@Ilvareth Es ist auch wichtig, dass ich mit dieser Gruppe von Fehldiagnostizierten einen eher kleinen Menschenkreis beschreibe, auch wenn ich als Außenstehender keine konkrete Prozentzahl angeben könnte, obwohl ich sie auf höchstens einstellig schätze.
Davon abgesehen ist es eine gute Sache, dass das Thema heute viel freier besprochen und von Ärzten zunehmend ernster genommen wird. Ich habe mit Menschen gesprochen, die ihre Transsexualität sogar mehrere Jahrzehnte in sich vergraben haben und teilweise auch verstecken mussten. Konkret erinnere ich mich an einen Herrn, dem man in den 70er Jahren nahelegte, sich in eine geschlossene Anstalt einweisen zu lassen. Dann erinnere ich mich auch noch an diverse Bücher über den Zustand in den USA in diesen Jahrzehnten, als man ähnlich wie Homosexuelle in vielen Gegenden seines Lebens nicht mehr sicher war.
Das hat sich mittlerweile sehr stark gewandelt, wie wir ja erleben.
Gleichzeitig erleben wir dadurch aber auch die ersten Generationen, die in einer Welt aufwachsen, in der diese Thematik öffentlich besprochen wird und die Informationen frei zugänglich sind. Dadurch haben wir erstmals auch Fälle von Kindern unter 10 Jahren, die den Wunsch einer Geschlechtsanpassung äußern. Wie man das einschätzt ist eine Sache, aber grundsätzlich ist das erst einmal einfach etwas Neues, was wir so publik im letzten Jahrhundert nicht erlebt oder zumindest nicht mitbekommen haben. Da muss sich erst einmal ausloten, wie wir, Eltern und Ärzte darauf reagieren oder eingehen.
Um noch einmal auf die Aufmerksamkeit zu sprechen zu kommen, so ist das, was ich damit meine, aber viel subtiler als ich es zum Ausdruck bringen kann.
Für pure Aufmerksamkeit gibt es ja eine ganze Palette von Möglichkeiten, und auch nicht erst seit gestern, die um das Thema Sexualität nur minimal ergänzt wurde. Ich denke da etwa aus persönlicher Erfahrung an die Gothic-, Emo-Szene oder auch die Punk-Szene, um nur einige zu nennen und wie die allermeisten meiner Jugendfreunde irgendwann einmal in einer der drei Szenen etabliert waren und dem aber auch wieder entwachsen sind. Diese Phasen des Ausprobierens gibt es heute sicher noch genauso.
Im Hinblick auf die Geschlechtsidentität gibt es so eine "Szene" zumindest im englisch sprachigen Raum wohl auch, auch wenn sie viel viel kleiner dimensioniert ist. Auswüchse der Plattform tumblr auf denen sich Jugendliche z.B. als "genderfluid" oder "demiboy/-girl" bezeichnen und erfundene Geschlechtsidentitäten und psychische Störungen andichten als würden sie Pokemon sammeln, um irgendwie individuell zu wirken. In diesem Kreis gibt es auch das Attribut "trans", was aber nicht mit tatsächlicher Transsexualität gleichbedeutend ist. Da reden wir aber von einer absoluten Nische und einer sehr kleinen Zahl von Personen und schlicht pubertären Verhalten. An sich im Rahmen.
Darauf wollte ich ursprünglich aber nicht hinaus. Im Hinblick auf die Diagnostik ist wohl einfach mit der steigenden Erfahrung ein kleiner Anteil beobachtbar, der fälschlicherweise zum Schluss der Transsexualität kommt. Sei es aus mangelnder Beachtung im elterlichen Haushalt, irgendwelche Mutter- oder Vaterprobleme, vielleicht Fehlinterpretation des eigenen Crossdress oder Travestie Fetisch.
Aus Sicht der Psychologen und Ärzte, die ja nachher einer Vornamensänderung oder der Hormontherapie zustimmen müssen, sind das wohl einfach Dinge, auf die bei der Diagnostik geachtet werden muss.
Um einen Schluss zu finden. Das Thema Fehldiagnosen wollten ich nicht unnötig aufblähen, aber es ist eben ein Aspekt mit dem sich auch die Verantwortlichen auseinandersetzen müssen. Diverse Tests und Fragebögen, die ich selbst damals ausfüllen musste, sieben schon ganz ordentlich und die Erfahrung der Beteiligten steigt ja auch mit jedem Jahr und jedem Einzelfall.
Die Rolle der Aufmerksamkeit sehe ich im Raum der Diagnostik insgesamt aber genauso minimal wie diese Nischen, die sich pubertierende Jugendliche im Netz gebaut haben.
Aber ich bin gespannt wie sich das in Zukunft weiterentwickeln wird.