Die Frage der Angemessenheit wird deshalb unterschiedlich beurteilt, weil jeder Mensch ein individuelles Strickmuster, eine einzigartige Weltsicht hat. Hinzu kommen kulturelle Rahmenbedingungen.
Ein Bekannter, der früher in Kasachstan lebte, erzählte mal, dass es dort nicht unüblich sei, dass Einbrecher, wenn sie etwas zuückgelassen haben, weil sie nicht alles wegtragen konnten, nächste Nacht wiederkommen, um den Rest zu holen. Auch in Kasachstan darf nicht ungestraft auf alles geballert werden, was die Nase - bedrohlich - über die Grundstücksgrenze streckt. Insofern hilft man sich anderweitig, dort kommt in solchen Fällen eine kasachische Jagdzwille zum Einsatz.
Während hierzulande mit Hochleistungszwillen kleine Stahlkugeln von 8 mm mit hoher Durchslagskraft verschossen werden, nimmt man in Kasachstan dicke Kugeln aus Kugellagern, und diese werden aus kurzer Distanz abgeschossen. Er hatte eine ähnliche Situation erlebt wie die hier geschilderte. Drei Einbrecher waren die zweite Nacht hintereinnder gekommen, und er hatte Licht- und Tonalarm ausgelöst. Sie flohen daraufhin durch den Garten über eine Mauer, an einer Stelle,wo ein Baum stand, an dessen Ästen man leichter über die Maurer kam. Das sie über die Mauer kletterten, konnte er in der Dunkelheit nur schemenhaft sehen. Er schoss mit der Zwille in die Dunkelheit ...ploff ... und traf einen der Einbrecher an der Schulter nahe der Wirbelsäule. Während seine Kumpels das Weite suchten, lag der Getroffene wie eine Schildkröte paralysiert auf dem Rücken, nach Atem ringend und geschockt.
Im vorliegenden Fall des Sportschützen wurde das Prinzip der Verhältnismäßigkeit m. E. verletzt.
Ich war selber Sportschütze, erfolgreicher Sportschütze (Landesvizemeister). Die Treffgenauigkeit einer Sportwaffe ist weitaus höher als die einer Polizeiwaffe, ganz zu schweigen von der Treffsicherheit eines geübten Sportschützen. Selbt wenn der andere auch eine Waffe hat, ist es in etwa so als wenn ein Straßenschläger auf einen hochtrainierten Boxer oder Karatekämpfer trifft.
Was
@Kc schreibt, kann ich auch verstehen.
Wir hatten selbst zuhause einmal die Situation, ich war verreist und mein Sohn war allein zu Hause, als versucht wurde, die Terassentür aufzubrechen. Damals lebte noch unsere Hausgefährtin Elsa, eine Hundemischung als Fila Brasiliero und Bullmastiff. Als sie von innen mit ihrer ganzen Wut vor der Terassentür erschien, waren die da draußen froh, dass die Tür noch nicht geöffnet war. Sie haben alles stehen und liegen lassen und sind geflüchtet. Damals habe ich mich hinterher bei der Polizei nach der Rechtslage erkundigt. Einem fliehenden Einbrecher, selbst wenn der mich schon dreimal besucht hätte, dürfte ich den Hund nicht hinterherschicken. Elsa hätte ihn womöglich schwer vereletzt oder getötet ....und wenn jemand flieht, geht von der Person keine Gefahr mehr aus. So ist das in unserem Rechtsstaat.
Weiteres Beispiel: Ich war mal Leiter einer Behörde einschließlich Sozialamt. Dort ist es passiert, dass ein angetrunkener Hüne dem Sachbearteiter einen Faustschlag versetzte, so dass dieser mit seinem Drehstuhl zum rückwärtigen Fenster "zurückfuhr", der Angreifer danach den Schreibtisch anhob und umkippte, dass der Mitarbeiter gerade noch seine Zehen vor der Tischkante retten konnte. Danach hängte der Typ die Bürotür aus und warf sie in Richtung des Mitarbeiters, der hinter dem umgeworfenen Schreibtisch jetzt Deckung fand. Danach verließ der Randalierer das Gebäude uns setzte sich gegenüber in eine Kneipe. Ich rief die Polizei und erwartete eine angemessene Reaktion. Pustekuchen. "Von dem Mann geht keine Gefahr mehr aus, erstatten Sie Anzeige". Ich beschwerte mich beim hiesigen Polizeidirektor, dessen Antwort war, seine Beamten hätten sich korrekt verhalten, wir leben hier ja schließlich nicht in einer Bananenrepublik.
Meine persönliche Meinung zum vorliegenden Fall: Ich hätte in die Luft geschossen, das Risiko, dass in der Nacht jemand von der landenden Kugel verletzt worden wäre, halte ich für so gering, dass ich es eingegangen wäre.
Auch im Unrecht ist mir das Verhältnismäßigkeitsprinzip dermaßen "immanent", dass ich auch in Stresssituationen höchstwahrscheinlich nicht überreagieren würde. Es ist mir z. B. völlig wesensfremd, wie man einen Gegner, wenn er am Boden liegt und bewusstlos ist, noch treten kann, wie es so oft vorkommt. Hier bahnen sich morbide Strukturen ihren Weg, aber jeder, der in seiner Persönlichkeitsentwicklung (Individuation) fortgeschritten ist, wird auch, wenn ihm Unrecht widerfährt, die Kirche im Dorf lassen ...nach dem Motto "Sie wissen nicht was sie tun".
Der Tod des Jugendlichen ist sicher tragisch und hat für eine Zeitlang eine abschreckende Wirkung auf andere Banden. Tatsächlichmuss jeder, der Demarkationslinien überschreitet, potenziell damit rechnen, dass er in der Gefahr, in die er sich begibt, Schaden nehmen und auch umkommen kann. Das ist ein natürliches Gesetz. Hier hat es "gewirkt".
Ob es im vorliegenden Fall gerechtfertigte Notwehr war, darüber werden Gerichte befinden.