Die Jugend von Heute
18.12.2019 um 09:42
Die Erwachsenen von heute sind bekanntlich die Jugendlichen von gestern. Die Party-People sind brave Eltern geworden, die Hausbesetzer mutierten zu Hausbesitzern, die Revolutionäre zu Unternehmern und die Punks von Einst rennen in teuren Massanzügen herum.
Dieses Gejammer frühvergreister Zeitgenossen über "die" Jugend geht mir regelmässig auf den Keks.
Vermutlich wächst mit dem Schwinden der eigenen Jugendlichkeit der Neid auf die, die noch drin stecken.
Wer ist denn eigentlich "die" Jugend? Sind wirklich alle gleich? Waren sie es je?
Aus einem älteren Thread exhumiert:
Weil mir das ganze Gejammer, Geleier und Geseier über "die" Jugend (und hier "die" Kinder) einfach tierisch auf den Keks geht, vor allem, wenn es von frühvergreisten Twens stammt, nochmal mein Statement:
Ich muss zugeben, dass ich sehr viele Kinder und Jugendliche kenne, die fleissig lernen in Schule, Ausbildung und an der Uni, die sich sozial, kulturell, sportlich und politisch engagieren und sehr klare Vorstellungen vom Leben haben, auf die sie auch zielstrebig hin arbeiten. Vergleiche ich sie mit mir, war mir meine Vorstellung von einem "Später" früher wesentlich nebulöser.
Diese Pauschalisierungen auf BILD-Niveau empfinde ich persönlich als Diffamierung der Mehrheit der Kinder und Jugendlichen in diesem Lande. Dergleichen kenne ich sonst eigentlich nur von verbiesterten alten Leuten, die pauschal "die Jugend" für alles Elend der Welt verantwortlich machen, obwohl gerade die am wenigsten dafür kann.
Ausnahmen gab es immer, gibt es immer und wird es immer geben. Aber dabei handelt es sich um Minderheiten. Man sieht eben nur die im medialen Scheinwerferlicht - und das ist politisch so gewollt. Eine Regierung, die in fremden Ländern Kriege führen lässt ist ebenso okay wie Steuern hinterziehende Milliardäre. Aber jugendliche Kleinkriminelle - die sind das schlimmste Übel der Welt. Schlimmer als Umweltzerstörung, Unterdrückung, Krieg oder Atommüll-Lager.
Mich stören Verallgemeinerungen, die "die Jugend" betreffen.
Also gestattet mir den Einwand, dass ich Kinder und Jugendliche überwiegend anders erlebe. Sie reissen sich im Gymnasium mit 30 Wochenstunden zzgl. 20 Std. Hausaufgaben den Arsch auf, um in 12 Jahren wie vorgeschrieben ihr Abi hinzulegen. Sie knüppeln sich durchs Studium, um eine vernünftige Anstellung zu bekommen, während sie nebenbei noch jobben gehen, um ihren Eltern nicht auf der Tasche zu liegen. Sie gehen ins Ausland, um Sprachen zu lernen und dort zu studieren. Sie leisten freiwillige soziale oder ökologische Jahre, engagieren sich in ihrer Freizeit für die Allgemeinheit und vor allem diejenigen, die auf der Schattenseite einer kapitalistischen Gesellschaft stehen. Sie sind politisch interessiert und engagiert, gehen auf Demos und machen Infostände, texten Flugblätter und schreiben Leserbriefe. Sie sind Trainer für Kinder in Sportvereinen oder in der Jugendfeuerwehr. Sie machen Musik, spielen Theater oder schreiben Kurzgeschichten. Sie kaufen für ältere MitbürgerInnen ein oder lesen im Altersheim vor. Vor allem sind sie viel "vernünftiger", als meine Generation es in ihrem Alter war.
Okay, zugegeben, sie hören grässliche Musik, sehen scheisse aus und reden manchmal unverständlich. Aber das ist das Privileg der Jugend, seit wir aus der afrikanischen Savanne aufgebrochen sind, uns die Welt untertan zu machen.
Das kann ich ihnen also nicht übel nehmen.
Das gilt übrigens für Jugendliche unabhängig von ihrer Herkunft oder der ihrer Vorfahren.
Und noch mal zum Thema die Jugend ausgebuddelt:
ugend zerfiel immer in miteinander konkurrierende Subkulturen, die ihren eigenen Habit, ihren eigenen Slang, eben ihre eigene Kultur hatten, die sich von der Welt der Erwachsenen ohnehin, aber auch von der anderer Subkulturen unterschieden.
Im 20. Jahrhundert gab es die völkischen Wandervögel und die proletarisch-revolutionäre Arbeiterjugend, die HJ und die Swingjugend, die Rocker und die Exis, die Hippies und die K-Gruppen, die Punks und die Popper, die Technos und die Metaller, die HipHopper und die Skinheads - um nur ein paar historisch bekanntere Hauptströmungen zu benennen.
Jede dieser Subkulturen kleidete sich anders und sprach anders. Manchmal meinten sogar die selben Begriffe unterschiedliche Dinge. Jugend zerfiel und zerfällt in Stämme mit eigenen Göttern, eigenen Kulten und eigenen Ritualen, zu denen auch immer das gesprochene, gesungene und geschriebene Wort gehörte und gehört.
Mit dem Ende der Stammeszugehörigkeit, die mit beruflicher Bildung und Karriere, Paar- und Familiengründung, Existenzaufbau und Verbürgerlichung einher geht, legen sich Stammessprachen und Stammesrituale. So wirkt dann der bebauchte und beglatzte Mittfünfziger höchst seltsam, wenn er zu seinesgleichen oder auch nur zu jüngeren sagt: Ey, Alda, isch schwör, ich mach deine Auto platt, wenn du nisch gleisch Behindertenparkplatz räumen tust.
Die Vermarktung der Jugendkultur begann mit dem Aufkommen des Rock'n'Roll als erster "globaler" Jugendkultur. Plötzlich liessen sich Elvis-Platten, Jeans und Haar-Gel weltweit vermarkten. Aus den Hippies wurde der Schlabberlook und die Prilblume und mit Metalern liessen sich sogar Waschmittel für "richtig schwarze Klamotten" vermarkten. Ein Blick in Studien zum Thema "Jugendmarkt" enthüllt, welche Millionen da für Kleidung und sonstigen Klimbim, den man als chic und aktuell gestylter Angehöriger einer x-beliebigen "Jugendkultur" so haben muss, ausgegeben werden. Selbst rrrrevolutionäre 68er wurden seinerzeit von Gauloises, Citroen, Afri Cola, Levis & Co. vermarktet.