@Streuselchen Das hab ich schon verstanden. Das sehe ich auch so. Nur warst du der Part, der damit angefangen hat, dass dies nicht das Beste für das Kind ist und jenes nicht das Beste für das Kind ist. Tja. Wann hat man schonmal die besten Umstände? Ich glaube, die sind in den meisten Familien nicht gegeben. Ob wissentlich oder unwissentlich.
Auch du warst es, die die Frage in den Raum geworfen hat, wie das Kind ein Leben unter diesen Umständen genießen soll. Du hast die Frage in den Raum geworfen, wie unter diesen Umständen ein schönes Leben gegeben werden soll.
Und du hast die Frage in den Raum gestellt, ob man ein Kind lieber unter ärmlichen Verhältnissen aufwachsen lassen sollte, wenn man es stattdessen doch auch abtreiben könnte. Du hast es zwar als Frage formuliert, aber ganz ehrlich, die Aussage dahinter liest sich da ganz klar heraus. Und das finde ich ziemlich heftig. Es hat nämlich rein gar nichts mit Egoismus zu tun, wenn man dem Kind trotzdem die Chance auf ein Leben schenkt. Denn du hast keine Ahnung davon, ob es dieses als schön oder lebenswert oder genießbar erachten wird, oder nicht. Du nimmst dem entstehenden Leben diese Wahl.
Ich finde es wirklich in höchstem Maße unverschämt und anmaßend, sich einzubilden, man könne entscheiden oder gar vorhersehen, ob ein Leben lebenswert, schön oder genießbar ist oder nicht. Findest du denn wirklich, dass es besser ist, nie die Chance auf das Leben zu erhalten, als die Möglichkeit, dass es eine psychische Belastung darstellen könnte, wenn ein Kind ohne Vater aufwächst? Dass es besser ist, nie die Chance auf das Leben zu erhalten, weil man finanziell schlecht gestellt ist? Das würde mich wirklich sehr erschrecken. Es gibt so viele Dinge, die das Leben lebenswert machen und jeder findet seine eigenen. Wieso entscheidet man vorab für ein Kind, dass sein Leben nicht schön sein könnte? Dass es das Leben nicht genießen könnte? Weißt du, woran mich das erinnert? An die Diskussion darüber, ob man Kinder, die eine Behinderung haben, abtreiben soll, wenn man davon weiß. Da kommen die Leute auch immer mit ihrem "Na, das Kind könnte doch niemals ein schönes Leben haben" Kack an. Weißt du, was das ist? Bullshit! Nur weil ein Leben nach unseren Maßstäben vielleicht nicht allzu toll wäre, heißt das nicht, dass wir für alle anderen auch entscheiden können.
Dazu kommt ja noch die Tatsache, dass ein Kind nicht ewig abhängig von seinen Eltern sein wird und sich irgendwann selbst ein eigenes Leben aufbauen kann. Ein Leben, in dem es eigenes Geld verdient und finanziell eben nicht mehr am Limit leben muss. Ein Leben, in dem es einen Partner kennenlernt, sich verliebt, in dem es Glück erfährt. Ich könnte noch tausend Dinge aufzählen. Und ich versteh wirklich nicht, wieso du die Möglichkeit, dass das Kind beispielsweise psychische Probleme davontragen könnte, weniger attraktiv findest, als die Möglichkeit dem Kind das Leben zu schenken und es einfach selbst feststellen zu lassen, ob es dieses auch genießen kann. Zumal du überhaupt nicht sagen kannst, ob denn überhaupt irgendwelche Schäden davon zurückbleiben.
Und selbst wenn ein Kind es dann vielleicht nicht unbedingt einfach hat. Mein Vater war bei Weitem kein guter Vater, als ich klein war. Im Gegenteil. Ich habe viele psychische Probleme davongetragen. Ich hab mich aber auch damit auseinandergesetzt und das alles aufgearbeitet. Weil es meine Entscheidung ist, was ich aus meinem Leben mache und weil ich nicht unumstößlich an das gebunden bin, was man mir als Kind mitgegeben hat. Und jetzt? Kann ich sagen, dass ich im Großen und Ganzen ein glückliches Leben führen kann. Mit ganz normalen Aufs und Abs. Meine Mutter hatte nie viel Geld. Wie oft mussten wir den halben Monat Nudeln mit Ketchup essen, weil nicht mehr da war? Wie oft konnten mein Bruder oder ich nicht mit auf Klassenausflüge? Wie oft musste ich auf Dinge verzichten? Und? Hat es mir geschadet? In keinster Weise. Ich bin nun erwachsen, verdiene mein eigenes Geld und habe keine finanziellen Sorgen mehr. (Klar, die ein oder anderen schon mal, aber das ist ja normal
:D) Weil ich mein Leben selbstbestimmt leben kann.
Meine Mutter wusste all das nicht, als sie mit mir schwanger war. Aber selbst, wenn sie es gewusst hätte, hätte sie mich lieber abtreiben sollen? Meine ganze Kindheit und auch meine Jugend größtenteils waren das reinste Chaos. Und nun? Ich kann trotzdem ein glückliches Leben leben, weil man mir die Chance dazu gegeben hat.