Wer denkt auch an die Opfer und Angehörigen?
04.11.2016 um 11:23
Leute, die in den 'passiven' Medien abkratzen, sind mir völlig gleichgültig, ebenso wie das persönliche Schicksal betroffener Angehöriger. Wenn überhaupt, dann interessiert mich die Situation der Opfer oder Hinterbliebener 'abstrakt', also die Konstellation und die Umstände bereinigt von individuellen oder persönlichen Details und wie das Ganze auf das Bild passt bzw. einwirkt, das ich vom Menschen habe.
(Empathie gegenüber den Inhalten 'passiver' Medien lehne ich entschieden ab, die Forderung danach (abgeschwächt auch die allgemeine Forderung danach) halte ich für absurd bis grenzwertig, ihre Kultivierung in der Rolle des Zuschauer-Konsumenten für schädlich)
Eine Zeit lang gab es die ursprünglich wohl eher scherzhaft gedachte Erwähnung und Beobachtung von Statisten-Rollen im Unterhaltungskino und der moralisch höchst fragwürdigen Bewertung ihrer Opferung hinsichtlich ihrer Bedeutung im Film-Szenario. Also, der Wachmann, der im Vorbeifahren erschossen wird, obwohl er außer 'auf der falschen Seite zustehen' oder zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein keinerlei Schuld auf sich geladen hat.
Wie gesagt, es war zunächst nur im Scherz, aber wenn man es mal sacken lässt und man dann irgendwo zu dem Ergebnis kommt, dass das von den Umständen her einfach völlig integere, normale Leute sein müssen und man die Leichtigkeit, mit der die vom Leben zum Tod befördert werden und das Ausmaß davon realisiert, dann ist es eigentlich schon nicht mehr so lustig. Vor allem, wenn man diese 'Schlacht-Opfer' mit einem anzunehmenden, halbwegs realistischen Hintergrund versieht, also eben zB Familie, Kinder, Menschen die diesen vielleicht guten Menschen auch mochten, kurz: wenn man die Rolle, die der Held allein der Inszenierung wegen oft recht grundlos auslöscht, zu einem Menschen werden lässt.
Das ist schon tausendmal auf uns eingeströmt und wenn überhaupt, dann nur in einem absoluten Bruchteil der Fälle uns bewusst geworden.
Dann gibt es die Nachrichten, Reportagen und Dokumentationen, da ist alles echt, jedes Bild und jedes Opfer. Auch hier ist man wieder gezwungen auszublenden oder sich emotional davon zu distanzieren, andernfalls bleibt eigentlich nur die Nachrichten-Abstinenz.
Und es gibt Aktenzeichen xy, wo nachgespielt wird von Schauspielern, dafür ein rekonstruierter möglichst realistisch und exakt detaillierter Tathergang. Das überschneidet sich dann wieder mit meiner eingangs erwähnten abstrakten Sichtweise auf das Geschehen, das Verbrechen bzw. seine Konstellation, weil die Darsteller Statisten und völlig beliebig austauschbar sind und das Persönliche der in den Fall verstrickten Beteiligten nur insofern eine Rolle spielt bzw. dargestellt wird, wie es Relevanz für die Tatbegehung, die Aufklärung oder die Identifizierung oder Dingfestmachung der Täter hat.
Einen großen Boom haben aktuell auch Sendungen wie 'Medical Detectives', wo echte Fälle mittels Forensik abgearbeitet werden und neben den beteiligten Wissenschaftlern auch die echten Angehörigen oder Ermittler der Causa interviewt werden und ihre Meinung und Sichtweise dazu präsentieren können.
Das sind jetzt vier Formate, in denen man sich die Frage nach Hinterbliebenen oder anderweitig beteiligten stellen und Empathie aufbringen könnte. Ich will mir kein Urteil erlauben, welche davon jetzt problematisch oder vertretbar sein können. Und weil ich es aus tiefster innerer Überzeugung ablehnen würde, wenn von mir erwartet würde, für eine oder mehrere davon Empathie quasi aufbringen zu 'müssen', darum erwarte oder verlange ich auch von niemandem das zu tun, ich könnte niemals von jemandem auch nur die kleinste Gefühlsregung 'fordern', das ist einfach nur grundfalsch.
Ich habe einmal bis jetzt, ein einziges Mal noch an einen Mitwirkenden einer solchen Sendung denken müssen und so eine Art 'Mitleid' oder Verständnis für seine missliche Lage aufgebracht, im Nachhinein, ganz von selber. Es handelte sich dabei weder um einen Angehörigen, noch um ein Opfer, sondern um einen Zahnarzt, der damit beauftragt wurde einen Gebissabdruck einer bereits stark verwesten, exhumierten Leiche zu nehmen. Er hat gesagt, dass er das nie gemacht hätte und dass er auch von niemadem wüsste, der es gemacht hätte.
Keine Ahnung, ist mir irgendwie nahe gegangen. Ansonsten nehme ich so ziemlich alle Schicksale aus allen aufgeführten Formaten völlig unbeteiligt, gelassen und gleichgültig hin, vielleicht so, wie wenn ich aus dem Fenster schaue, und es regnet.
Wer mich dafür verurteilen will, kann das gerne tun. Ich musste das jetzt mal so deutlich zur Sprache bringen, weil ich bin auch ein Mensch und nichts menschliches ist mir fremd und ob für wen und wo und wann und wie ich Empathie aufbringe, das muss man schon mir überlassen.