@SchwarzHut Ich persönlich halte Selbstdiagnosen nicht per se für schlecht, aber in den meisten Fällen zumindest für potenziell problematisch.
Das Problem ist ganz einfach, dass die meisten Menschen nicht über das Wissen verfügen, das es braucht, um eine sichere Diagnose zu stellen, denn dazu gehört in der Regel weit mehr, als nur den Kriterienkatalog des DSM-V oder ICD-10 zu lesen. Für die Erfassung einer Diagnose spielt die gesamte Vita, der gesamte Lebenslauf einer Person eine Rolle, verschiedene Persönlichkeitsstörungen oder psychiatrische Erkrankungen haben mitunter auch unterschiedliche Ursprünge und unterschiedliche Ausprägungen. Auch wenn es z.B. Kriterien gibt, die Symptomatiken einer Depression kennzeichnen, äußert sich nicht jede Depression gleich. Und genauso verhält sich das bei Persönlichkeitsstörungen und anderen Diagnosen.
Ein weiteres Problem ist die Diskrepanz zwischen Selbst - und Fremdwahrnehmung. Während ich mich selbst vielleicht als besonders introvertiert erlebe und mir Attribute eines Menschen mit schwerer Kontaktstörung zuschreibe, kann mich ein Außenstehender, zudem einer mit sehr viel Berufserfahrung in diesem Bereich, möglicherweise ganz anders einschätzen. Während ich vielleicht glaube, dass meine Probleme auf allgemeiner Ablehnung anderer Menschen basieren, kann ein qualifizierter Außenstehender möglicherweise herausfiltern, dass meine Motive in erster Linie von Angst gekennzeichnet sind. Man selbst ist in seiner Selbstwahrnehmung IMMER äußerst subjektiv und in vielen Dingen auch nicht ehrlich - denn wir alle sind auf eine positive Selbstwahrnehmung bzw. ein positives Selbstbild angewiesen, weshalb wir Aspekte unserer eigenen Persönlichkeit, die wir negativ bewerten (würden), verdrängen, projizieren oder gar abspalten - auf keinen Fall zulassen wollen. Diese Aspekte sind jedoch im Gesamtkontext von großer Wichtigkeit und können nicht einfach übergangen werden, wenn man eine korrekte Einschätzung möchte.
Ich denke zwar schon, dass man als Mensch mit guter Fachkenntnis, guter Introspektionsfähigkeit und Selbstreflexion eine einigermaßen zutreffende Selbstdiagnose erstellen kann, würde diese aber immer von einem (oder mehreren) Experten abklären lassen, vor allem dann, wenn ich auch gewillt bin, an meinem Zustand etwas zu ändern.
Ich wusste auch bereits vor meiner offiziellen Diagnose, dass ich schizoid bin, es aber von 4 unabhängigen Gutachtern bestätigt zu sehen, die sich auch intensiv mit meiner Vita beschäftigt haben und noch mal ganz andere Einsichten in die Thematik haben, allein schon aufgrund ihrer Erfahrungen, gibt mir in diesem Punkt einfach deutlich mehr Sicherheit!