@Gibson Ich schreibe nicht von der Situation in Nordafrika, sondern von der in Deutschland, und von Wahrnehmungen und Reaktionen. Ist das schon Relativierung (und mit was?), wenn ich feststelle, dass ich bislang keinen einzigen der mehreren sexuellen Übergriffe, die ich erlebte, angezeigt habe?
Oder wenn ich darüber nachdenke, ob ich es getan hätte, wenn ich mir bewusst gemacht hätte, dass ich zu keinem Zeitpunkt alleine war, sondern immer viele andere Frauen das gleiche erlebten?
Das Internet macht vielen Menschen deutlich, dass sie nicht alleine sind ... zumindest hat man mit dem Handy immer den Notruf dabei.
Ich finde es immer wieder interessant, wie es einem nicht erlaubt wird, über den Umgang mit sexuellen Übergriffen zu diskutieren, die nicht von Flüchtlingen oder Immigranten ausgehen. Prompt wird einem "Relativierung" vorgeworfen ... muss ich denn Sylvester an der Oranienstraße verbringen und in Neukölln spazieren gehen, um mitreden zu dürfen?
Ich denke, dass es nicht damit getan ist, das Problem auf Immigranten, Illegale oder Flüchtlinge zu reduzieren. Die treiben zu bestimmten Gelegenheiten das Problem auf die Spitze, aber wenn täglich alle stattfindenden Übergriffe gemeldet würden, würden sich manche über ihre Mitbürger wundern.
Und mir ist es - mit Verlaub - ziemlich wurst, wer mich belästigt. Die Typen, die das am Kölner Hauptbahnhof waren, sind garantiert nicht in Deutschland, um Frauen anzufassen ... nur hat ihnen jemand eingebläut, dass sie es hier straflos tun können. Was ja leider tatsächlich zutrifft, denn die allermeisten Übergriffe werden nicht angezeigt. Denn wie in der Kölner Sylvesternacht wird auf solche "Marginalien" nicht unbegingt sofort reagiert, und wenn der Täter nicht benannt werden kann, dann noch weniger ("Ich wurde in der U-Bahn angegrabbelt" "Durch wen?" "Keine Ahnung, er stand im Gedränge hinter mir" ... "Da war einer, der sich hinter der Zeitung einen runtergeholt hat" "Auf der Kamera ist das nicht zu erkennen" "Ja, er hatte ja auch die Zeitung davor.").
Und keine Bange, mir ist die Situation von Frauen in anderen Kuturen durchaus bewusst, zumal ich auch schon ein Jahr in Indien gelebt habe und mir die Situation dort daher immer sehr präsent war. Mir ist aber auch bewusst, wie unsere Freiheit auf Menschen aus anderen Kulturen wirkt ... und wie unsereiner auf die Nacktheit und Freizügigkeit der Naturvölker reagierte, als man die Südsee und Afrika entdeckte und sich nach dortigen Maßstäben total daneben benahm.
Klingt jetzt vielleicht total verzopft - aber es lohnt sich, über die Parallelen nachzudenken.
Auf der anderen Seite steht natürlich immer die Tatsache, dass sich über moderne Medien verabredet wurde, um gemeinsam zu klauen und zu belästigen, vermutlich zunächst in Tateinheit, dann entgleisend zur reinen Belästigung. Gruppendynamik lässt grüßen ... zumal da Polizei unterwegs war, die nicht wirksam eingriff.
Da müsste ermittelt und auch bestraft werden, und im Wiederholungsfall und bei entsprechender Sachlage abgeschoben und so weiter.
Heißt das, dass ich vor allen Männern aus Nordafrika Angst haben muss? Nein. Ich kenne zu viele großartige Männer oder deren Kinder, die aus den Kulturen stammen ... da gibt es eine mindestens genauso große Bandbreite wie in Deutschland. Ich würde die Deutschen auch nicht nach den Krawallmachern vor Asylantenheimen beurteilen wollen, obwohl wirklich viele fremdenfeindlich sind.
Sollte ich in der Sylvesternacht nicht am Kölner Hauptbahnhof feiern? Hätte ich sowieso nie, weil ich weder auf Menschenmassen, noch Besoffene, noch auf unkontrolliertes Feuerwerk scharf bin. Schon gar nicht auf die Kombination, die meide ich wie die Pest.
Ich würde auch nicht am Kottbusser Tor sein wollen, am Görlitzer Bahnhof oder Bahnhof Warschauer Straße. Oder auf dem Oktoberfest, am Vatertag in der Eckkneipe, damals am ersten Mai in den Krawallen (die fanden an der nächsten Ecke statt, während ich mit den Nachbarn im Hinterhof grillte) oder sonstwo, wo Männer die Sau rauslassen.
Vielleicht ist es auch ein Phänomen des Alters, dass man solche Situationen meidet, ohne sich eingeschränkt zu fühlen. Läuft man halt zur nächsten Station, nimmt den Nachtbus oder nimmt ein Taxi nach Hause, statt im Getümmel auf die Bahn warten zu müssen. Und nein, ich muss am Wochenende nicht in einer Seitengasse an der Warschauer Brücke einem Club suchen und irgendwelche Wegelagerer mit meinem 10 Jahre alten Handy frustrieren.
;)Das Problem ist: man kann das alles nicht auf eine griffige Formel bringen wie "Nordafrikaner passen nicht nach Deutschland" oder "Islam ist blöd". Ich behalte mir vor, meine Erfahrungen vor solche Pauschalisierungen zu stellen und zu konstatieren, dass a) Menschen aus allen Kulturen nicht blöd und im Zweifelsfall eher lernwillig sind und b) die Vorteile einer funktionierenden Gesellschaft gerne akzeptiert werden und c) die wenigsten scharf auf Stress mit dem Gesetzt sind.
Außerdem gibe es d) sehr viele muslimisch geprägte Menschen, die sich in Deutschand problemlos integrieren und es wäre e) viel wichtiger, herauszufinden, wie das funktioniert, als ständig darauf herumzureiten, warum es bei anderen Muslimen nicht geht.
Und f) fände ich es gut, wenn thematisiert würde, wie viele Übergriffe insgesamt täglich tatsächlich stattfinden, wo und durch wen.
Wir werden die muslimischen Einwanderer nicht loswerden (und ich würde es auf gar keinen Fall wollen) ... es wird Zeit, sich auf Gemeinsamkeiten zu besinnen. Gerade wegen der Situation in der Türkei.