Roydiga schrieb am 12.04.2015:Ich empfinde immer mehr ekel vor dieser Doppelmoral und dieser Gesellschaft.
Eigentlich ist das keine Heuchelei. Denn Heuchelei beinhaltet, dass der Heuchelnde zum einen weiß, dass er heuchelt und zum anderen damit etwas bezweckt.
Doppelmoral passt etwas besser. Aber auch hier muss man sich fragen, ob das nicht ein zu hartes Wort ist. Denn eigentlich werden aus solchen Reaktionen keine moralischen Schlüsse gezogen.
Das Problem an der ganzen Sache liegt darin, dass wir unsere Umgebung nicht so wahr nehmen, wie sie ist, sondern wir kategorisieren und gewichten unsere Wahrnehmungen. Weil wir - mangels Kapazität - Prioritäten erstellen (müssen).
Der Tod unseres Nachbarn (so wir ihn nicht gerade hassen) ist für uns intuitiv wichtiger und damit "bemerkenswerter" als der Tod irgend eines uns Unbekannten, von dem wir in der Zeitung lesen. Weil wir eine Beziehung zum Nachbarn haben - und sei es nur, weil wir ihn ein paar mal gesehen haben.
Wir versuchen, unser Leben möglichst "im Kleinen" zu leben. Also in einer Umgebung, die wir einigermaßen überschauen können und in der wir Aktionen und Reaktionen unmittelbar erleben. Einfach weil uns die Ressourcen fehlen, sie sinnvoll auf alle 7 Milliarden Menschen gleichmäßig zu verteilen. Wir verteilen sie daher lieber auf eine kleinere Zahl und dafür in einer Menge, die auch etwas bewirkt.
Diese Nähe wird aber auch durchbrochen, wenn wir besonders bemerkenswerte oder ungewöhnliche Umstände erleben. Über diese denken wir mehr nach und gewichten sie daher auch mehr.
Daher nehmen wir Bombenanschläge oder Flugzeugabstürze mehr wahr (und gewichten sie intuitiv mehr) als z.B. Verkehrsunfälle oder verhungernde Kinder in Afrika (es sei denn, wir sehen Bilder dieser Kinder).
So funktioniert unsere intuitive Bewertung. Und wenn wir das bewusst ändern, dann bleibt nur ein klitzekleines bisschen Mitleid für die uns nahe stehenden Menschen übrig oder wir wären in ständiger Sorge bezüglich kaum vermeidbarer Alltagsgefahren.