Ich habe es schonmal geschrieben, ich kenne einen Fall, da hat ein Pärchen sich mit Drogen und Alkohol zugedröhnt und immer eine Kamera aufgestellt, da sie ihr "Bewusstsein" verloren haben und jede Erinnerung um sich daran zu ergötzen, was sie miteinander getrieben haben.
Wenn du forderst, dass der Wille dabei verneint werden muss, dann würde mindestens einer der beiden ein Vergewaltiger sein und das ist das Problem.
Ist denn auf den Videos zu sehen, dass einer von beiden dabei total passiv und reaktionslos herumliegt, oder gar "Nein" zu den Drogen oder dem Sex sagt? Wenn nicht, herrscht offensichtlich Einvernehmen -> keine Vergewaltigung.
Mich würde wirklich mal interessieren, warum eine Einwilligung sogar bei so etwas gefährlichem wie einer OP fort wirkt - bei etwas so alltäglichem wie Sex aber nicht.
Das Zauberwort war "Interaktion".
Wenn man Sex zustimmt, dann stimmt man normalerweise (!) zu, mit dem anderen zu interagieren. Wird man dann bewusstlos, kann man das nicht mehr.
Wie inzwischen allseits festgestellt wurde, bräuchte es dann eine spezielle Vereinbarung, wenn man diesen Fall in Kauf nehmen möchte. Ich hatte das aus der Argumentation ausgeschlossen, weil es um Allgemeingültigkeit (!) ging und allgemein (!) kann man davon ausgehen, dass der Wunsch nach Sex nicht umfasst, dass man auch noch bewusstlos penetriert werden möchte.
Bei einer OP geht man sogar davon aus, bewusstlos zu werden. Ist man es schon und eine Behandlung vonnöten, dann geschieht das ausschließlich zum Wohle des Patienten - und nicht, um irgend ein Bedürfnis des Arztes zu befriedigen.
Nein. Es reicht, wenn eine Partei explizit sagt "Ich stehe drauf, genommen zu werden, wenn ich bewusstlos bin. Wenn es soweit ist, moechte ich, dass Du dies und das mit mir tust."
Und wie oft wird das der Fall gewesen sein?
Wir waren ursprünglich von dem Fall des Schwimmers ausgegangen, der eine Frau hinter Mülltonnen missbrauchte, die bewusstlos war. Sie habe zugestimmt, Sex haben zu wollen, war sein Argument. Und das gleiche haben schon unzählige andere hervorgebracht.
Ich stimme Dir aber vollkommen zu (und habe nie etwas anderes behauptet), dass sexuelle Praktiken, die besonders den Anschein erwecken könnten, sie seinen nicht vollkommen vom Willen der Beteiligten gedeckt, konkret geklärt werden sollten.
Dann sind wir uns einig.
Wenn man es mal emotionsfrei dar legt:
Niemand darf gegen (oder ohne) den Willen des anderen Sex mit ihm haben. Dazu gehört aber auch, dass es - wie in allen zwischenmenschlichen Bereichen - gewisse situationsabhängige Spielräume bezüglich der Interpretation einer Situation gibt. Menschliche Kommunikation ist nicht fehlerfrei. Und ganz besonders nicht an Stellen, an denen eine nonverbale Kommunikation besonders üblich ist.
Es muss also in einer vernünftigen Weise bei einer Person "an kommen", dass der andere nicht will. Das kann je nach Situation, nach Vorgeschichte etc. extrem schief laufen, ohne dass man daraus einen justiziablen Vorwurf generieren kann.
Oha, jetzt wird es spannend.
An dieser Stelle muss man aber wieder sehr genau zwischen gesetzlichen Vorgaben und Anforderungen und gesellschaftlichem Konsens trennen.
Die eigentliche Frage ist, ob man an der Haltung gegenüber Sex allgemein etwas ändern kann, und ob das z.B. Einfluss auf die Herangehensweise bei der Befragung von Opfern bewirken kann.
DasProblem: Es wird davon ausgegangen, dass nicht die ausdrückliche Zustimmung, sondern die ausdrückliche Ablehnung signalisiert werden muss.
Gab es vorher irgendwann Zustimmung, wurde sich so und so verhalten, wurde nicht explizit und ausdrücklich Nein gesagt ... das dient dann dazu, dass einem Täter zugute gehalten wird, dass er nicht wissen konnte, dass das Opfer keinen Sex wollte.
Das führt dazu, dass der eine oder andere glaubt, sich Sex nehmen zu können, wenn es keinen Protest dagegen gibt. Also auch, wenn er dann mit einer total teilnahmslosen Person Sex hat.
"Er konnte ja nicht wissen, dass sie/er nicht wollte, wenn sie/er sich nicht geäußert hat"
.... das ist in seiner ganzen Absurdität schon fast komisch.
Und es fragt sich, warum man eigentlich davon ausgeht, dass kein ausdrückliches Einverständnis nötig ist? Warum ist bei der normalsten Sache der Welt das Einfachste nicht möglich: Fragen(verbal, nonverbal), ob Sex gewünscht wird, und bei Ausbleiben eines eindeutigen Signals einfach aufhören?
Um mal wieder Beispiele zu bringen ... da war das Video mit der Tasse Tee. Man kann anbieten und eine Reaktion abwarten.
Oder um bei der OP zu bleiben: Ein leidenschaftlicher Chirurg kann nicht einfach jeden operieren, der nicht ausdrücklich Nein sagt. Selbst, wenn er den Patienten schonmal operiert hat und die Nase danach besser aussehen würde.
Hier wurde mehrfach geschrieben, dass man sich davor schützen könne, in eine unangenehme Situation zu geraten, indem man dies oder das tut oder lässt und sich ganz eindeutig verhält.
Umgekehrt muss dann aber auch für den Gegenpart gelten, dass er sich eindeutig verhält und auf Signale auch reagiert, wenn er sich nicht in die Situation bringen möchte, beschuldigt zu werden.
Man kann auch total ins Spiel vertieften Kindern beibringen, dass sie beim Spiel auf das mitspielende Kind zu achten haben und aufhören oder allein weiter spielen müssen, wenn das andere Kind keine Lust mehr hat. Warum kann man das Erwachsenen nicht beibringen und tut so, als wären beim Sex alle ansonsten vorausgesetzten zwischenmenschlichen Spielregeln außer Kraft gesetzt?
Man bringt Kindern auch "Bitte" und "Danke" bei. Warum wird beim Sex ein "ok?" und Vergewisserung der Antwort als eine unzumutbare Einschränkung der Spontaneität betrachtet?
Vielleicht würden sich einige trauen, noch viel spontaner zu sein, wenn es mehr offene Kommunikation gäbe. So wie es ist, traut man sich nicht, spontan auf einander zu zu gehen, weil man befürchtet, falsch verstanden zu werden.
@Photographer73 hat die Absprachen angesprochen, die in der BDSM-Szene ganz normal sind.
Diese Absprachen fürhen nicht zur Einschränkung der Sexualität, sondern zu mehr Freiheit.
Wohlgemerkt: Ich meine nicht, dass es härtere Strafen geben soll, oder uneindeutige Situationen per Gesetz zu eindeutigen gemacht werden sollen. Ich meine auch nicht, dass jede Berührung des Einverständnisses bedarf. (Ich muss mich bei dem Gast auch nicht bei jedem Schluck Tee, den er nimmt, vergewissern ob ihm der Tee auch wirklich schmeckt.)
Bitte überlegt also nicht, wie das im Extremfall aussehen könnte, sondern ob es nicht wirklich Sinn machen würde, eindeutigere Umgangsformen für Sex einzuführen.
Nicht gesetzlich (damit kann man ein Bitte und Danke auch nicht erzwingen), sondern gesellschaftlich.