum zu klettern.
Ich war auf mich selbst so wütend, dass ich das nicht auf die Reihe bekam!
Somit blieb ich in der Schule und nahm mir vor, Fluglotsin zu werden – die bekamen gut bezahlt. Die Auswahlkriterien sind hart und Bewerber gibt es zum saufüttern….
Ich wollte es aber trotzdem.
Dann kam das letzte Schuljahr, nicht nur das, es neigte sich sogar dem Ende zu.
Ich wurde von allen Seiten gefragt, was ich nun nach der Schule machen werde – Lotsin nahm keiner ernst.
Dann sagten zwei Personen in meinem Bekanntenkreis, ich soll dieses Formular ausfüllen und es mit einem Passbild versehen wieder zurückbringen.
Es handelte sich um ein Standard Bewerbungsformular von einem namhaften, großen Konzern. Beim Ausfüllen dachte ich mir, dass ein normaler Sachbearbeiter Bürojob nicht unbedingt gut bezahlt ist.
Ich wusste, dass man in diese Firma nur mit Vitamin B rein kommt, deshalb nahm ich die Bewerbungsunterlagen nicht ernst. Ich füllte sie eher lieblos aus und gab sie den beiden Bekannten zurück.
Schon kurze Zeit später bekam ich einen „netten“ Brief von dieser Firma mit der Aufforderung, zum Aufnahmetest und zum Betriebsarzt zu erscheinen.
Alle (und ich selbst auch) dachten, dass ist das 0815 Programm, was jeder Bewerber durchmacht.
Ich war nicht einmal besonders schön angezogen, als ich zum Termin erschien.
Der Aufnahmetest wurde schon damals am PC durchgeführt und dauerte 2,5 Stunden. Die anschließende Stippvisite beim Betriebsarzt dauerte keine 10 Minuten.
Ich ging heim und dachte, das wars.
Eine Woche später kam ein Brief (ja, damals kamen diese Dinge noch altmodisch per Post) von der Firma.
Ich sagte noch zu meiner Oma: „Das ist jetzt die vorgedruckte Standardabsage, die jeder bekommt“
Als ich ihn öffnete, war ich richtig entsetzt. Es stand: „Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass wir Sie ab… als Karenzvertretung in unserem Unternehmen begrüßen zu dürfen….. Bitte melden Sie sich am…. um…. im Personalbüro und bringen Sie Ihr Schulabschluss- und ein aktuelles Leumundszeugnis mit….“
Ich war schon entsetzt, denn ich wollte Lotsin werden. Dann war noch ein Punkt, der mir sauer aufstieß: ich musste bis Freitag in die Schule und bekam eben an diesem Freitag mein Schulabschlusszeugnis und an darauffolgenden Montag sollte ich bei dieser Firma anfangen - keine Verschnaufpause zwischen Schule und Arbeit!
Meine Oma war so glücklich und froh, dass ich dort aufgenommen wurde. Auch alle Freunde und Bekannten gratulierten mir zum „Lotto Sechser“ – nur ich selbst war unglücklich darüber.
Ich wusste, für die Lotsenausbildung ist mein Englisch noch nicht gut genug, deshalb dachte ich, dass ich bei dieser Firma anfange und nebenbei einen Englisch Kurs besuche und dann die Ausbildung machen wollte.
Ich bedankte mich bei den beiden Herren, denen ich diesen Job zu „verdanken“ hatte und bekam zu hören, dass es denen imponiert hatte, dass ich in jeden Schulferien jobbte – das machte den Eindruck, dass ich „fleißig“ bin – diese Erwartungshaltung erzeugte weiteren Druck in mir.
Dann kam er: der gefürchtete erste Arbeitstag.
Ich ging schon mit einen ganz eigenen, unguten Gefühl hin. Im Personalbüro wurde ich von oben bis unten mit Blicken gemästet. Mir wurde sofort vermittelt, dass das nur eine Stelle als Karenzvertretung ist und ich mir keine Hoffnung machen soll, dass ich nach diesen zwei Jahren weiterbeschäftigt werde.
Ich dachte mir: „Gott sei Dank, hier will ich nicht alt werden….“
Überrascht war ich aber über mein Gehalt, was ich erstmals im Arbeitsvertrag sah. Es war nicht üppig, aber doch mehr als ich gerechnet hatte.
Auch an meinem – mir zugeteilten – Arbeitsplatz bekam ich zu spüren, dass ich nicht in dieses schicki micki Klientel passe – kein Wunder, ich mit meinen alten, einfachen Alltagsfetzen.
Selbstverständlich bekam ich den schleißigsten Haken zugeteilt.
Einschulung – Fehlanzeige! Aber schüchtern war ich noch nie, deshalb habe ich ständig gefragt und alle so lange genervt, bis sie es mir zeigten.
Ich kam schnell drauf, dass diese Arbeit viel zu umständlich erledigt wurde. Ich strukturierte sie für mich selbst um, damit ich es einfacher hatte. Den anderen war es egal, wie ich diese Arbeit erledigte.
Die zwei Jahre vergingen, ich hatte meine Arbeit fest im Griff, aber wohl fühlte ich mich dort nicht. Ich war aber zu faul, mich in Englisch weiterzubilden. Ich verschob es auf die Zeit nach den zwei Jahren.
Ich dachte, wenn ich dann endlich arbeitslos bin, habe ich genug Zeit für Englisch und dann die Lotsenausbildung.
Ich war überglücklich, als nach diesen Jahren endlich mein letzter Arbeitstag anbrach. Die Dame kam von der Karenz zurück und ich ging ins Personalbüro um mich abzumelden.
Dann geschah das, womit ich niemals gerechnet hatte. Ich bekam einen festen, unbefristeten Arbeitsvertrag vorgelegt – inklusive Gehaltserhöhung.
Ich fragte die Dame, wie es das gibt, denn mir wurde am Anfang gesagt, dass ich nach zwei Jahren gehen muss.
Sie sagte mir, welchen Personen in der Firma sich dafür eingesetzt haben, dass ich bleiben soll.
Ich spüre noch heute, wie schrecklich ich mich in diesem Moment gefühlt habe. Für mich brach eine Welt zusammen, ich musste die Tränen unterdrücken – meine Pläne sind in dieser Sekunde zerplatzt.
Ich soll in dieser Firma bleiben, wo ich mich nie wohl gefühlt habe.
Ich weiß bis heute nicht warum ich nicht einfach gegangen bin und „Nein Danke“ gesagt habe.
Ich unterschrieb wie in Trance den unbefristeten Arbeitsvertrag (die Gehaltserhöhung hat sicher die Hauptrolle gespielt)
Ich ging zurück an meinem Arbeitsplatz und wurde gleich gefragt: „Bleibst uns erhalten?“ als ich „ja“ sagte, merkte ich erstmals, dass sich einige ehrlich freuten.
Auch wenn ich entsetzt war, bedankte ich mich bei allen, die sich für mich eingesetzt hatten. Ich ging auch um CEO (der hieß damals noch Direktor), denn er war die Person, die es im Endeffekt zu entscheiden hatte.
Ich war überrascht, dass er so genau Bescheid wusste. Er sagte: „Ich wäre ja blöd, jemanden gehen zu lassen, der Arbeiten selbstständig effizienter macht und nie krank ist“ – erst da erkannte ich, dass es doch nicht unbemerkt blieb, dass ich mir meine Arbeit zurechtbog.
Ich weiß noch, als ich an diesem Tag heimkam, weinte ich Rotz und Wasser und nicht einmal mein Partner (den ich damals erst ein paar Monate kannte), konnte mich trösten.
Er hatte damals erst wegen mir seine Landwirtschaft aufgeben müssen (darüber hatte ich ein sehr schlechtes Gewissen) und war gerade dabei als Quereinsteiger in der KFZ Branche Fuß zu fassen.
Er sagte, dass wir uns selbstständig machen, sobald er sich mehr Fachwissen angeeignet hatte. Dann bin ich diese Firma los.
Ich nahm mein Schicksal an und dachte, wenn ich schon in dieser Firma arbeite, möchte ich gehaltsmäßig ordentlich aufsteigen (ich wusste ja, was hier möglich ist)
Ich erkundigte mich, welcher Posten wie hoch eingestuft ist. Ich bekam heraus, dass die Buchhaltung hohe Einstufungen hatte.
Ich machte es mir zum Ziel, in die Buchhaltung versetzt zu werden. Das war nicht einfach, denn ich hatte keine Ausbildung dafür und scherte mich auch nicht, eine nebenbei zu machen (ich hatte da auch schon mein erstes Kind).
Ich eignete mir Buchhaltungsarbeit an, anfangs musste ich die an mich ziehen, die unbeliebt war.
Ich nervte wieder alle, es mir zu zeigen.
Ich erkannte schnell, dass Buchhaltung langweiliger ist, als meine alte Sachbearbeiterarbeit. Trotzdem blieb ich dran und schaffte es, in die Buchhaltung versetzt zu werden und deren Gehaltseinstufung zu bekommen – und das ganz ohne Ausbildung dafür.
Auch Buchhaltungsintern gibt es verschiedene Einstufungen. Ich fing an, Arbeit an mich zu ziehen, die ein Akademiker macht.
Der ist ein harter Brocken, der niemanden Einblick in seine Arbeit geben wollte – aber ich war härter und brachte ihn dazu, mir seine Arbeit zu zeigen.
Ich bin mittlerweile zwar seine fixe Vertretung, aber ich muss ehrlich zugeben, dass mich diese Arbeit an meine Grenzen bringt und oft überfordert. Trotzdem bleibe ich des Geldes wegen dran.
Enttäuscht habe ich beruflich meinen Partner. Er wollte unbedingt selbstständig werden. Er fühlt sich nicht wirklich wohl an seinem Arbeitsplatz und weiß dass auch mir meine Arbeit nicht gefällt.
Jetzt, im Nachhinein gesehen, weiß ich, dass wir es leicht geschafft hätten. Er ist echt gut bei seiner Arbeit, Firmen wollen ihn abwerben (geht leider nicht, so lange die jüngsten Kids klein sind) und er bekommt laufend Anfragen von Leuten.
Warum habe ich mich dann nicht mit ihm selbstständig gemacht?
Ich hätte ein Haus mit Werkstatt kaufen müssen. Das wäre nur in einer ländlichen Region finanzierbar gewesen und wir hätten Schulden machen müssen. Ich wollte weder am Land wohnen, noch Schulden machen.
Außerdem habe ich immer im Hinterkopf, dass ich einen absolut sicheren Arbeitsplatz habe und dort bis zur Pension bleiben kann.
Ich bin zwar keine Großverdienerin, aber für meine Ausbildung verdiene ich überdurchschnittlich.
In der Firma habe ich – die für mich – höchst mögliche Einstufung erreicht, das Kämpfen hat aber noch kein Ende.
Jetzt möchte ich durchsetzen, dass ich öfter von daheim aus arbeiten kann. Momentan darf ich das leider maximal einmal pro Woche. Durch Urlaube und Krankenstände anderer ist es aber leider nicht jede Woche möglich.
Meine Tätigkeit eignet sich perfekt für Teleworking.
Ich bin eh bekannt dafür, dass ich lästig und hartnäckig bin, bis ich das habe, was ich haben will - ich werde mehr Tele Tage bekommen!
Fazit: ich arbeite seit 23 Jahren in einer Firma, wo ich mich nie wohl gefühlt habe und mache eine Arbeit, die mich nie wirklich interessiert hat (Das ist pervers, ich weiß)
Ich sehe es aber positiv: ich verdiene überdurchschnittlich und konnte drei Kinder mit Vollzeit verbinden (das war nicht immer leicht und erforderte Ellbogentechnik)
Mit meiner - immer schon vorhandenen - Hartnäckigkeit, Durchhaltvermögen und den hinüber weg sehen vieler Dinge werde ich es bis zu meiner Pension durchziehen.