BossMeng schrieb am 26.02.2019:Sicher sollte man dies aber man muss auch abschließen können.
Meine Mama ist ganz früh gestorben und mein Papa letztes Jahr - aber ich habe mich davon nicht unterkriegen lassen. Ich denke gerne an sie aber ich habe die Trauerphase bewusst beendet
Ich weiß nicht ob man eine Trauerphase bewusst und proaktiv beenden kann ehrlich gesagt. Auch wenn ich da weniger Erfahrung damit habe als du, habe ich aber bei mir nahe stehenden Menschen miterlebt wie sie Verluste verarbeiten mussten - da war es im Prinzip immer so dass erst nach einer Zeit überhaupt damit begonnen wurde, sich bewusst mit der Trauer auseinander zu setzen, sich an alles Positive zu klammern und irgendwann, schleichend, waren es dann nur mehr die positiven Gedanken und Erinnerungen die zurück blieben. Als meine Großmutter verstarb konnte ich nicht an sie denken ohne alles negative vor mir zu sehen: All das was ich mir vorzuwerfen hatte, und v.a. die letzten Bilder, die letzten Tage - regungslos im Krankenbett, schon mehr weg als da. Auch wenn ich an positive Erlebnisse gedacht hatte waren diese Gedanken automatisch da. Ich war auch nicht wirklich in der Lage das zu verdrängen. Erst nach ein paar Monaten in denen mich der Alltag wieder hatte, war ich dazu in der Lage.
Doors schrieb am 26.02.2019:Natürlich versterben Haustiere. Meist vor einem selbst. Aber auch Partner können versterben, sogar Kinder. Also aus Angst vor dem Verlust besser von allen Abstand halten? Wäre das Leben dann lebenswerter?
Weil's gerade zum Thema tote Tiere und Menschen passt, mal kurz wiederholt:
Meine Älteste war vier, als ihre Mutter in Beirut von christlichen Milizen ermordet wurde. Was hätte ich ihr sagen sollen, wenn nicht die Wahrheit? Was bringen Lügen in so einer Situation?
Auch beim Tod von Haustieren, der glücklicherweise öfter vorkommt als der Tod von Müttern, sollte man Kindern die Wahrheit sagen. Was denn sonst?
Hamsti hält den Weltrekord im Winterschlaf? Hasi ist mal eben Zigaretten, pardon, Möhrchen holen gegangen?
Auf dem Lande ist der Umgang mit Tieren irgendwie ein anderer.
Als meinem Nachbarn eine unserer Katzen in die Mähmaschine gelaufen war, präsentierte der meiner damals fünfjährigen Tochter den zermatschten Katzenkopf mit den Worten:
"Wör dat dien Katt, mien Deern? Wüllt jo den Rest ok noch hebben?"
Für Menschen südlich der Elbe:
"War das deine Katze, mein Mädchen? Willst du den Rest auch noch haben?"
Sie hat den Kopf genommen und mit mir zusammen beigesetzt. Auf den Rest haben wir verzichtet.
(Hm, "mit mir zusammen beigesetzt" klingt bei nochmaligem Lesen irgendwie irreführend.)
Also, wir haben den Kopf eingebuddelt, auf unserem Friedhof der Kuscheltiere. Katzen haben auf dem Lande ein kurzes, hartes Leben. Ich glaube, Caitlin fand es daher weder besonders ekelig noch besonders traurig.
So lernen Kinder durch Tiere etwas über die Vergänglichkeit des Daseins.
Zum ersten Teil: Es kann dir immer passieren, auch unerwartet. Es geht irgendwo um Wahrscheinlichkeiten, wenn man die Dinge mehr rational als emotional sieht. Ich könnte es vermutlich nicht verkraften wenn mein Kind vor mir das Zeitliche segnen muss. Aber die Chance dass das passiert ist auch gering. Ich habe 20 Jahre Altersvorsprung und mich seit meinem 13. Lebensjahr mit Zigaretten, Energy Drinks und sehr lange Zeit auch mit Fast Food, Süßigkeiten und Alkohol vollgestopft, bin übergewichtig - meine Lebenserwartung liegt sicher nicht bei 100, und sollte nichts wirklich unvorhersehbares passieren (Unfall, Krankheit, Verbrechen oder all die anderen Dinge die ich mir keine Sekunde lang vorstellen möchte) müsste ich aber wohl tatsächlich fast so alt werden um das mitzuerleben. Auch meine Frau die deutlich gesünder lebt als ich wird mich zu 90% überleben. Immer vorausgesetzt es passiert unter natürlichen Umständen. Logisch, warum sollte man etwas anderes in Betracht ziehen.
Bei einem Haustier hingegen liegt die Wahrscheinlichkeit dass es vor dir stirbt im Normalfall bei 100%, oder sehr knapp darunter.
Zum unteren Teil deines Posts: Das ist brutal, sorry. Ich würde so etwas nicht erleben wollen. Bei uns wäre es sicher viel einfacher den Umgang mit der Endlichkeit zu erlernen, wenn irgendein Onkel oder eine Tante die man 2-3x im Jahr bei Familienfeiern oder dergleichen sieht, stirbt als wenn es ein Haustier ist dass einfach über Jahre jeden Tag da ist und zu 100% dazu gehört. Wobei ich bei Tieren, wie auch bei Babys oder ganz kleinen Kindern, höchstwahrscheinlich übersensibel bin, ich kann es überhaupt nicht ertragen wenn die leiden müssen - da sie sich doch kaum wehren können. Obwohl ich sicher kein sensibler Mensch bin, als bei uns in der Siedlung damals ein Dominikaner und ein Marokkaner sich gefetzt haben, ersterer einen Glas-Aschenbecher zur Hilfe nahm und daraufhin Zähne, Lippe, und nicht wenig Blut des zweiteren über den Asphalt verteilt war, und er unter gellenden Schmerzensschreien vom Notarzt abtransportiert wurde während vermutlich nicht einmal seine Mutter sein Gesicht noch erkannt hätte, kostete es mich nicht einmal ein Schulterzucken weil die Schlägerei schließlich beiderseits gewollt war und wenn man das Risiko wissentlich eingeht, SSKM. Ich könnte sicher auch einem Mörder, Vergewaltiger oder Pädophilen beim sterben zusehen und würde mir dazu eventuell eine Tüte Popcorn genehmigen, alles kein Problem. Aber wie gesagt, bei Kindern und Tieren bin ich leider echt empfindlich. Und genau deshalb will ich mich wirklich wo es geht davon fernhalten um solche für mich schwer verdaubaren Ereignisse so gut es geht zu vermeiden.
Bei uns zuhause fühlte es sich tatsächlich nach einem schweren Todesfall im engsten Familienkreis an. Die Tochter hat fast eine Woche lang durchgeweint, die Frau weint noch immer 2,3 mal am Tag und ich habs mir auch nur verkniffen um den beiden Trost spenden zu können, mit abgedroschenen und wertlosen Floskeln die vermutlich nicht sonderlich hilfreich sind. Weil es mit den Tieren, in dem Fall Katzen, irgendwo fast ein Zusammenleben auf Augenhöhe ist bei uns. Klingt merkwürdig, ist aber so.
Um wieder zurück zum Punkt zu kommen könnte man meine Aussage vom letzten Post vielleicht etwas abändern: WENN man weiß dass man auf solche Dinge ähnlich reagiert wie ich oder meine Familie bzw man wirklich Probleme hat damit umzugehen - DANN sollte man vielleicht darauf verzichten Haustiere zu halten. Klar gibt es Menschen die damit einfacher umgehen können, gar keine Frage.
PrivateEye schrieb am 03.03.2019:Wie @Doors schon erwähnte, ist das für Kinder durchaus nicht verkehrt, den Umgang mit der Endlichkeit zu begreifen und zu erlernen, auch wenn es nicht gleich die krasse Mähdrescherversion sein muss.
Wie gesagt, siehe oben - ich denke dass jeder Mensch in seinem Leben die Erfahrung machen muss, einen geliebten Menschen (oder ein geliebtes Tier) zu verlieren. Außer man stirbt früh genug oder hat keine geliebten Menschen - und beides ist nicht die Option die man wählen würde wenn man könnte.
Ich glaube es wäre der angenehmere Weg wenn es beim "ersten Mal" jemanden trifft zu dem man keinen so starken Bezug oder Kontakt hat. Wie eben der oben erwähnte Onkel den man 2,3 mal im Jahr sieht. Oder der Nachbar mit dem man hier und da mal etwas Smalltalk abhält. Wenn dir jemand sehr sehr wichtig ist (und das kann sowohl auf Menschen als auch auf Tiere zutreffen, gleichermaßen) und du dein ganzes bisheriges Leben mit jemandem verbracht hast dann ist das denke ich eine relativ harte und unschöne Art mit diesem Thema konfrontiert zu werden.
knopper schrieb am 26.02.2019:bei mir ist es so das mein verstorbener Kater immer noch irgendwo da ist. Ist ganz seltsam aber son tiefes inneres Gefühl. Beerdigung war schlimm, und im Grunde meine erste Beerdigung wo ich heulen überhaupt musste...klar man hatte ja jeden Tag mit ihm zu tun. .(
Ist auch jetzt beim Schreiben, sowie die Gedanken aufkommen....dicker Kloß im Hals, Augen werden wässrig usw... kann man absolut nicht beeinflussen bzw. unterdrücken.
Persönlich ist mir das auch meist recht peinlich, in nem Gespräch mit anderen bspw... aber sind halt Gefühle. :(
Das kann ich wirklich extrem gut nachempfinden. Peinlich auch deswegen, weil es viele halt auch nur schwer nachvollziehen können in einer solchen Art und Weise um ein Tier zu trauern. Das ist auch gar kein Vorwurf, manche haben einfach eine dickere Haut, oder hatten vielleicht auch zu Tieren gar nie einen so intensiven Kontakt um verstehen zu können dass es für andere ganz gleich ist wie wenn ein geliebter Mensch stirbt.
@DiePandorra Mein Beileid! Und ja, ich denke auch dass es auf jeden Fall weiter hilft wenn man den Gefühlen die einen bei so einem Verlust umgeben, irgendwo Ausdruck verleiht. Da kaum jemand gern vor anderen losheulen möchte, ist das niederschreiben wirklich eine sehr gute Alternative. Man kann dadurch einiges aufarbeiten, sich damit auseinandersetzen und es einfach rauslassen. Der Fokus auf die positiven Dinge bzw der Blick auf das gesamte (gemeinsame) Leben (mit) der verstorbenen Person ist wichtig, in der allerersten Trauerphase denkt man schließlich fast nur an den Tod, oder die Phase unmittelbar davor (die ist mitunter unwürdig und wird den Verstorbenen nur selten gerecht). Je mehr Zeit vergeht desto mehr gelingt es, beim erinnern an eine verstorbene Person, das positive, das Leben, in den Vordergrund zu rücken und dafür den Tod der Person in den Hintergrund.
@Eleonore Das schlechte Gewissen macht es am Anfang wohl noch etwas härter, so war's bei mir zumindest. Da ich mich nicht nur mit dem Verlust auseinandersetzen musste sondern auch mit all den Dingen die ich falsch gemacht habe, an die vielen Gelegenheiten die ich ausgelassen habe, es besser zu machen. Und den Ärger darüber, nicht früher aktiv geworden zu sein. Aber man weiß ja leider nie wieviel Zeit einem bleibt. Das ist vielleicht etwas, wo ich sagen würde man kann aus einem Verlust etwas lernen und mitnehmen, man kann bewusster leben damit man die selben Fehler nicht wiederholt. Ich denke dass das allein sein in dieser Phase auch sehr wichtig ist. Man braucht natürlich Menschen die einem Halt geben, die hatte ich. Aber noch wichtiger war die Zeit die ich allein mit mir selbst verbracht habe um das Erlebte zu verarbeiten. Da ist aber wohl jeder anders.
@all freut mich dass der Thread noch immer lebt und hier und da neuen Content erhält. Wenngleich die Anlässe meist keine all zu schönen sind.