Brücke in Genua eingestürzt - Ursachen?

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/genua-renzo-piano-will-neue-bruecke-bauen-a-1227142.html

Das Bauwerk aus Stahl solle tausend Jahre halten. Die neue Brücke solle weiß werden und Ähnlichkeiten mit einem Schiff haben.

Hier ein Modell der Brücke. Kaum zu glauben, wieviel Spaß man beim Vorstellen des Entwurfs haben kann.
http://www.tgcom24.mediaset.it/2018/video/crollo-ponte-genova-castellucci-rompe-il-plastico-di-renzo-piano_3083447.shtml

emz schrieb:Das Bauwerk aus Stahl solle tausend Jahre halten. Die neue Brücke solle weiß werden und Ähnlichkeiten mit einem Schiff haben.
Hier ein Modell der Brücke. Kaum zu glauben, wieviel Spaß man beim Vorstellen des Entwurfs haben kann.
http://www.tgcom24.mediaset.it/2018/video/crollo-ponte-genova-castellucci-rompe-il-plastico-di-renzo-piano_3083447.shtml

Seltsamer Auftritt. Das sind zwar nur ein paar Sekunden-und vielleicht legt man da zu viel rein.
Es sieht falsch aus.

Bei dem Wort Schiff dachte sofort "Titanic".

@emz
@frauZimt
Lachen die denn nicht weil der Typ das Modell kaputt macht? Fällt ja auseinander, man sieht noch ein Teil das nach vorne gefallen ist und eins an der Seite....

@NeonMouse

Schon, aber ich finde, der Hintergrund ist halt eine real zusammengefallene Brücke, das sollte man ein bisserl im Auge behalten. Zumindest nicht ins Netz stellen.

@emz
Das war ne Pressekonferenz, da wirst du nicht vermeiden können dass es ins Netz geht.

Peinlich berührtes Lachen find ich aber noch irgendwie besser als ein "ach du Scheisse" und absolute Betroffenheit...

Viel wurde versprochen.
Wie sieht es aus, in Genua?

Am Donnerstag sind es hundert Tage, die seit dem Einsturz der Autobahnbrücke im Stadtgebiet von Genua vergangen sind. Beim Staatsbegräbnis einiger der Opfer im August applaudierten die Menschen den herbeigeeilten Politikern. Sie vertrauten auf deren Versprechungen, für sie etwas tun zu wollen. Inzwischen hat sich ein Gefühl von allgemeinem Frust verbreitet.
Genua ist drei Monate nach dem Einsturz immer noch eine geteilte und ins Chaos gestürzte Stadt. Details zum Wiederaufbau, ja nicht einmal für den Abriss der noch stehenden Brückenpfeiler gibt es nicht, alles scheint offen.

Seit dem Einsturz erstickt die 600.000-Einwohner-Stadt im Verkehrschaos. Weil die wichtigste Verbindungsachse zwischen Westen und Osten der Stadt unterbrochen ist, auf der jährlich 28 Millionen Fahrzeuge fuhren, staut sich der Verkehr auf den Umgehungsstraßen. Fast 100.000 Anwohner des Polcevera-Tals, über das die Autobahnbrücke führte, sind abgeschnitten und müssen lange Umwege fahren. Wer morgens in den westlichen Stadtteilen den Nahverkehr nutzen will, um ins Zentrum zu kommen, muss Schlange stehen, um in die Bahn oder den Bus zu gelangen.
Für die Stadtbewohner kommt hinzu: Seit Wochen herrscht ein Müllchaos in der Stadt. Eine Deponie wurde durch den Brückeneinsturz in Mitleidenschaft gezogen, seit den Unwettern in den vergangenen Wochen sind die Reinigungsbetriebe mit der Beseitigung von Schäden und vom Meer angespültem Unrat beschäftigt. Die Folge: Viele Mülltonnen bleiben ungeleert.
.........
Allein die Ernennung eines Sonderkommissars, der Bauaufträge vergeben kann und den Wiederaufbau koordinieren soll, hat fast zwei Monate gedauert. Zum Kommissar wurde schließlich Genuas Bürgermeister Bucci ernannt. Der erklärte, der Abriss der noch stehenden Brückenteile solle am 15. Dezember beginnen, das neue Viadukt werde Ende des kommenden Jahres stehen. Als „völlig unrealistisch“ bezeichnen Kenner diese Prognose. Bereits die Einrichtung der Baustelle könne ein halbes Jahr dauern, sagen sie.

Erst vor wenigen Tagen verabschiedete die Regierung ein Notfalldekret. Darin wird unter anderem festgehalten, dass der Autobahnbetreiber Autostrade per L’Italia die Baukosten für die neue Brücke übernehmen soll. Dem Konzern wird vorgeworfen, die Wartung der Morandi-Brücke vernachlässigt zu haben. Derzeit untersuchen im Auftrag der italienischen Justiz Sachverständige in der Schweiz Brückenteile, um die genaue Unglücksursache festzustellen. In einem Prozess sollen dann die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Wie lange dieser dauern wird – auch das ist kaum abzusehen.

https://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/Eingestuerzte-Morandi-Bruecke-Genua-und-seine-klaffende-Wunde-id52745271.html

@frauZimt

Es tut sich tatsächlich kaum etwas. Offensichtlich hängt alles davon ab, wer die Baumaßnahmen durchführen und wer die Finanzierung tragen wird, wobei man sich anscheinend noch gar nicht entschieden hat, was für eine Brücke man denn überhaupt bauen möchte.

Wenn ich es richtig verstanden habe, will man an anderer Stelle eine Stahlbrücke zur Entlastung der Stadt bauen.
Aber Vorsicht, mein Italienisch ist rudimentär und der Übersetzer bringt's auch nicht immer.
https://translate.google.com/translate?hl=de&sl=it&u=https://www.ilfattoquotidiano.it/2018/11/19/genova-progetto-di-fincantieri-per-un-ponte-alternativo-in-attesa-del-morandi-decongestionera-la-viabilita-interna/4776398/&prev=search

emz schrieb:Es tut sich tatsächlich kaum etwas. Offensichtlich hängt alles davon ab, wer die Baumaßnahmen durchführen und wer die Finanzierung tragen wird, wobei man sich anscheinend noch gar nicht entschieden hat, was für eine Brücke man denn überhaupt bauen möchte.
Wenn ich es richtig verstanden habe, will man an anderer Stelle eine Stahlbrücke zur Entlastung der Stadt bauen.

Das ist das, was man sieht. Wenn sich die Politik so blamieren möchte- und auch die Firma, die die Brücke warten sollte,-
ist das eine Sache.
Typisch Italien denkt die Welt.
Im Artikel steht, wie sehr das Chaos die Stadt beherrscht,- und der Müll stinkt zum Himmel, weil eine Mülldeponie mitbetroffen wurde.

Aber wie steht es um die, die schnell in den Hintergrund rücken? Die Opfer?
Ist da inzwischen mehr als ein paar Almosen angekommen?
Ich fürchte nicht.

https://www.stern.de/panorama/video-spektakulaere-sprengung-in-genua-8774838.html

Heute wurde die Brücke gesprengt. Eindrucksvoll.

Aktuell laufen die Ermittlungen gegen derzeit 74 Personen, die in der italienischen Presse auch tatsächlich namentlich benannt sind.
Quelle: https://genova.repubblica.it/cronaca/2019/03/13/news/ponte_morandi_74_indagati_e_due_societa_nel_fascicolo_della_procura-221470693/amp/

die Überreste der Brücke wurden in einer Lagerhalle verbracht, die vom Militär Tag/Nacht überwacht wurden. Diese Überreste wurden von 3 Gutachterfirmen überprüft. Die wichtigsten Beweise wurden unter Verschluss von der Guardia Di Finanzia zur Schweiz gefahren, zwecks dortiger Begutachtung.

1999 wurde die italienische Autobahn privatisiert - 6000km wurden an 24private Organisationen vergeben. Diese sollten Wartungen und Reparaturen übernehmen, der Staat sollte kontrollieren, dass Wartungsarbeiten tatsächlich getätigt werden. Wartungen wurden kaum getätigt - zumindest erkennt das Finanzamt kaum Geldinvestitionen. Der Staat hat sein Maul gehalten.

Noch 10 Monaten vor dem Unglück hatte ein Gutachter Anomalien aufgezeigt, nachdem mehrere Sensoren viel zu hohe Vibrationen aufwiesen - dieser Hinweis wurde ignoriert, spätestens hier sprechen wir von fahrlässiger Tötung.

Wir sprechen immer noch von den Autobahnen mit den höchsten Autobahngebühren Europas, aber wo bleibt das Geld? Ich hoffe dass die Verantwortlichen ins Gefängnis kommen.

Die Morandi Brücke hätte vor 10 Jahren saniert werden müssen, aber es ist wohl zu geil, bis zum bitteren Ende Kohle damit gemacht zu haben.

nin83 schrieb:Die Morandi Brücke hätte vor 10 Jahren saniert werden müssen, aber es ist wohl zu geil, bis zum bitteren Ende Kohle damit gemacht zu haben.

Eine Brücke zu kaufen und dann erst mal zu sanieren, noch bevor man Geld gemacht hat, das ist aber auch nicht allzu geil. ;)

emz schrieb:Eine Brücke zu kaufen und dann erst mal zu sanieren, noch bevor man Geld gemacht hat, das ist aber auch nicht allzu geil.

Wer zwingt zum Kauf?
Gibt es keine Sicherheitsauflagen seitens des italienischen Staats?

Das Geld ist längst da - die Autostrade Italien verzeichnen seit Jahren Gewinne.
Ich weiß nicht ob es jedem bewusst ist. Die Fahrt auf der Autobahn kostet jeden was

Wenn Du von Como nach Mailand zur Arbeit fährst, handelt es sich um 35km Autobahnfahrt, hin- und Rückweg 7,8€, Diese Kostet dich im Jahr (220 Arbeitstage)1716€.

Die Autobahnen und Brücken in Italien stehen nicht auf Schulden. Durch die hohen Mautgebühren samt seigernder Nutzung von Autobahnen liegt der Fehler nicht darin, dass das Geld nicht da sei.
Die finanziellen Mitteln sind da.

Der Staat hat die Autobahnen privatisiert. Das bedeutet aber, dass die Autobahngebühren für folgende Punkte investiert werden müssen:
X Fehler beseitigen
X Wartungsarbeiten regelmäßig durchführen
X Gutachten ernst nehmen, Empfehlungen prüfen

Gibt es eigentlich seriöse Quellen, die darüber Auskunft geben, was nun die letztendliche Ursache für den Einsturz war? Sind hier die Ermittlungen überhaupt schon abgeschlossen? Hieß es nicht, die betonummantelten Seile hätten Schäden aufgewiesen, die man nicht erkennen konnte?

Ich fände das wesentlich interessanter, als pauschale Vorwürfe in Richtung mangelnde Kontrolle durch den Staat abzusetzen.

Wie so häufig gibt es nicht die "eine entscheidende" Ursache, die das Desaster verschuldet.

A) Morandi selbst mahnte 1979 regelmäßige Kontrollen und Reparaturen an, da die Nähe zur Industrie und zum Meer eine erhöhte Korrosion verursachen werden .
B) selbiges wurde im Jahre 2000 von der Uni Genova angemahnt. Endoskopische Untrsuchungen am Pylon No. 11 ergaben einen hohen Grad an Oxidation. Wodurch Oxidation? Kleinste Haarrisse lassen Feuchtigkeit rein, so entsteht Oxidation der Stahlseile.
C) Anfang 2018 wurden am Westpylon durch Messungen der Reflektrometrie und Potentialfeldmessung Feststellungen dahingehend gemacht, dass eine Tragfähigkeitsreduktion von 20% vorlag.

Quelle: Wikipedia: Polcevera-Viadukt

Anders als empfohlen wurden keine Kernproben des Betons entnommen, auch wurde keine Gammastrahlendurchleuchtung des Betonstabs mit den Tragseilen durchführt.

Das Gericht erhält aktuell detaillierte Gutachten, die das Ausmaß weit mehr erklären. Aber wir wir es drehen und wenden, die Message bleibt. Infrastruktur muss regelmäßig gewartet werden. Anomalien müssen beseitigt werden. Jeder, der über diese Brücke gefahren ist, hat darauf vertraut und dafür bezahlt.

Wenn man sich lang genug nachdenkt und dann sucht, findet man alles wieder:
Beitrag von emz (Seite 5)

nin83 schrieb:B) selbiges wurde im Jahre 2000 von der Uni Genova angemahnt. Endoskopische Untrsuchungen am Pylon No. 11 ergaben einen hohen Grad an Oxidation. Wodurch Oxidation? Kleinste Haarrisse lassen Feuchtigkeit rein, so entsteht Oxidation der Stahlseile.

Es war wohl so, dass ein Teil der Stahlseile nachträglich mit Beton ummantelt worden war. Keine besonders gute Idee.

https://www.nzz.ch/wirtschaft/genua-nach-dem-abbruch-hofft-die-stadt-auf-den-aufbruch-ld.1528084 (Archiv-Version vom 14.12.2019)

Im April soll die neue Brücke fertiggestellt sein.

Es gibt viele optimistische Auf- und Umbruchspläne für die gesamte Stadt Genua. Allerdings schließt der Artikel mit den Worten:

Die Gefahr ist gross, dass zwar die neue Autobahnbrücke bald fertig wird, die Aufbruchstimmung jedoch abbricht. Dann würde der Niedergang Genuas weitergehen.

Warum denken alle immer an gerissene Seile? Oder zumindest an 1 gerissenes Seil? Auch andere geschädigte Teile hätten zum Einsturz führen können. Das ganze Konstrukt war keine Brücke, sondern ein Kunstwerk. Aus meiner Sicht wollte sich der Konstrukteur einen Namen machen und vergaß darüber den eigentliche Zweck dieser Brücke. Die neue ist genau das Gegenteil - einfach, robust und leicht zu kontrollieren. Die Italiener hatten keine Lust mehr auf Kunstwerke, die eher einem Experiment glichen.

Die Turmspitze ist weggebrochen. Aber nicht weil ein Seil riss, sondern weil evtl. die Fahrbahn zu schwer war. Dazu kam der Verkehr, den sich Onkel Morandi wohl zu der damaligen Zeit nicht vorstellen konnte. Endlose Staus und die später aufgestellten Betonklötze als Fahrbahnbegrenzungen waren eine Dauerbelastung. Da kann schon mal eine Turmspitze wegbrechen, denn wenn die Wind und Wetter ungeschützt ausgesetzt war, könnte auch dort der Rost genagt haben. Die Seile waren beim Einsturz alle 4 noch dran.

@Hinseher
Du bist Statiker...?