martenot schrieb:Ich muss zugeben, dass ich mich persönlich schon gern erkundige, woher jemand stammt, weils ja bei vielen Menschen letztlich doch Teil ihrer Identität ist (z.B. weil sich daraus Essensvorlieben, die Muttersprache der Eltern bzw. Verwandten und so weiter ableiten). Inzwischen warte ich mit meiner Frage aber ab, ob sich mal eine entsprechende Gelegenheit ergibt. Das könnte zum Beispiel sein, dass jemand eine Speise seiner Heimat ins Büro mitbringt. Dann fände ich es ehrlich gesagt seltsam, wenn man nicht nachfragen sollte, woher denn die Speise ursprünglich stammt.
Ich finde es grundsätzlich auch eine schöne Geste und finde es gut, dass es in der "Arbeitskultur" in meinem Beruf üblich ist.
Mitgebrachte Speisen sind übrigens auch häufig, immer wieder auch dass sie jemand zu einem Festtag aus seiner eigenen Kultur anfertigt und dann mit einem Zettel dazu in der Kaffeeküche abstellt: zu Diwali, zu Eid al-Fitr.... oder vielleicht auch zu einem Fest zu dem man selbst Bezug hat aber zu dem in einem anderen Land etwas ganz anderes gegessen wird (wie wäre es mit einem fruit cake zu Weihnachten?).
Ich persönlich halte die Frage "Woher kommst du denn?" nicht unbedingt für ehrenrührig oder problematisch. Ich denke halt, dass man auch jede Antwort akzeptieren sollte. Wenn also jemand mit afrikanischem Aussehen sagt, dass er aus Wuppertal stammt, dann ist das so und ich bohre auch nicht nach im Sinne von "Ja, aber woher kommst du wirklich?".
Ds sehe ich auch so. Und: Auch ich bohre da nicht nach.
Die von mir genannten Kollegen stammen übrigens wirklich aus dem Ausland, ganz konkret: mit Arbeitsvisum in Deutschland.
An einem meiner früheren Arbeitsplätze waren das Menschen aus über 40 Ländern; allein in meinem Promotionsjahrgang 20 von 22 Doktoranden erst für die Promotion nach Deutschland gekommen.
Ich bin gerade im Ausland; erst letztens hatte der Kollege im Büro neben mir einen Besucher da, den er auch mir vorstellte. Frage Nr. 2 war woher ich komme (optisch dürfte ich hier wenig auffallen, Name an der Tür und mein Akzent fallen aber auf), Frage Nr. 3 war dass mein Name aber nicht deutsch wirke (kurzes Gespräch in welcher Region Deutschlands der Name üblich ist). Fand ich persönlich nicht aufdringlich, weiß aber auch dass dergleichen in anderen Kontexten nicht gut ankäme.
Hanne_Lore schrieb:Wahrscheinlich weil sie in anderen Ländern die Erfahrung nicht gemacht haben und sie diese Fragen vielleicht selber gar nicht als Rassismus empfinden.
Mich würde schon mal interessieren, ob in anderen Ländern auch so ein Zirkus darum gemacht wird.
In dem wir solch simple Fragen unnötig "verheikeln" geben wir ihnen doch erst das negative Geschmäckle.
Die Frage an sich von wo jemand herkommt ist null wertend oder rassistisch.
Ganz genau. Siehe oben, Zusammensetzung des Kollegenumfelds.
Selbst wurde ich z.B. (als eine der wenigen Personen dort die in Deutschland aufgewachsen sind) auch häufig nach deutschen Speisen, Brauchtümern, Feiertagen etc. gefragt.
Ich erinnere mich an eine Situation als jemand im Kalender über "Christi Himmelfahrt" stolperte.
Auch das empfinde ich nicht als aufdringlich.
Das mit dem "Verheikeln" sehe ich genauso. Da werden dann z.B. auch schon Theaterstücke (auch für kleines Kindertheater, z.B. in der Schule) gemieden, da kommt ja ein Schwarzer vor und alles ist falsch:
- Kein dunkelhäutiges Kind vorhanden? Schminken darf man nicht, das ist Blackfacing.
- Kein dunkelhäutiges Kind vorhanden? Nicht schminken und z.B. Jim Knopf ist jetzt ein blonder kleiner Junge, dann wird da ein Charakter weiß gemacht.
- Das ggf. einzige dunkelhäutige Kind spielt diesen Charakter? Dann ist das stereotype Zuweisung.
Zu Verkleidungen:
Ich find es sinnvoll den Kontext zu berücksichtigen.
Ein "jede Verkleidung als ein Mensch der dunkler als man selbst ist ist Blackfacing" ist IMHO zu pauschal.
Schwarze Menschen verspotten (übertriebene Gesichtszüge mit wulstigen Lippen, dümmliches Verhalten - a la "Minstrel Show", "einen N* machen")?
Kein schwarzer Schauspieler, weil man der Meinung sei, weiße Schauspieler "könnten alle Rollen spielen"?
Oder ist da z.B. kein schwarzer "Schauspieler", weil die kleine ländliche 13-Schüler-Schulklasse schlichtweg keine schwarzen Schüler hat?
Oder wie in dem Fall eine ganz konkrete Person, und das ohne jegliche karikaturhafte Verzerrung, darstellen?
Den Kontext nicht zu berücksichtigen erinnert mich persönlich (habe längere Zeit in den USA gearbeitet) daran, Brüste und Geschlechtsorgane automatisch mit Pornografie gleichzusetzen - während man in Deutschland den Kontext berücksichtigt, z.B. antike Statue, Aufklärungsmaterial, medizinische Darstellungen (für Minderjährige geeignet) vs. Pornografie (nicht für Minderjährige geeignet).
V8Turbo schrieb:Nein, ist in anderen Ländern nicht so. Bin weit gereist und meine Frau hat unter anderem im Ausland gearbeitet. Da ist es einfach nur eine Frage.
Und die Beantwortung zog in 99% der Fälle nette Gespräche nach sich.
Kann ich bestätigen.
V8Turbo schrieb:Es ist möglicherweise einfach nur Interesse an der ursprünglichen Herkunft der Familie.
So sehe ich das auch. Siehe oben, die Frage hier (im Ausland), woher ich komme (Akzent und Name fiel auf) und dann noch nach dem Namen. Eine Frage die ich als interessiert auffasse, und die ich selbstverständlich, wenn ich Anlass dazu gehabt hätte, auch unbeantwortet hätte lassen können (meinetwegen, ich hätte einen Nachnamen der auf Deutsch etwas Peinliches bedeutet und jemand frage was das genau heiße).
martenot schrieb:Wie gesagt, ich finde es nur wichtig, dass man die erhaltene Antwort ernst nimmt und nicht weiter in Frage stellt. Also, wenn jemand erzählt, er stammt aus Mannheim, Wuppertal oder Würzburg, dann ist das eine ebenso gültige und aussagekräftige Antwort, als wenn er sagt, er stammt aus Pakistan, Südkorea oder Kamerun.
Dito. Man kann sich da auch mal verschätzen. Auch mir wurde schonmal ein Migrationshintergrund und Sprachkenntnis zugeschrieben (konkret: ich erstmal mit einem Gruß begrüßt den ich nicht verstand) der nicht zutraf, weil ich eher so aussehe wie viele Menschen von dort und ggf. etwas benutzte oder trank oder aß das dort typisch ist.
Und manchmal kann so ein Migrationshintergrund auch querbeet sein und man identifiziert sich nur mit einem Teil davon.
Meine Meinung: "Der Ton macht die Musik!"
Was m.E. viel, viel relevanter ist: Der Alltagsrassismus der erschreckend verbreitet ist.
Gerade durch das o.g. Arbeitsumfeld hatte ich hier einiges mitbekommen, nur exemplarisch:
- Kollege (aus dem Ausland, zu dem Zeitpunkt Deutschlerner, spricht hervorragendes Englisch) hatte massive Probleme eine Handwerksfirma aufzutreiben die eine dringende Reparatur im Haushalt durchführen sollte. Ausreden, vorgeschobene Umstände mit der Sprache (sachlich nicht vorhanden; ein Mitarbeiter mit zumindest grundsätzlichen Englischkenntnissen dürfte aufzutreiben sein da Englisch selbst in der Hauptschule Pflichtfach ist). Kollege bat mich dann für ihn zu versuchen Handwerksfirmen abzuklappern - kein Problem, mache ich gerne. Zunächst war man mir gegenüber am Telefon normal freundlich wie erwartbar, aber sobald ich zur Sprache bringen musste dass ich für meinen Kollegen anrufe, gab es nicht besonders gut versteckten Rassismus bis wüste Beschimpfungen. Erst Handwerksfirma Nr. 5 war normal und nahm den Auftrag an.
- Im weiteren familiären Umfeld erlebt: Da wurde mir zu Vorsicht bzgl. Kollegen aus bestimmten Ländern geraten, die würden klauen! (Es wurde sich explizit auf die Herkunft bezogen. Z.B. pauschale Warnung vor meinem kroatischen Vorgesetzten.)